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Ausgabe:

Mai/2002

Spalte:

550 f

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Brinkmann, Frank Thomas

Titel/Untertitel:

Praktische Homiletik. Ein Leitfaden zur Predigtvorbereitung.

Verlag:

Stuttgart-Berlin-Köln: Kohlhammer 2000. 191 S. gr.8. Kart. ¬ 17,90. ISBN 3-17-016471-6.

Rezensent:

Martin Nicol

Die vorliegende Homiletik nehme ich mit Spannung zur Hand. Ich bin gespannt auf die homiletischen Signale aus einer Praktischen Theologie, für die alltagskulturelle Aufgeschlossenheit zum Markenzeichen gehört. Und ich bin gespannt auf die Didaktik einer Homiletik, die sich ausdrücklich als "Leitfaden" für die ganz normale Predigtarbeit empfiehlt.

Brinkmann entfaltet die Predigtlehre in sechs Teilen: Prediger, Gottesdienst, Text, Hörer, Botschaft, Gestaltung. In diesem Aufriss finden sich interessante Gedankengänge und Einsichten. Ich denke etwa an das Gewicht, das der Autor dem gottesdienstlichen Kontext für die Predigt zumisst. Anregend ist auch die "assoziative Textlektüre", mit der die biblische Vorgabe unmittelbar in Lebenskontexte zu stehen kommt. Die Hinweise zur alltagskulturellen Wahrnehmung der Predigthörenden sind wichtig. Insgesamt bietet diese Homiletik eine Menge zeitgemäßer Beobachtungen zur Predigt. Die abschließenden Notizen einer Predigtvorbereitung samt eigener Predigt helfen zum Verstehen der mitunter doch etwas abgehobenen Ausführungen. In diesem Buch finde ich, homiletisch anregend reflektiert, Impulse aus der Praxis für die Praxis.

In meine Zustimmung mischen sich Fragen. Einige möchte ich nennen. Ich verstehe nicht, wie sich eine neue Homiletik so weitgehend einem nicht mehr neuen Stand von Exegese ausliefern kann: Warum dienen vorwiegend ältere Studienbücher klassischer Exegese als Referenztexte und nicht (beispielsweise) die homiletisch offenen Positionslichter eines Gerd Theißen? Warum wird die alte Skopusmethode zu Recht kritisiert, dann aber das vorgeschlagene Verfahren doch mit dem belasteten Begriff belegt? Warum wird die wichtige Frage nach dem Predigtaufbau nicht wirklich weitergeführt, sondern lediglich mit einer Kombination aus Lernpsychologie und klassischer Rhetorik beantwortet? Warum wird eine narrative Predigtweise propagiert, ohne deren Ambivalenzen zu diskutieren und Alternativen aufzuzeigen? Dass in diesem Zusammenhang drei US-amerikanische Titel angeführt werden (151), ist erfreulich. Aber warum werden sie nur genannt, nicht verarbeitet? Warum lässt die inspirierende Vision von einer kunstvollen Predigt der Zukunft (144, kursiv) die folgenden Hinweise zur Predigtgestalt doch recht unberührt? Und wo bleibt, als Fluchtpunkt aller Predigtarbeit eigens thematisiert, die gehaltene Predigt, der (wie man früher sagte) homiletische Akt?

Insgesamt kann ich nicht erkennen, dass die "Spätfolgen" (17) von Alexander Schweizers klassischer Dreiteilung (prinzipiell, material, formal) wirklich überwunden wären. Sicher, B. will dezidiert das geläufige lineare ("konsekutive") Denken im Verhältnis Inhalt - Form ablösen. Aber ob es, um Predigerinnen und Prediger zur praktischen Überwindung der tiefsitzenden Trennung der Aspekte zu inspirieren, wirklich genügt, eine hermeneutische Rhetorik (118) und ein Denken in Ebenen (121) zu propagieren? Vielleicht wäre die intendierte Einheit von Inhalt und Form anschaulicher geworden, wenn der Vf. entschlossener im Vorstellungsbereich einer Predigt als Kunstwerk argumentiert hätte.

So lese ich diese Homiletik als Niederschlag einer spürbar begeisterten Predigtpraxis und akademischen Lehrtätigkeit. Ein anregendes Konzept deutet sich an, wird aber, wenn ich recht sehe, nicht markant und schlüssig genug durchgeführt.