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Ausgabe:

Mai/2002

Spalte:

544–550

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Tück, Jan Heiner

Titel/Untertitel:

Christologie und Theodizee bei Johann Baptist Metz. Ambivalenz der Neuzeit im Licht der Gottesfrage.

Verlag:

Paderborn-München-Wien-Zürich: Schöningh 1999. 295 S. gr.8. Kart. ¬ 30,60. ISBN 3-506-79160-5.

Rezensent:

Bertold Klappert

Die Arbeit von Tück ist der überlegte und überzeugende Versuch, den theologischen Gesamtenwurf von Metz zur Darstellung zu bringen. Sie stellt damit nicht nur eine wesentliche Ergänzung zu der grundlegenden Einführung in das Gesamtwirken von Metz durch seinen Schüler T. R. Peters, "Johann Baptist Metz. Theologie des vermißten Gottes" (1998) dar, sondern ist über Peters wesentlich solidarisch-sympathetische Darstellung hinaus zugleich der Versuch, die Kritik an Metz innerhalb der katholischen, aber auch seitens der evangelischen Theologie stärker zur Sprache zu bringen.

Einleitend macht der Vf. darauf aufmerksam, dass Metz zwar keinen systematischen Gesamtentwurf vorgelegt hat, dass dies aber nicht als zufällig oder als Desiderat bezeichnet werden kann. Denn Metz wählt methodisch bewusst im Anschluss an Adorno den "Essay als theologische Form" (20) im Gegensatz zu und als Absage an systematische Gesamtenwürfe und also an systematische "Systeme, die die Gesamtwirklichkeit theoretisch zu umfassen beanspruchen" (21).

Die Arbeit zeichnet sich weiter durch den überzeugenden Versuch aus, den Weg der Theologie von Metz nicht nur sorgfältig nachzuzeichnen, sondern auch in überschaubare Abschnitte und Perioden zu gliedern, die durch jeweils verschiedene geschichtliche Herausforderungen, denen sich Metz solidarisch gestellt hat, geprägt, provoziert und bestimmt sind. T. hat an verschiedenen Stellen seiner Arbeit durch Zusammenfassungen und Rückblicke den Lesern und Leserinnen die Markierungen dieses Weges deutlich gemacht und so das Mitgehen auf dem biographischen, theologischen und praktisch-ökumenischen Weg von Metz erheblich erleichtert (5 f.101 ff.149 ff.200 ff. 213 ff.).

Der Vf. hat auf die folgenden Wegmarkierungen im Werk von Metz aufmerksam gemacht:

1. Metz beginnt - anders als Fr. Gogartens kreuzestheologische und rechtfertigungstheologische Legitimierung des Säkularismus (38 ff.) - seinen Weg mit einer "inkarnationstheologischen Legitimierung der Neuzeit" (49 ff.): Indem Gott in seinem Sohn die menschliche Natur ganz und definitiv angenommen hat und damit den Menschen zu einer Subjektivität befreit hat, ist eine produktive und nicht nur apologetisch-defensive Auseinandersetzung mit der Aufklärung und Neuzeit möglich, ja sogar christologisch-inkarnatorisch geboten (Teil I). Die Arbeiten "Christliche Anthroprozentrik" (1962) und der Sammelband "Zur Theologie der Welt" (1968) werden von T. dieser Wegetappe der Metzschen Theologie zu Recht zugerechnet. - Der inkarnationschristologische Legitimierungsversuch wird von Metz dann aber zunehmend aufgegeben, weil die Krisenmomente der neuzeitlichen Säkularisierung zunehmend sichtbar werden (Teil II, 85-106): So entfaltet Metz seit 1966 sein Programm einer neuen politischen Theologie, das im Wesentlichen - neben vielen Essays - in seinem Hauptwerk "Glaube in Geschichte und Gesellschaft" (1977) dokumentiert ist. Diese neue politische Theologie präzisiert im Anschluss an E. Blochs "Philosophie der Hoffnung" und "Ontologie des Noch-Nicht-Seins" die neuzeitliche Säkularisierung, indem sie im Sinne einer Theologie der Hoffnung nicht nur "die neuzeitliche Fortschrittsdynamik [...] im biblischen Verheißungsglauben verankert" (215), sondern durch den eschatologischen Vorbehalt (98 ff.) auch kritisiert, z. B. in Gestalt der Kritik an der marxistischen Geschichtsauffassung. So transzendiert das eschatologische Kommen Gottes und damit die praktische Hoffnung der Christinnen und Christen alle innergeschichtlichen Geschichtskonzeptionen und kann sich zugleich kritisch wie positiv auf sie beziehen.

Warum in seiner "kritischen Zwischenbilanz" (101 ff.) T. den von Metz ins Auge gefassten Grenzfall, "zur Umgestaltung strukturell (!) ungerechter Herrschaftsverhältnisse revolutionärere Praxis zu legitimieren" (101), kritisiert und mit der neutestamentlichen Feindesliebe kontrastiert, muss nach den Erfahrungen des 20. Jh.s (vgl. Bonhoeffers Weg in den gewaltsamen Widerstand, der Befreiungskampf des südafrikanischen und namibischen Volkes, der Antirassismusprogramm-Sonderfonds des ÖRK u. a.) überraschen, nicht zuletzt im Hinblick auf Karl Barths Ausführungen zum Grenzfall berechtigten revolutionären Widerstandes in seiner Auslegung des "Schottischen Bekenntnisses" (1938) und in "Christengemeinde und Bürgergemeinde" (1946). Ein Gegensatz zur neutestamentlichen Feindesliebe (100) entstünde doch erst dann, wenn in einem solchen Grenzfall eines revolutionären Prozesses die bisherigen Opfer den Tätern keinen Ort mehr in einer versöhnten Gesellschaft zubilligen könnten. Hier bekommen die vom Vf. zu Recht thematisierten neutestamentlichen Traditionen von Feindesliebe (100) und Versöhnung (221) ihren legitimen Ort. Der Prozess von "Versöhnung, Wahrheit und Gerechtigkeit" in Südafrika ist ein leuchtendes Beispiel für die Relevanz von christologisch begründeter und gesellschaftlich relevanter Versöhnung und Feindesliebe im Prozess einer in eschatologischer Perspektive erfolgten politischen Befreiung (vgl. das Kairos-Dokument des südafrikanischen Kirchenrates und die Wahrheitskommission unter Leitung von Bischof D. Tutu). An diesem Beispiel hätte der Vf. seine zu Recht vorgenommene Ausweitung der theodizee-empfindlichen Theologie von Metz durch eine Christologie der Stellvertretung und Versöhnung konkretisieren können - freilich dann doch wohl nicht gegen Metz, sondern in Präzisierung des Metzschen Anliegens, einer falschen Versöhnung zwischen Opfern und Tätern, die die Fragen nach der Gerechtigkeit gegenüber den Opfern in gesellschaftlicher Dimension nicht stellt, zu widerstehen. Leider fehlt die Erinnerung an solche positiven Beispiele aus der ökumenischen Bewegung des 20.Jh.s.

2. Der Vf. behandelt sodann (Teil II, 106-154) wiederum in übersichtlicher Weise die "konzeptionelle Erweiterung der neuen politischen Theologie durch die memoria-These seit 1969". Erweiterung bedeutet dabei nicht Ersetzung, sondern Präzisierung des bisher von Metz gegangenen Weges, insbesondere durch die Begegnung mit der Geschichtsphilosophie W. Benjamins, dem der Vf. einen inhaltsreichen Exkurs widmet (109 ff.). Sachlich und zeitlich parallel zur Entfaltung der Kreuzestheologie J. Moltmanns entwickelt Metz im Gespräch mit der Frankfurter Schule und W. Benjamin die memoria passionis "als anamnetische Solidarität mit den Opfern der Geschichte [...] und stellt das Geschick der Toten und der ungerecht Leidenden in den Horizont apokalyptischer Erwartung auf den rettenden Eingriff Gottes" (216), wie präzise formuliert wird.

Dabei "entwickelt Metz in der erweiterten Fassung der politischen Theologie eine memorativ-narrative Soteriologie, welche das Gedächtnis an das Leiden Christi erzählend präsent hält" (216). In diesem Zusammenhang kritisiert T. nicht nur die Abstraktheit dieser memoria passionis et resurrectionis Christi bei Metz, die inhaltlich lediglich in einer "praktischen Nachfolge-Christologie" entfaltet werde, sondern er fragt auch nach der "präzisen Verhältnisbestimmung zwischen der Passionsgeschichte Jesu Christi und den vielfältigen Leidensgeschichten der Welt" (216).

Was aber meint - so wird man fragen - eine "präzise Verhältnisbestimmung", wenn das Neue Testament die apokalyptischen Leiden Christi in der Passionsgeschichte (Mk 14) in den Kontext und in die Perspektive der apokalyptischen Leidensgeschichte Israels und der Welt stellt (Mk 13)?

3. Die theodizee-empfindliche Theologie der memoria passionis Christi et mortuorum erhält seit 1978 durch Metz eine weitere Vertiefung und Ausweitung nicht nur durch die solidarische und sympathetische Begegnung mit der lateinamerikanischen Theologie der Befreiung, sondern auch und insbesondere in der radikalen Infragestellung durch Auschwitz, dem Ereignis von Verbrechen und Schande (Teil III):

Der Vf. fasst diese theologische Provokation durch den Bruch und die Einmaligkeit von Auschwitz so zusammen: "Angesichts [...] der präzedenslosen Greuel von Auschwitz [...] plädiert Metz im Blick auf die Opfer für eine apokalyptische Theologie der Hoffnung, die darauf setzt, dass Gott selbst am Ende der Geschichte Rettung und universale Gerechtigkeit schafft. Die Stärke dieser Theologie liegt in ihrer Betonung der Allmacht (Gottes). Das soteriologische Potential, das in diesem Gottesattribut aufbewahrt liegt, wird im Blick auf die Toten und Verlorenen der Geschichte herausgestellt. Die Toten bleiben im Hoffnungshorizont eines allmächtigen Gottes nicht tot, die Opfer nicht definitiv Opfer. Darüber hinaus konvergiert die Hoffnung auf das rettende Eingreifen Gottes am Ende der Zeit in gewisser Hinsicht mit dem jüdischen Messianismus" (217) und ist zugleich Ausdruck des Anliegens von Metz, "das Anliegen einer jüdisch-christlichen Ökumene" voranzutreiben (ebd.).

In deutlicher Abgrenzung, die sich durch die bisherige Darstellung vorerst in den Anmerkungen, dann aber im Teil IV auch explizit vollzieht, versucht der Vf. - wenn auch lediglich "in einer gewissen Nähe zum Problemhorizont, den Metz aufreißt" (219) - nicht nur auf theodizee-nahe Trinitätslehren zu verweisen (Teil III, 176 ff), sondern auch selber thesenartige Ansätze "zu einer theodizee-nahen Christologie (der Stellvertretung und Versöhnung) im Horizont der radikalisierten Moderne nach Auschwitz" zu entfalten (Teil IV, 221 ff.).

Dabei möchte der Rez. zunächst ausdrücklich festhalten, dass er sich mit dem Vf. darin einig weiß, dass eine theodizee-empfindliche Theologie nach Auschwitz sich in der Tat der Aufgabe stellen muss, eine gesamtbiblisch begründete Christologie der Stellvertretung und Versöhnung wie auch eine darin begründete theodizee-nahe Trinitätslehre zu entfalten. Auch gehe ich - worauf der Vf. zu Recht hinweist - mit F. Mußner davon aus, "daß die endzeitliche Rettung ganz Israels (und also auch der Opfer von Auschwitz) durch Christus (d. h. in der Sprache Mußners: durch den zur Parusie kommenden Menschensohn) geschieht" (253). Vgl. dazu das Geleitwort von F. Mußner in meinem Buch "Miterben der Verheißung" (2000). Auch stimme ich dem Vf. und Mußner darin zu, dass die Singularität von Auschwitz biblisch durch die Erwählung des jüdischen Volkes und den von Gott niemals gekündigten Bund mit Israel bestimmt ist (159 f.).

4. Allerdings geht meine kritische Anfrage an die Versuche des Vf.s dahin, ob sein Umriss einer Christologie der Stellvertretung und Versöhnung der durch Metz zu Recht so überzeugend entfalteten theodizee-empfindlichen Theologie und memoria passionis Christi et mortuorum schon gerecht zu werden vermag.

Das betrifft zunächst die These: "Je mehr theologisch berücksichtigt wird, daß Gott sich selbst auf Golgatha mit allen (!) Leidenden identifiziert hat, desto weniger (!) wird die Theodizeefrage virulent" (201). Dabei ist dies nicht nur eine Beschreibung der evtl. defizitären Theologie von Metz, sondern auch positiv T.s eigene These, der ich - ich denke auch im Sinne von Metz- entgegenhalten möchte: Je mehr christologisch berücksichtigt wird, dass Gott sich im gekreuzigten Christus mit Israel und allen Völkern im Sinne solidarisch-apokalyptischen Leidens nicht nur, sondern auch im Sinne stellvertretend-versöhnenden Leidens identifiziert hat, desto mehr wird die von Metz gestellte Theodizee-Frage virulent.

Gerade wenn ich mit T. betonen möchte, "daß der Messias in Jesus schon gekommen ist und das Heil (in Gestalt der Versöhnung, noch nicht der Erlösung; - Termini, die T. leider meistens promiscue verwendet) seitdem endgültig nahe ist" (217), könnte ich nicht formulieren: "Wenn nämlich Gott selbst sich dazu bestimmt hat, in der Kenose seines Sohnes Leid und Tod auf sich zu nehmen, und sich in diesem Tod [ich ergänze: der Versöhnung] mit allen zu identifizieren, dann ist die Theodizeefrage zwar nicht beantwortet, aber sie verliert ihre Schärfe" (200); Kursivierung von mir). Im Gegenteil würde ich antworten: Gerade angesichts erfolgter Versöhnung für Israel und die Völker im gekreuzigten Christus (Jes 53) gewinnt die Theodizeefrage allererst ihre schneidende Schärfe und unübersehbare Bedeutung (Hiob).

Das Defizit der von T. entfalteten vorläufigen Thesen zu einer theodizee-nahen soteriologischen Christologie der Stellvertretung und Versöhnung, die in der Tat nach Auschwitz gesucht werden muss, besteht darin, dass er sie abstrakt, aber nicht im Kontext der von ihm genannten Stellvertretungslehre Baecks, der das Judentum als den kollektiven Knecht Gottes von Jes 53 versteht (203), entfaltet. Müsste von daher nicht mit Metz von "der sühnenden Kraft" des jüdischen Leidens durch die Jahrtausende hindurch (Metz, Ökumene nach Auschwitz, 131) gesprochen werden? Das Defizit der von T. zu Recht gesuchten Christologie der Stellvertretung besteht weiter darin, dass er den apokalyptischen Kontext (Mk 13), innerhalb dessen die Passionsgeschichten zuallererst erzählt und gewürdigt werden können (Mk 14), übersieht bzw. nicht berücksichtigt. Das Defizit der von T. zu Recht gesuchten christologischen Versöhnungslehre nach Auschwitz besteht darin, dass er in abstrakter Weise immer von "allen Leidenden" undifferenziert redet, während das Neue Testament innerhalb der Versöhnungslehre zwischen Israel und den Völkern unterscheidet, wie H.-J. Kraus in seiner "Systematischen Theologie" (1983) für 2Kor 5,19-21 im Vergleich mit Röm 11,15 gezeigt hat.

Das Defizit der von T. zu Recht erfragten Versöhnung im Kreuz Christi nicht nur im Blick auf die Täter, sondern im Blick auf die Opfer, was am Beispiel Südafrikas und Lateinamerikas und also befreiungstheologisch hätte konkretisiert werden können, zeigt sich da für mich erschreckend und tritt da für mich theodizee-unempfindlich heraus, wo T. die Frage im Hinblick auf die Opfer in Auschwitz stellt, "ob eine eschatologische Begegnung mit Christus den (jüdischen) Opfern helfen kann, ihre Unerlöstheit (!) zu überwinden. Denn unerlöst sind auch die Opfer solange, als sie [...] ihr unwiederbringlich zerstörtes Leben nicht als solches (!) annehmen können" (257).

Ich frage: Ist hier nicht endgültig die Grenze des theologisch Legitimen und von der unbeanwortbaren Theodizee-Frage her noch Verantwortbaren überschritten? Ich sage und ich antworte: Ja!

Auschwitz steht nach Metz für eine Unterbrechung der Theologie, die man nicht rückgängig machen kann, auch nicht durch eine Theologie der Versöhnung. So ist der vorliegende Entwurf von T. noch keine Antwort auf das Elend und die Heimsuchung der Theologie (H. J. Iwand), sondern der Versuch, über den Bruch hinweg mit Jüngel, Pannenberg u. a. an Traditionen der Versöhnung anzuknüpfen, die den Bruch bisher überspielt und in ihrer Theologie nicht thematisiert haben.

Auschwitz als Bruch anerkennen, würde bedeuten: Nur die ermordeten Opfer könnten die Vergebung und Versöhnung zusprechen. Deshalb können die Auschwitz-Überlebenden diese Vergebung nicht aussprechen. Eine Unversöhntheit dieser Opfer gegenüber ihren Tätern ist deshalb ein unmöglicher und abstrakter Begriff. Wo ist die Komplizenschaft der Kirche mit den Tätern bisher in Theologie und Kirche so aufgearbeitet worden, dass uns ein Satz wie der von der Unversöhntheit der jüdischen Opfer gegenüber den Tätern (258) nicht im Halse stecken bleiben müsste, sich zumindest als Satz einer unversöhnten Theologie ausweist!?

Das Defizit der von T. zu Recht reklamierten doxologischen Dimension des Glaubens, die angesichts der Psalmen Israels und der memoria passionis, mortis et resurrectionis Jesu Christi eine "Engführung des Gebetes auf den Aspekt der Klage" (262) nicht legitimiert, besteht darin, dass der alttestamentliche Psalter auch die Klagen und Klagegebete, die rein statistisch gesehen sogar überwiegen, unter die Hauptüberschrift "Preisungen" Gottes (M. Buber) gestellt wissen wollte, so dass auch die Klagen als Preisungen und Anrufung der Allmacht Gottes verstanden werden müssen.

Ob Metz sich deshalb wesentlich kritisch gegenüber der traditionellen kirchlichen Versöhnungslehre verhalten hat, weil er eine theodizee-empfindliche Versöhnungslehre, die den apokalyptischen Ruf "Wie lange noch?" nicht entschärft, sondern verstärkt, in der gegenwärtigen Theologie nicht gefunden hat?

5. Entsprechendes gilt auch für die von T. nicht eigens entwickelten, sondern von ihm noch im Teil III dargestellten Entwürfe der Trinitätslehre von E. Jüngel, J. Moltmann und von H. U. von Balthasar. Dabei stimme ich mit T. darin überein, dass es einer trinitarischen Entfaltung der Geschichte des Kommens des Gottes Israels hinein in die Geschichte des Kreuzes seines messianischen Sohnes seit Pfingsten in der Tat bedarf.

Aber die Trinitätslehre bleibt solange abstrakt, als sie sich auf das abstrakte Theologumenon zu gründen versucht, "daß Gott sich selbst in Golgatha mit dem toten Menschen Jesus und darin mit allen Menschen identifiziert hat" (so T. im Anschluss an Jüngel passim). Denn in diesen von T. variierten Formulierungen ist weder vom Namen des Gottes Israels noch vom Kommen des verheißenen Messias Israels, noch von einer Unterscheidung zwischen Israel und den Völkern in der Versöhnung (Röm 11, 15 in Beziehung auf 2Kor 5,19-21) die Rede, wird also nach Auschwitz weiterhin das Besondere Israels und der Bundesbeziehung des Gottes Israels zu seinem Volk Israel verschwiegen.

Hinzu kommt, dass E. Jüngel in der Entfaltung seiner Trinitätslehre in der - wenn auch modifizierten - Tradition Hegels von der "Liebe Gottes als Einheit von Leben und Tod (!) zugunsten des Lebens" (186) spricht, ja in seinem Aufsatz "Vom Tod des lebendigen Gottes" sogar formulieren kann: "Denn wenn Gott sich im Tode Jesu als Gott definiert hat, dann hat der Tod ontologische Relevanz für das Sein Gottes" (Jüngel, Unterwegs zur Sache, 1972, 119).

Gegen diese Redeweise hat H. J. Iwand im Namen der Versöhnung im Kreuz Christi, in der es, wie die Auferweckung des Gekreuzigten offenbart, zur endgültigen Ausscheidung des Todes und des Nichtigen aus dem Leben Gottes und nicht zur Integration des Todes in das Leben Gottes kommt, protestiert (Meditation zu 2Kor 5,19-21und 2Kor 1,18-22).

Hat T. hier wirklich keine Fragen an Jüngels Fassung der Trinitätslehre zu stellen? Ist es nicht doch so, das Jüngel in seiner Theologie nicht nur kaum das Alte Testament, sondern Auschwitz gar nicht thematisiert? Und kann man dies als "gewisse Scheu" positiv interpretieren (187), wenn Jüngel sich bisher in Theologie und Kirche vor eindeutigen Absagen an das heidenchristliche Programm der "Judenmission" gedrückt hat?

Analoges gilt - wenn auch sehr begrenzt - für die Fassung der Trinitätslehre J. Moltmanns. Dieser hat nämlich im Unterschied zu Jüngel nicht nur Auschwitz entscheidend thematisiert und im Anschluss an das Alte Testament, an Heschel und die rabbinische Theologie der Selbsterniedrigung Gottes, wie T. richtig zeigt, eine Trinitätslehre des stellvertretend leidenden Christus entfaltet (188 ff.). Moltmann hat aber in seinem Buch "Der gekreuzigte Gott" mit der antijudaistischen Tradition von Theologie und Kirche den Konflikt Jesu mit den Pharisäern zu einer causa crucis hochstilisiert, sodann von Gott als der entscheidenden causa crucis, ja sogar vom "kreuzigenden Gott" gesprochen. Moltmann hat nicht nur richtig von Gottes Selbsterniedrigung im Kreuz des messianischen Sohnes als der Grundlegung der Trinitätslehre gesprochen, sondern auch eine m. E. illegitime Umkehrung vollzogen, indem er vom "Kreuz in Gott" gesprochen und darin m. E. die legitimen trinitätstheologischen Aussagen weit überschritten hat (vgl. meine Rez. in: M. Welker, Diskussion über Jürgen Moltmanns Buch "Der gekreuzigte Gott", 1979).

Nimmt man Pannenbergs universalgeschichtliche Trinitätslehre hinzu, in der Auschwitz überhaupt als Bruch der Geschichte gar nicht thematisiert wird, und erinnert man sich daran, dass Pannenberg seit seiner Stellungnahme zu der Dokumentation der CCPD "für eine mit den Armen solidarische Kirche" (1980) ein radikaler Kritiker der lateinamerikanischen Theologie der Befreiung ist, so wird man die Frage stellen müssen: Hat sich Metz gegenüber diesen und ähnlichen Trinitätstheologien deshalb verweigert, weil er in ihnen die abgründige memoria passionis Christi et mortuorum nicht in Erinnerung gebracht, sondern nach Auschwitz in problematischer Weise trinitarisch aufgehoben, entschärft, entsorgt und nivelliert sah?

Die hier formulierten Fragen wollen freilich das Verdienst von T.s Darstellung und seiner materialreichen Exkurse z. B. zu Benjamin, Augustin, zur jüdischen Literatur und Philosophie vor und nach Auschwitz usw. nicht schmälern. Sie wollen vielmehr seine Forderung nach einer notwendigen Weiterführung "mit Metz und über Metz hinaus" Rechnung tragen und mit T. über T. hinaus darauf hinweisen, dass es in der Tat heute darum geht, "Thesen zu einer theodizee-nahen Christologie" der Stellvertretung und Versöhnung zu gewinnen, wie T. als Aufgabe zu Recht formuliert hat (222).

Dass es darüber hinaus aber ebenso darum gehen muss, Thesen zu einer theodizeenahen Trinitätslehre zu entfalten, sollte ebenfalls deutlich sein. Dabei wird es um eine Trinitätslehre gehen, die die Israel-Gegenwart Gottes, die Messias-Gegenwart und die Geist-Gegenwart des Gottes Israels zu Pfingsten soteriologisch und apokalyptisch erzählt (H.-J. Kraus) und den Bund Gottes mit Israel, wie er in der messianischen Geschichte Jesu Christi bis zum Passahmahl und in Kreuz und Auferweckung bekräftigt worden ist, in die Trinitätslehre einzeichnet, gemäß dem inzwischen vergessenen Grundsatz Barths aus seiner Gotteslehre (KD II/1, 1940) und seiner Erwählungslehre (KD II/2, 1942): Im Begriff des Bundes Gottes mit Israel und in Jesus Christus vollendet sich der Begriff Gottes selbst.

Die trinitarische Relationalität Gottes wäre dann nicht primär die Israel und Auschwitz übergehende Relationalität der Selbstbegrenzung Gottes des Schöpfers und seiner Identifikation mit dem toten Menschen Jesus im Kreuz (Jüngel). Die trinitarische Relationalität des Gottes Israels und Vaters Jesu Christi wäre dann vielmehr die Einzeichnung des Bundes Gottes in Jesus Christus mit Israel und allen Menschen in das trinitarische Gottesbekenntnis, das dann wesentlich eschatologisch-apokalyptischen und soteriologischen und von daher, wie T. richtig gezeigt hat, auch doxologischen Charakter haben wird.