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Ausgabe:

Mai/2002

Spalte:

526 f

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Richer von Saint-Remi

Titel/Untertitel:

Historiae. Hrsg. von H. Hoffmann.

Verlag:

Hannover: Hahnsche Buchhandlung 2000. IV, 433 S. m. zahlr. Abb. im Anhang 4 = Monumenta Germaniae Historica, Scriptores, 38. Richeri Historiarum Libri IV. Geb. ¬ 122,50. ISBN 3-7752-5538-9.

Rezensent:

Gert Haendler

Zu den Orten mit besonders reichen Schätzen an mittelalterlichen Manuskripten gehört Bamberg. Man hat die Bamberger Reichtümer mit denen in St. Gallen und Monte Cassino verglichen, in Deutschland wären noch Köln und Merseburg vergleichbar. Das grundlegende Buch darüber hat Hartmut Hoffmann verfasst: "Bamberger Handschriften des 10. und 11. Jahrhunderts" (MGH, Schriften, Bd. 39, Hannover 1995). ThLZ 122, 1997, hatte darüber berichtet (405 f.). Nun legt H. eine Edition eines allein in Bamberg überlieferten Textes vor, der wahrscheinlich gleich nach der Jahrtausendwende bei der Begründung des Bamberger Bischofssitzes durch König Heinrich II. der dortigen Bibliothek geschenkt worden ist.

Im Jahre 1833 hatten der Bamberger Bibliotheksdirektor Heinrich Joachim Jaeck und der damalige Direktor der Monumenta Germaniae Historica (MGH) Georg-Heinrich Pertz das oben genannte Manuskript in Bamberg entdeckt. Pertz hatte 1839 den Text im 3. Band der Reihe Scriptores der MGH herausgebracht (561-657). Danach wurde Richer noch 6 mal gedruckt, u. a. 1853 bei Migne in der Patrologia Latina 138. Am bekanntesten ist die Ausgabe von Georg Waitz (Hannover 1877), die in der Reihe Scriptores rerum Germanicarum der MGH als Band 51 erschien. Schon der Bamberger Geschichtsschreiber Frutolf von Michelsberg ( 1103) hat Richers Darstellung für seine Chronik benutzt. Das erhaltene Manuskript ist ein offenbar unvollendetes Werk mit zahlreichen Rasuren, Korrekturen und sonstigen Spuren einer Überarbeitung (9). "Richer hat seinen Text immer wieder korrigiert, die alte getilgte Fassung ist oft nur mühsam oder gar nicht zu rekonstruieren. Die Seitenränder sind später durch Beschneiden beschädigt worden, außerdem sind hier nicht wenige Wörter verblaßt oder abgerieben" (16). Spezialisten haben die Möglichkeit, diese Probleme zu überprüfen: Am Schluss des Bandes wird der gesamte Text im Fasksimile-Druck geboten.

Richer von Saint-Rémi bringt in seinem Geschichtswerk auch einige Angaben über sein Leben. Der um oder kurz nach 950 Geborene kam früh ins Kloster Saint-Rémi bei Reims. Wahrscheinlich gehörte zu seinen Lehrern auch Gerbert von Aurillac, der damals an der Kathedralschule von Reims lehrte. Die Darstellung endet mit Gerberts Erhebung zum Reimser Erzbischof im Frühjahr 998. Gerbert ist auch das Werk gewidmet: "Domino ac beatissimo patri, Gerberto Remorum archiepiscopo, Richerus monachus" (35). Gerberts Wirksamkeit in Rom als Papst Silvester II. zur Jahrtausendwende kommt in zwei kurzen Nachträgen in den Blick (310 f.). Zu Richers Bekannten dürfte auch Abbo von Fleury gehört haben, der ebenfalls zweitweise in Reims ausgebildet wurde. Freilich stand Abbo bei den Kämpfen in Reims im Gegensatz zu Richer auf Seiten jener Partei, die Gerbert bekämpfte. Als letzte Nachricht über das Leben Richers von Saint-Rémi wird 991 eine Reise nach Chartres erwähnt (IV, 50, 263-266).

Hinsichtlich Richers Glaubwürdigkeit bestanden und bestehen Bedenken. Der Hg. bringt jedoch zahlreiche entlastende Gesichtspunkte. Man sollte davon ausgehen, dass auch für Richer "prinzipiell das Gesetz der Wahrheit galt". Zudem musste der Gedanke an seinen Lehrer Gerbert "ihn mahnen, bei der Wahrheit zu bleiben" (3). Richer setzte sich oft über die chronologische Abfolge hinweg, weil er Zusammenänge aufzeigen und Motive der Akteure aufdecken wollte. Der Hg. weist dazu darauf hin, "daß der moderne Historiker ein ähnliches Ziel verfolgt - und oft ähnlich scheitert" (4). Schließlich sollte man auch noch Richers damalige Arbeitsweise bedenken: "Viele Fehler, die wir ihm heute ankreiden, sind offenbar das Resultat seines hastigen, schludrigen Exzerpierens und nicht etwa bewußte Verfälschung" (5). Mitunter hat Richer nach einer Neufassung die Streichung des alten Textes vergessen: S. 9 über die Stelle IV/85 (290 sowie fol. 52 v). Zumal für den selbständigen Schlussteil des Werkes lässt sich Richers Darstellung "in großen Zügen als richtig erweisen" (7).

Richers Text füllt die Seiten 33-309, Nachträge die Seiten 310 f. Einem Stellenregister und Namenregister folgt ein Glossar auf den Seiten 341-433. Mit dem jetzt vorgelegten gründlichen Band dürfte wohl für eine längere Zeit die gültige Ausgabe von Richers Historien vorliegen.