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Ausgabe:

Mai/2002

Spalte:

517 f

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Dodd, Brian

Titel/Untertitel:

Paul's Paradigmatic I. Personal Example as Literary Strategy.

Verlag:

Sheffield: Sheffield Academic Press 1999. 282 S. gr. 8 = Journal for the Study of the New Testament, Suppl. Series 177. Geb. £ 50,00. ISBN 1-85075-914-6.

Rezensent:

Samuel Vollenweider

Die Sheffielder Dissertation untersucht die spezifische Funktion, die das persönliche Beispiel (exemplum) in der Argumentation der paulinischen Briefe hat. Die Untersuchung erstreckt sich weit über die Aufrufe zur Paulusimitation (1Kor 4,6.16; 7,7; 11,1; Gal 4,12; Phil 3,17; 4,9; 1Thess 1,5f) hinaus auf alle diejenigen Passagen, wo der Apostel "uses his personal example to ground and illustrate his argumentation in a rhetorically sophisticated manner" (32). Es zeigt sich, dass Paulus auf eine bekannte antike literarische Technik zurückgreift (16 f.) und verschiedene rhetorische Strategien verfolgt. Die Technik begegnet nicht zufällig gehäuft in Einleitungen, Übergängen und Schlussabschnitten (235 f.). D. weist in diesem Zusammenhang eigens auf die hohe Bedeutung hin, die Imitation, Psychagogik bzw. Pädagogik und Glaubwürdigkeitserweis in der antiken Welt haben (238).

Das persönliche Beispiel wird ganz besonders im 1. Korintherbrief eingesetzt; ihm gilt denn auch ein großer Teil der Arbeit (33-132). Im Lauf der Untersuchung ergeben sich unter anderem auch einige unerwartete Schlussfolgerungen: So wird etwa mit achtenswerten Gründen bestritten, dass Paulus in 6,12 und 10,23 einen korinthischen Slogan verwende. Vielmehr spreche Paulus hier von sich selbst, um sich als Modell einer freien und doch um die Gemeinschaft besorgten Person zu präsentieren (78-90). Auch in 7,1b werde nicht ein statement der Korinther referiert (93 f.). Angesichts der auffällig starken Bezüge auf seine eigene Person in Kap. 9 und 15 kommt D. auf die antiken Diskussionen über die Legitimität des Selbstlobs zu sprechen (103-105) und beobachtet, wie Paulus die zeitgenössischen Konventionen gerade hier durchaus zu wahren weiß.

Im Galater- und Philipperbrief (133-195) setzt Paulus sein persönliches Beispiel stärker indirekt ein (zu beachten sind aber immerhin Gal 4,12; Phil 3,17; 4,9). Vor allem in der heftigen Polemik gewinnt sein Ich ein scharfes Profil: Seine paradigmatische Funktion besteht darin, die Adressaten einzuladen, auf Christus und auf Gottes Wirken statt - wie es die Gegner tun- auf das Fleisch und die Werke zu setzen. Dabei schärft D. auch die Aufmerksamkeit dafür, dass das paulinische Ich nur partiell als Modell für die Glaubenden fungieren kann (vgl. 182 f.).

Einem Abschnitt über Phlm und 1Thess folgt schließlich eine sehr knappe Untersuchung zum Ich von Röm 7 (221-234). Neben biblischen (Adam) und persönlichen Elementen will D. auch deutliche diatribale Züge wahrnehmen, die Paulus in krea-tiver Weise kombiniere.

D. hat mit seiner Arbeit die verschiedenen Dimensionen des persönlichen Exempels in den paulinischen Texten umsichtig herausgestellt. Zu kurz kommt im Ganzen eine vertiefte Wahrnehmung der komplexen literarisch-rhetorischen Verwendung des Ichs in den verschiedenen Zweigen der antiken Literatur (was 16 f. zusammengetragen wird, nimmt sich viel zu dürftig aus). Die Skizzen der Paulusgegner wirken gelegentlich holzschnittartig (so etwa die Beanspruchung einer realised eschatology für die Gegner in Philippi, 179 f.). Ganz besonders wertvoll ist umso mehr die (in der neueren Forschung oft vernachlässigte) Differenzierung, die D. hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Paulus, Christus und den Gliedern seiner Gemeinden vornimmt (187-194; 238). Paulus setzt sein Exempel nicht einfach mit demjenigen Christi gleich (trotz 1Kor 11,1), sondern weiß sich mit den Glaubenden im normativen Raum des lebendigen Christus verbunden: "Paul's pattern is not exemplary because it reflects his portrayal of Christ's authoritative model, but his exemplification is meaningful because he and his auditors are in Christ" (238).