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Ausgabe:

Mai/2002

Spalte:

501 f

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Arneth, Martin

Titel/Untertitel:

"Sonne der Gerechtigkeit". Studien zur Solarisierung der Jahwe-Religion im Lichte von Psalm 72.

Verlag:

Wiesbaden: Harrassowitz 2000. IX, 244 S. gr.8 = Beihefte zur Zeitschrift für Altorientalische und Biblische Rechtsgeschichte, 1. Geb. ¬ 49,00. ISBN 3-447-04263-X.

Rezensent:

Wolfram Herrmann

Schon lange hat man beobachtet, mit Jahwe oder seinem Kult seien solare Elemente verbunden. Dabei blieb und bleibt indes manches zu klären. Dieser Aufgabe wandte sich der Vf. zu. Die seine Arbeit - eine bei Eckart Otto und Christoph Levin erstellte Dissertation - auslösende Fragestellung war das Nebeneinander von Ablehnung der Sonnenverehrung (Dtn 4,19; II Reg 23,5; Jer 8,2) und Darstellung von Jahwe und seinem Wirken durch solare Motive (Dtn 33,2; Jes 60,19; Hos 6,5; Mal 3,20). Daraus ergebe sich die Notwendigkeit, der Rolle der Sonne in der israelitischen Religion nachzuspüren. Denn vielfach dient sie neben der Trope Licht dazu, von Jahwe zu reden, und seine Aktivität beschreiben im Rahmen dieser Motivik die Verben rwa Hi (leuchten), jrz (aufgehen) und [py Hi. (strahlend erscheinen).

Die älteren Verhältnisse lassen sich schwer erkennen. Aber in der literarischen Vorgeschichte des vordeuteronomistischen Bundesbuches (zweite Hälfte 8. Jh./7. Jh.) sieht A. bereits eine "solarisierte Jahwekonzeption". In dieser Zeit sei auch anderweitig die Solarisierung Jahwes greifbar, nämlich ikonographisch (Auftreten mit dem Königtum verbundener solarer Symbole in Juda) und historisch durch die Präsenz Assurs in Palästina. Deshalb sei die Solarisierungsgeschichte der Jahwereligion beginnend mit der Abfassung von Ps 72 im 7. Jh. zu rekonstruieren, denn der Psalm war nach A.s Ansicht orientiert an dem auf Assurbanipal bezogenen Krönungshymnus, da beide Größen markante Ähnlichkeiten aufwiesen. A. zufolge ist in der Urgestalt von Ps 72 (V. 1*.2-7.12-14.16.17aab) die assyrische Hymne rezipiert. Er erkennt formanalytisch eine erste (V.8-11.15.17ag) und zweite (V. 1*.18-20) Redaktion. Hinsichtlich der Grundschicht des Psalms stellt der Vf. die These auf, man habe sich bei neuassyrischem Textmaterial angelehnt, um "die Ansprüche Assurs für Juda zu bestreiten", indem die Funktion des mesopotamischen Sonnengottes Schamasch als Garant von Recht und Gerechtigkeit Jahwe zuerkannt wurde (vgl. Ex 22,20-26; Jes 9,6; Ps 89,15). Darin liege seine Solarisierung. Ihn selbst habe man freilich in Juda nicht als Sonnengott verstanden. Und weil schon früh das Königtum auf Recht und Gerechtigkeit gegründet war, habe A.s Meinung zufolge die neuassyrische Vorherrschaft ebenfalls unübersehbaren Einfluss auf das judäische Königtum ausgeübt. Der Vf. geht dann einige Stationen durch, die Jahwes Solarisierung bewiesen, und kommt bis zu Jes 60 f., dem "Höhepunkt der Rezeptionsgeschichte von Ps 72*", wie er sich ausdrückt (208), da auf die beiden Kapitel der Psalm eingewirkt habe.

Man darf dem Vf. bescheinigen, mit viel Akribie und großem Fleiß die für seine Fragestellung wesentlichen Textpassagen biblischer und außerbiblischer Provenienz herangezogen und erörtert, ebenso umfänglich Literatur verwertet zu haben. Freilich sollte man m. E. bedenken, dass schon die Prophetie des 8. Jh.s hervorhob, Jahwe wache über der Einhaltung des Rechts, wobei keine Beeinflussung von Schamasch her erkennbar wird. Ferner lassen sich einige zu genaue geschichtliche Festlegungen hinterfragen. Es fällt auf, dass die Formanalyse der Texteinheiten eine große Rolle spielt und A. dadurch viele seiner Einsichten gewinnt. Hier scheint seine Stärke zu liegen. Allerdings ist die Ausdrucksweise oft überladen. Vieles kann man einfacher sagen. Als Beispiel diene der Satz: "Die genaue Klärung der Abgrenzungen wird nun aber durch die hochkomplexe Überlieferungslage in erheblichem Maße erschwert, die schon auf der Ebene der Textkritik zu hochstufigen und religionsgeschichtlich folgeträchtigen, aber nicht wirklich triftigen und deswegen im Ergebnis stark heterogenen Deutungsoperationen zwingt" (196).

Im Ganzen begegnet man jedoch einer sachgerechten und nüchternen Argumentation, wenngleich Einzelnes von dem, was A. zentral beschäftigt, vereinseitigt oder überzeichnet sein dürfte. Man trifft aber auch immer wieder auf vorsichtige Beurteilung der Gegebenheiten. Es ist auf alle Fälle dem Vf. zu danken, dem hier angesprochenen Fragenkreis einen beachtenswerten Impuls gegeben zu haben.