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Ausgabe:

Mai/2002

Spalte:

493–500

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Titel/Untertitel:

Neues Bibel-Lexikon. Lfg. 14/15: Täuferbewegung - Zyrene. Hrsg. von M. Görg u. B. Lang.

Verlag:

Düsseldorf: Benziger 2001. Sp. 769-1238. 4. Kart. ¬ 39,90. ISBN 3-545-23065-1.

Rezensent:

Rainer Stahl

Mit diesem Band liegen die abschließenden Lieferungen des Neuen Bibel-Lexikons vor. Damit ist dieses anspruchsvolle Projekt zur Bibelwissenschaft zum Abschluss gebracht. Und es kann resümiert werden: Die mit der ersten Lieferung vor nun dreizehn Jahren - sie war 1988 erschienen! - geweckten Hoffnungen wurden voll und ganz erfüllt. Durchgängig liegen Artikel vor, die präzise den aktuellen wissenschaftlichen Stand umreißen, ja: es werden zum Teil auch neue Positionen skizziert und vertreten, die man gewiss noch intensiver Diskussion unterziehen wird. Aber schon über einen Lexikon-Artikel Zugang zu solchen Sichtweisen und Thesen zu bieten, das ist ein Mut, für den den Herausgebern, die übrigens auch Verfasser der meisten Artikel waren (!), besonderer Dank gebührt. Allgemein sei der Hoffnung Ausdruck gegeben, dass die in diesem Lexikon bereitgestellten Erkenntnisse und Anschauungen sowohl in den Seminaren an den Ausbildungsstätten und Fakultäten als auch bei der Erwachsenen- und Laienqualifizierung intensiv genutzt werden mögen.

Selbstverständlich kann auch die Rezension dieser Doppellieferung keinen Überblick über alle Themen geben, die behandelt werden. Es wird wieder - wie schon bisher - auf einige nach der Einschätzung des Rez. wichtige Artikel hingewiesen, ohne dass damit die nichtgenannten geringer bewertet werden sollen.

Die Artikel "Taube" (787-790), "Taufe" (790-795) und "Taufe Jesu" (795 f.) gehören eng zusammen. Weist S. Schroer bei der Darstellung der Bedeutung der Taube ausdrücklich auf die Taufe Jesu hin und versteht das in den Evangelien erwähnte Herabkommen des Geistes "wie eine Taube", bei dem "die himmlische Stimme Gottes die Liebeserklärung an Jesus von Nazaret erklingen läßt", als Ausdruck der "Botinnen- und Liebessymbolik" der Taube, die vielleicht über die jüdische Weisheitstradition vermittelt worden ist (790), so erwägt F. Lentzen-Deis in seinem zweiten, dem Sonderartikel "Taufe Jesu", die Herkunft aus eher allgemein jüdisch-christlicher, theologischer Denk- und Ausdrucksart, hält aber fest: "Die Himmelsstimme setzt christologische Reflexion voraus, sie ist bereits christliche Verknüpfung atl. Zitate" (796). An diesem Beispiel zeigt sich eine allgemein gültige Tatsache: Die Bestimmung der religionsgeschichtlichen und geistesgeschichtlichen Herkunft theologischer Aussagen ist zwar notwendig, erfasst aber noch gar nicht die eigentlich intendierte, neue Absicht. Dies tut erst die Erkenntnis der Überzeugungen, zu welchen all das woanders erkennbare Material verknüpft und komponiert worden ist.

W. Zwickel ist für den ausführlichen Artikel "Tempel" (799- 810) besonders zu danken. Er bietet auf diesem Wege eine kurze Zusammenfassung seines diesbezüglichen Buches,1 dessen direkte Lektüre zu empfehlen ist. Als besonderen Akzent hebe ich hervor, dass der Vf. aus Inventar und Schmuck des Tempels die Einsicht ableitet, dass "Jahwe als Schöpfer- und Fruchtbarkeitsgott im Sinne einer creatio continua" verdeutlicht wird (802). Neben den schöpfungstheologischen Texten im Zusammenhang mit Deuterojesaja und denen der Priesterschrift sowie denen in den Psalmen sind also von nun an die Gerätschaften des Tempels als weitere Quelle für schöpfungstheologische Positionen hinzuzuziehen. An einer Stelle sei ein Einwand angedeutet: Die angebliche Religionsverfolgung durch Antiochus IV. Epiphanes zwischen 169 und 167 v. Chr. (806) ist vielleicht doch stärker als Auseinandersetzung zwischen verschiedenen religiösen Gruppen innerhalb des Judentums zu deuten.2

H.-J. Stipp und U. Schmid haben den Artikel "Textkritik" beigesteuert (821-823). In knappster Weise werden sowohl für Altes als auch für Neues Testament die grundlegenden Eckdaten benannt.

Dass die Septuaginta "bisweilen [...] ältere Entwicklungsstufen biblischer Bücher" widerspiegelt, wird mit dem Hinweis auf die Bücher Jos, Sam, Jer, Ez und (z. T.) Kön exemplifiziert. Dazu muss aber in Erinnerung gerufen werden, dass R. Albertz für Dan 4-6 die Originalität des Septuagintatextes in die Diskussion eingebracht hatte.3 Eine wichtige Ergänzung zu diesem Artikel ist der zu den "Übersetzung(en)" desselben Vf.s (942- 949).

Zur neutestamentlichen Textkritik wird festgehalten, dass "die meisten Forscher davon" ausgehen, "daß der Mehrheitstext eine spätere Entwicklungsstufe darstellt" (822 f.). Dazu möchte ich die These vermerken, "daß das Neue Testament von konkreten Herausgebern um die Mitte des zweiten Jahrhunderts zusammengestellt wurde und zusammen mit einer griechischen Ausgabe der jüdischen Bibel, dem sogenannten Alten Testament, zentral veröffentlich wurde".4

Der Artikel "Thessalonicherbriefe" ist von F. Laub verfasst worden (832-835). Zwei Aspekte seien besonders hervorgehoben:

Hatte M. Limbeck im Artikel "Paulus" vorsichtig formuliert: "Der Kolosserbrief und der 2. Thessalonicherbrief lassen sich nur mit Vorbehalt heranziehen, da bei ihnen die paulinische Verfasserschaft umstritten ist" (Lfg. 11, 87), so heißt es hier eindeutig: "2Thess wird nicht mehr ernsthaft als authentischer Paulusbrief eingeschätzt, sondern als pseudepigraphische Schrift der ntl. Spätzeit" (834).

J. Eckert meinte im Artikel "Jude" (Bd. II, 401 f.) feststellen zu müssen: "In der Auseinandersetzung mit dem nicht an Jesus Christus glaubenden Israel macht der Apostel [...] die pauschale Aussage, dass die Juden Jesus, den Herrn getötet haben und die Propheten, ja er bedient sich der heidnischen antisemitischen Polemik wenn er die Juden die Feinde aller Menschen nennt (1Thess 2,14-16)" (401). Dies hatte ich schon in Frage gestellt5 und dabei auf die gute Argumentation zur Stelle durch I. Broer, Artikel "Antijudaismus", hingewiesen, wo die Erkenntnis beschrieben wird: "1Thess 2,14-16 sind [...] als Ausdruck heftigster Polemik zu verstehen, die Israel auf den nach Ansicht des Paulus allein möglichen Weg zum Heil bringen soll" (Bd. I, 113). Angesichts dieser schon im Lexikon enthaltenen Aussagen ist es jetzt eigentlich unbefriedigend, wenn F. Laub lediglich notiert (ohne jeden Hinweis auf die genannten Stellen): "Ein Problem für die Exegese ist die [...] geäußerte, für Paulus befremdliche Judenpolemik (2,14-16)" (833). Könnte nicht I.Broers Position insofern weitergeführt werden, dass auch bei Paulus mit einem Hinzulernen gerechnet werden darf, er also in späteren Schriften (Röm 9-11) die Problemlage besser durchdacht und sich selbst korrigiert hat (vgl. gerade dazu auch M. Limbeck, a. a. O., 102 f.)?

P. Riede hat sich der Aufgabe unterzogen, entsprechend dem im alten Bibel-Lexikon enthaltenen Artikel "Tier" (damals: 1751-1757) umfangreiche und detaillierte Informationen, nun aber aufgeteilt auf die Artikel "Tiere" (849-858), "Tierliste" (873 mit den Seiten A-H!) und "Tiernamen" (873 f.), zusammenzustellen. Besonders sei hier die Aufstellung der Tiernamen mit deutscher Übersetzung und derjenigen der Septuaginta sowie der neutestamentlichen Tiernamen hervorgehoben, die eine beeindruckende Darstellung des Materials bietet.

Vor allem aber sei der Artikel "Tiere, Herr der" (vorgelegt von B. Lang, 858-872) benannt, der ganz neue religionsgeschichtliche Einsichten bietet, von denen folgende unterstrichen werden sollen: Dieses Gottesbild bezwingt nicht die Tiere sondern befriedet sie: "Er erscheint als deus ludens, der mit den Bestien spielt" (862). Es ist nicht ausschließlich auf eine bestimmte Gottheit bezogen, "sondern als eine göttliche Rolle [aufzufassen], die von verschiedenen Göttern übernommen werden kann" (ebd.). Diese Rolle wird im Hebräischen mit dem Begriff Schaddai und El-Schaddai (Gott der Fluren) zum Ausdruck gebracht und ist uns in Gestalt der Identifikation mit Jahwe überliefert. M. E. völlig sachrichtig wird von diesen Erkenntnissen her der Mensch als "gleichsam ein verkleinertes Duplikat" des Herrn der Tiere erkennbar, denn die Bestimmung der Gottebenbildlichkeit in Gen 1 definiert die Zuordnung des Menschen zu den Tieren (vgl. 867). Besonders lesenswert sind die Reflexionen über die "zeitgeschichtliche Bedeutung des Schöpfungsberichts" und "des Buches Ijob" (870 f.), die deutlich machen, dass diese Texte Gott als einen schildern wollen, der das Leben elementar sichert: "Weder das Buch Ijob noch die Genesis haben Interesse an einem politischen und geschichtlichen Gott. [...] Sie sind an elementarem Segen, an Fruchtbarkeit, an Herden und Nachkommenschaft interessiert. [...] In dieser Lage greifen sie auf das archaische Gottesbild zurück und entdecken den H.[err]n d.[er] T.[iere]. [...] Der Gott des Buches Ijob und der Gott der Priesterschrift ist El-Schaddai, der Gott der Fluren" (871). Dieser Entwurf zeigt wieder einmal beeindruckend, dass die biblischen Texte erst dann ihre Lebendigkeit gewinnen, wenn sie als je eigenständige theologische Stimmen erkannt und nicht voreilig in die durch den Aufriss der biblischen Texte entstandene Gesamtsumme des theologischen Denkens eingeebnet werden.

Der Artikel "Tora", vorgelegt von A. Moenikes (899-904), stellt eine wichtige Ergänzung zum Artikel "Gesetz" dar (Bd. I, 825-829). Als Erteiler der Tora werden Weisheitslehrer und Eltern (auch die Mutter), die Priester, dann Gott und auch Mose benannt. Hier wird also von der soziologischen Fragestellung (Welche Gruppen in der Bevölkerung waren Torageber?) hinüber gewechselt zur theologischen (Wer ist eigentliche Quelle der Tora?). Insofern die Darstellung zur "Tora Gottes" mit dem Hinweis auf prophetische Belege beginnt (900), wird deutlich, dass hinter diesem Gedanken die Propheten standen. Die deuteronomisch-deuteronomistische Beziehung der Tora auf Mose (901 f.) wird als theoretische Fiktion erkennbar gemacht: "2Kön 23,25a als Abschluss des [...] joschijanischen Geschichtswerkes [...] ist ein Beleg dafür, dass die Mose-Stilisierung der T. noch in der Zeit Joschijas erfolgte" (902). Mit Blick auf das durch diese Quellen dargestellte Bild der Predigt der Tora durch Mose im Ostjordanland hätte man vielleicht auch sagen können, dass diese Stilisierung erst in der Zeit Joschijas erfolgte. Vor allem aber wird nicht deutlich gemacht, welche Gruppen hinter der kollektiven Identifikationsfigur "Mose" standen (vgl. auch die Zusammenfassung 903). Neben der Tendenz zum Verständnis der Tora als "feststehendes Gesetz" (902) hätte ich mir auch den Hinweis auf sie als bleibend lebendige Gabe gewünscht, der zu allererst mit Freude zu antworten ist.

Den wichtigen Artikel zum "Tun-Ergehen-Zusammenhang" hat M. Rösel beigesteuert (931-934). Der Vf. stellt die These seines Lehrers K. Koch präzise und überzeugend dar (931-933). Er schließt dieser Darstellung sodann die wichtigsten Anfragen an sie an: Die vom Rechtsdenken her, die von Einsichten in ägyptische Vorstellungen her, die von der Erweiterung der Tatsphäre durch die sozialen Bedingungen des menschlichen Lebens her und die von einer funktionierenden Weltordnung her. Am positivsten werden die Einwände vom Rechtsdenken her beurteilt: "Hier ist wohl mit Recht darauf hingewiesen worden, daß in einer Reihe von Texten durchaus von einem persönlichen Eingreifen Gottes jenseits eines Automatismus die Rede ist [...]" (933).6

Aus dem Artikel "Überlieferungsgeschichte" von E. Blum (941 f.) sei lediglich zustimmend und unterstreichend die Skepsis hervorgehoben, die der Vf. zum Ausdruck bringt: "Allerdings erscheint angesichts der hochgradigen Variabilität von Texten in mündlicher Kommunikation generell fraglich, ob der Verschriftung vorausgehende Textformen letztlich noch einer Analyse zugänglich sein können" (941).

F. Mußner hat den Artikel "Urgemeinde" zur Verfügung gestellt (978 f.). Er grenzt sich von der These ab, dass es neben der Jerusalemer Urgemeinde "eine selbständige galiläische U. (mit eigener Theologie!)" gegeben habe (978), womit natürlich die Existenz christlicher Gemeinden in Galiläa nicht in Frage gestellt werden soll. Er stellt optimistisch fest, dass die Urgemeinde "einen bes. Gemeinschaftssinn mit teilweiser Gütergemeinschaft (Apg 2,44 f.; 4,32-37), die bes. der Unterstützung der Armen dienen sollte (2,45; 4,35)" entwickelte (ebd.). Aber gewiss sind diese Aussagen in der lukanischen Apostelgeschichte stark von der Propagierung eines Zieles geprägt, wollen also ein Ideal über die gewiss auch ernüchternde Realität hinweg deutlicher durchsetzen. Gleich im Anschluss bietet der Vf. eine knappe Darstellung der Entwicklungen innerhalb der frühen christlichen Gemeinden, wobei die Treue zu den Regeln der Tora unterscheidend wirksam wurde. Das Ende der Jerusalemer Urgemeinde bezeichnet er mit der Feststellung: "Zu Beginn des Jüd. Krieges (66-70 n. Chr.) sollen die Angehörigen der U. Jerusalem verlassen haben und nach Pella ins Ostjordanland ausgewandert sein (EusHist.ecc. 11, 5,2-3)" (979).7

In N. C. Baumgarts Artikel "Urgeschichte" (979-983) werden die jüngsten Erkenntnisse zu Umfang und Aufbau dieses Textmaterials rezipiert und weitergeführt: Die Urgeschichte umfasst drei Teile - die Schöpfungserzählung (Gen 1,1-2,4a8), die Paradieserzählung (Gen 2,4b-4,26) und die Fluterzählung mit doppelter Einleitung und doppeltem Schluss (Gen 5,1- 9,29, wobei einander korrespondieren: Gen 6,5-8 und 8,20-22 sowie Gen 6,9-22 und 9,1-7.8-19) und einem inneren Rahmen (Gen 6,1-4 und 9,18-27) sowie einem äußeren (Gen 5,1-32 und 9,28 f.) (980). "Die U. beschreibt in den Anfängen der Welt, was jede Zeit begleitet und allerorten gilt [...]" (ebd.). Bei der Darstellung der Komposition beginnt der Vf. mit dem Text der Flut, weil von ihm her - wie ich schon lange annehme!- die Charakterisierung unserer Welt gewonnen werden kann, wie sie die Verfasser dieser Texte sehen: "Da im dazu [zu: Gen 6,5-8] korrespondierenden Abschnitt 8,20-22 am Flutende der Mensch fast unverändert boshaft bleibt, zeigt sich, daß die Bestandsgarantie nicht im Menschen, sondern allein in YHWH gründet" (981). Das ist ja die eigentliche evangelische Herausforderung dieses Textkomplexes!

Einen möglichen Bezugspunkt zu anderen Artikeln hebe ich besonders hervor: den der Vorstellung vegetarischer Lebensexistenz im Bereich des Schöpfungstextes - vgl. den Artikel "Tiere, Herr der" (867) und den Artikel "Vegetariertum" von B. Lang (997 f.).

B. Lang hat den im ursprünglichen Bibel-Lexikon nicht enthalten gewesenen Artikel "Väter Israels" vorgelegt (989-993). Hier ist ein Standardtext gelungen, der die notwendigen Eckdaten beim Zugang zur Frühgeschichte und frühen Religionsgeschichte Israels benennt. Ich hebe nur hervor: "[...] insgesamt darf die Suche nach einer Zeit der Patriarchen als erste Epoche der Geschichte Israels als gescheitert gelten" (989). "Historisch gesehen geht die Religion der Väter nicht einer anderen, sie ablösenden Religionsgestalt voraus (der im Exodus begründeten Jahwereligion), sondern hat eine andere soziale Heimat als der nationale Jahweglaube: Es handelt sich um Familienreligion [...]" (990), wobei der Vf. dankenswerterweise auf den Kollegen verweist, der vor 26 Jahren (!) als erster diese These ins Gespräch gebracht hatte.9

Sodann differenziert der Vf. insofern, als er religionsgeschichtlich eine Ahnenverehrung als Grundlage der Vätertradition ausmacht (ebd.) und theologiekritisch die "Vätertradition als Alternative zum Exodus" begreift (991 f.). Auch hier wird wieder eine ursprüngliche Vielstimmigkeit innerhalb des biblischen Materials herausgearbeitet.

G. Steins und H. Frankemölle haben den Artikel "Verheißung" verfasst (1003-1009). Sowohl im alttestamentlichen als auch im neutestamentlichen Teil wird festgehalten, dass - gesamtbiblisch gesehen - die Verheißung von der Erfüllung her erkennbar wird, also - so meine ich - das gedankliche Schema eigentlich Erfüllung - Verheißung genannt werden müsste: "Von der Erfüllung her wird die V. als solche erkannt [...] Gegen einen theologisch unhaltbaren Erfüllungsenthusiasmus [...] ist auf dem V.überschuß des Gotteswortes insgesamt, sowie auf der Transparenz der Erfüllung auf bleibende V. hin [...] zu insistieren" (1005 f. - so G. Steins). Und: "Der Folgetext mit dem Gedanken der Erfüllung bestimmt den Prätext als V., dessen Hülle (vgl. 2Kor 3,14b-16) bzw. dessen V.potential erst so exklusiv erkennbar wird, ohne für andere vermittelbar zu sein. D. h.: Die Perspektive geht vom NT ins AT, nicht umgekehrt" (1007 - so H. Frankemölle).

Der Artikel "Versöhnungstag" (von A. Schenker und P. Trummer, 1017-1021) muss zusammen mit dem Artikel "Sühne" (auch von A. Schenker, Lfg. 13, 720-727) und einem Hinweis von P. Riede im Artikel "Tiere" gelesen werden. P. Riede stellte fest: "Das Tieropfer, das dem Spender wertvollen Besitz entzog, war eine wesentliche Möglichkeit, die durch menschliche Schuld in Frage gestellte Beziehung zu Gott wiederherzustellen. Da im Tierblut der Sitz des Lebens zu lokalisieren ist, hat dieses sühnende Funktion (Lev 17,11) und durfte somit vom Menschen nicht genossen werden, sondern war der Gottheit vorbehalten (Gen 9,4, vgl. Dtn 12,16)" (853).

Entscheidend ist hier der Textzusammenhang Lev 17,10-12, der "von ungewöhnlicher Dichte, Reflektiertheit und Eindringlichkeit" geprägt ist, so dass man sagen kann, dass "heilige Dinge im AT (selten) so bewußt interpretiert" werden.10 In ihm stellt m. E. V. 11 die eigentliche theologische Mitte dar, deren Aussage in konzentrischer Struktur zur Sprache gebracht wird:

"Denn die Lebenskraft des Fleisches ist im Blut. I

Ich habe es euch gegeben auf den Altar, II

zur Sühne auf eure Leben. II'

Denn das Blut entsühnt durch die Lebenskraft." I'

Damit haben die judäisch-priesterlichen Theologen, die diese Aussage prägten, festgehalten, dass es Gott selbst ist, der beim Opfer für die Trennung zwischen Gott und Mensch Ausgleich leistet und also nicht Tiere an Stelle der Menschen als menschliche Leistung gegenüber Gott geopfert werden. So hält A.Schenker fest: "Die Präsentation des Blutes bezeichnet das Vorzeigen des Zeichens der Gnade, durch das Gott (nach 17, 11) Sühne, d. h. Versöhnung zw. ihm und Israel, ermöglichen will" (1019). Nicht erst die Deutung des Kreuzestodes Jesu von Nazaret, sondern schon die judäisch-priesterliche Theologie ist durchgedrungen zur Erkenntnis, daß es Gott selbst ist, der am Altar handelt, und nicht der Mensch, der etwa Gott etwas abtrotzte!11

J. Zmijewski hat den Artikel "Welt" beigesteuert (1094- 1098) und B. Lang den Artikel "Weltbild" (1098-1105). Neben dem Hinweis darauf, dass hier hervorragende Informationen geboten werden, sei auf zwei problematische Aspekte hingewiesen:

Im Gegensatz zur generellen exegetischen Einsicht spricht J.Zmijewski von der Schöpfung "ex nihilo" mit Verweis auf Gen1,1 und 2Makk 7,28 (1094 f.), ohne zwischen beiden Belegen zu differenzieren. Diese Aussage wird von B. Lang explizit korrigiert: "Die am Anfang stehende Schöpfung wird als Eingriff des Schöpfers in bereits vorhandene Verhältnisse verstanden, als Gestaltung aus ungeformtem Stoff (Weish 11,17), nicht als Schöpfung aus dem Nichts" (1101).12

Dankenswerterweise vermerkt B. Lang, dass dem "Jerusalemer Tempel [...] eine kosmische Symbolik zugeschrieben" wird (1100). Er behauptet aber in diesem Zusammenhang: "Der mit Pflanzenmustern geschmückte Kultraum (1Kön 6,18) gilt als Garten Eden (Jub 8,19), während das Allerheiligste das Jenseits, den Wohn- und Erscheinungsort Gottes bildet und in alter Zeit offenbar eine anthropomorphe Statue Gottes barg" (ebd.). Woher weiß der Vf. das? Worauf bezieht sich die Bestimmung "offenbar"? Bei solch grundstürzender Behauptung hätte man sich Quellen, Belege und eine ausführliche Diskussion gewünscht!13

Im Sinne eines Hinweises sei hervorgehoben, dass B. Lang als Ergänzung zum Artikel "Jahwe" (von M. Görg, Bd. II, 260- 266) noch einen Artikel "YHWH" eingefügt hat (1145-1148), in dem weitere wichtige Informationen gegeben und Erwägungen angestellt werden. Interessant ist, dass neuere exegetische Einsichten zur Rolle und Funktion der Gottesnamen Jahwe und Elohim knapp zusammengefasst werden (1147).

U. Dahmen analysiert das vielfältige Material zu "Zadok, Zadokiden" (1149-1151) und kommt zum Ergebnis, "daß die Zn. je nach den Erfordernissen der Zeit sich selbst legitimiert und so ihre Machtpositionen behauptet haben, sei es durch Einklinken in die Eliden-Linie (2Sam 8,17), in die levitisierte Priesterschaft (Ez) oder in die Aaron-Eleasar-Linie (1Chr 5,29-41; 6,35-38)" (1151). Auch hier bestätigt sich, was oben schon zum Thema "Verheißung" festgehalten worden war: Identität und Wahrheit werden sozusagen von hinten nach vorn aufgebaut. Sie bestehen nie einfach darin, dass eine wirklich historisch zutreffende Genealogie z. B. existieren würde, sondern darin, dass ein behaupteter Identitätszusammenhang verkündigt wird.

In Band I hatte F. L. Hossfeld den alttestamentlichen Teil des Artikels "Dekalog" zur Verfügung gestellt (Lfg. 3, 1990, 400- 404). Jetzt ergänzt B. Lang diese damaligen Informationen mit dem Artikel "Zehn Gebote" (1186-1188), weil erstmals 1997 eine Inschrift veröffentlicht worden war:

"So befiehlt dir König Aschjahu:

Gib in die Hand Sacharjahus drei Schekel Silber für

das Haus Jahwes."

Obwohl die Echtheit dieser Inschrift nicht unumstritten ist,14 wertet sie B. Lang hier dahingehend aus, dass die ka'aschaer-Wendung auch vorausweisen kann. Daraus ergeben sich ein neues Verständnis von Dtn 5,12.16 und Folgerungen bis in die Dekaloggeschichte hinein.

N. van Meeteren ist die Vfn. des Artikels "Zwölfprophetenbuch" (1232-1235), in dem eine Geschichte dieser Buchsammlung skizziert wird: Einen Entstehungsprozess, der sich über mehrere Jahrhunderte abspielte, "hat man sich so vorzustellen, daß einzelne Prophetenschriften, die zunächst eine eigene Entstehungsgeschichte hatten, zu kleineren Sammlungen zusammengefaßt wurden, von da ab gemeinsam redigiert, tradiert und sukzessiv durch weitere Schriften ergänzt wurden." Eine erste Sammlung stand dem deuteronomistischen Denken nahe. Sie "besteht aus zwei Paaren, von denen sich das erste (*Hos-*Am) an das Nordreich und das zweite (*Mi-*Zef) an das Südreich wendet" (1233). Daran wurde die Sammlung Hag bis Sach 8 angefügt. Letztlich kommen noch Sach 9-14 und Jona hinzu. "Das XII liest sich in seiner Endgestalt wie ein prophetischer Kommentar zur Geschichte Israels [...]" (1234).

Zum Abschluss sei der Wunsch geäußert, dass möglichst noch ein Verzeichnis der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nachgeliefert werde, aus dem die Vornamen und die Wirkungsorte erkennbar werden. Außerdem scheint mir noch einmal eine Durchsicht durch die verwendeten Abkürzungen sinnvoll. Sp. 801 soll das Kürzel "NL" offensichtlich "Neolithikum" heißen, ist aber weder vor der ersten Lieferung (Sp. VII) vorgesehen, noch am Ende des 2. Bandes (Sp. V).

Fussnoten:

1) W. Zwickel, Der salomonische Tempel, Mainz 1999.

2) Vgl. meine Überlegungen zu diesem Fragenkreis in: R. Stahl, Von Weltengagement zu Weltüberwindung. Theologische Positionen im Danielbuch, CBET 4, Kampen 1994, 22-27.

3) R. Albertz, Der Gott des Daniel. Untersuchungen zu Daniel 4-6 in der Septuagintafassung sowie zu Komposition und Theologie des aramäischen Danielbuches, SBS 131, Stuttgart 1988.

4) D. Trobisch, Die Entstehung des Neuen Testaments. Wie das Neue Testament zu einem Buch wurde, in: Bibel heute 1/2001 - Auf der Suche nach dem "Urtext" -, 30-32. Vgl. ders., Die Endredaktion des Neuen Testaments. Eine Untersuchung zur Entstehung der christlichen Bibel, Fribourg/Göttingen 1996.

5) Vgl. meine Rezension in: ThLZ 120, 1995, 780.

6) Genau diese Gegebenheit hatte ich zu Hos 4,1-3 festgestellt und diskutiert: R. Stahl, "Deshalb trocknet die Erde aus und verschmachten alle, die auf ihr wohnen [...]". Der Versuch einer theologiegeschichtlichen Einordnung von Hos 4,3, in: Alttestamentlicher Glaube und Biblische Theologie, FS H. D. Preuß, hrsg. von J. Hausmann und H.-J. Zobel, Stuttgart, Berlin, Köln 1992, 166-173; ders., Gottesgericht oder Selbstzerstörung? Wie ist ein verbindliches Zeugnis ökumenischer Theologie angesichts der ökologischen Herausforderung zu begründen? Eine Reflexion an Hand von Hosea 4,1-3, in: Veritas et Communicatio. Ökumenische Theologie auf der Suche nach einem verbindlichen Zeugnis, FS U. Kühn, hrsg. von H. Franke, Th. Krobath, M. G. Petzoldt und W. Pfüller, Göttingen 1992, 321-331.

7) Dazu sei angemerkt, dass der Benediktiner B. Pixner eine lange, kontinuierliche Existenz urgemeindlicher Gemeinden in Jerusalem nachweisen will: B. Pixner, Wege des Messias und Stätten der Urkirche. Jesus und das Judenchristentum im Licht neuer archäologischer Erkenntnisse, hrsg. von R. Riesner, Giessen, Basel 31996.

8) Ich bleibe im Unterschied zu N. C. Baumgart dabei, dass die Schöpfungserzählung in Gen 2,4a ihren Schlusssatz hat.

9) H. Vorländer, Mein Gott. Die Vorstellung vom persönlichen Gott im Alten Orient und im Alten Testament, AOAT 23, Kevelaer/Neukirchen 1975.

10) E. S. Gerstenberger, Das 3. Buch Mose. Leviticus, ATD 6, Göttingen 1993, 220.

11) Dankenswerterweise ist diese Einsicht schon im Rahmen der Auseinandersetzung mit H. Schnädelbach rezipiert worden: "Das biblische Sühnedenken war immer schon eine religionsgeschichtliche Revolution: Nicht die Menschen geben Gott etwas, sondern Gott etwas den Menschen: im Blut des unschuldig geopferten Tieres gibt Gott wieder das Leben" (Th. Ruster, Ein Streit um's Wirklichkeitsverständnis, in: Geburtsfehler? Vom Fluch und Segen des Christentums, hrsg. von R. Leicht, Berlin 2001, 127-140, Zitat: 131).

12) Hätte die Redaktion des Lexikons diese Unterschiede ausgleichen sollen? Die jetzige Situation zwingt zur Empfehlung, dass die Leserinnen und Leser des Lexikons nicht einfach punktuell einen Artikel auswerten, sondern dass sie immer wieder die entsprechenden anderen mit zur Kenntnis nehmen.

13) Chr. Uehlinger, Vom Bildkult zum Bilderverbot, in: Welt und Umwelt der Bibel, 11, 1999, 45-49, hält gerade fest: "Auch wenn vieles dafür spricht, daß sich unter den zahlreichen Götterbildern, die auf dem Gebiet der einstigen Königreiche Israel und Juda gefunden wurden, auch das eine oder andere befindet, das JHWH darstellt, sind wir heute noch nicht in der Lage, diese zu identifizieren" (48). Für die Anfänge hatte T. N. D. Mettinger, No Graven Image? Israelite Aniconism in Its Ancient Near East Context, CB.OT Series 42, Stockholm 1995, die These formuliert, dass gestaltlose Masseben Repräsentationszeichen JHWHs gewesen sind, die allerdings nicht unwidersprochen geblieben ist (vgl. die Rez. von W. Zwickel, ThLZ 120, 1995, 986-987, und meine Rez., OLZ 95, 2000, 617-620).

Von Kultbildern JHWHs und seiner Frau im ersten Tempel, die Nebukadnezar 586 nach Babylon gebracht habe (!), hat kürzlich wie von einer Tatsache gesprochen: E. A. Knauf, Wie kann ich singen im fremden Land? Die "babylonische Gefangenschaft" Israels, in: BiKi 55, 3/2000, 132.138 (unter Verweis auf K. van der Torn [Hrsg.], The Image and the Book. Iconic Cults, Aniconism, and the Rise of Book Religion in Israel and the Ancient Near East, Löwen 1997).

14) W. Zwickel, a. a. O. (Anm. 1), 171: "Das Ostrakon wirft derweil jedoch noch einige Fragen auf. Unklar ist, wer mit dem König Aschyahu gemeint sein soll. Zudem mahnt auch der auffallend gute Erhaltungszustand der Inschrift zur Vorsicht."