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Ausgabe:

April/2002

Spalte:

422–424

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Titel/Untertitel:

Reformation zwischen Ost und West. Valentin Wagners griechischer Katechismus (Kronstadt 1550). Eingel., ediert u. kommentierend übers. von Andreas Müller.

Verlag:

Weimar-Wien: Böhlau 2000. XXXVI, 388 S. gr.8 = Schriften zur Landeskunde Siebenbürgens, 23. Geb. ¬ 38,50. ISBN 3-412-12699-3.

Rezensent:

Hermann Pitters

Endlich liegt der für die siebenbürgische Reformationsgeschichte höchst bedeutende theologische Text, der von der bisherigen Forschung immer nur am Rande berührt wurde und 1927 von Hermann Schuller bloß auszugsweise übersetzt worden war, nun in extenso in einer kritischen griechischen Ausgabe und in einer sorgfältigen synoptischen, reich kommentierten Übersetzung vor. Damit hat sich der Herausgeber und Bearbeiter Andreas Müller ein bleibendes Verdienst erworben, zumal aus dem ersten Jahrzehnt der siebenbürgischen Reformationsbewegung überhaupt nur spärlich theologische Texte überliefert sind. Von dem siebenbürgischen Reformator Johannes Honterus (1498-1549) besitzen wir nur äußerst schmale theologische Zeugnisse (die kurzen Vorreden zu zwei von ihm edierten Augustinschriften, das von ihm 1543 herausgegebene Kronstädter "Reformationsbüchlein" mit einer darauf bezogenen Apologie). Sein Nachfolger im Kronstädter Stadtpfarramt, Valentin Wagner (1510-157) hingegen, hinterließ ein etwas umfangreicheres theologisches Opus:

Neben seinen "Praecepta vitae christianae" (1554), und den "Imagines mortis selectiores" (1557) ist es vor allem seine 250 Druckseiten umfassende KATACHESIS (1550), eine in Dialogform abgefasste Laiendogmatik, vergleichbar etwa mit Luthers Großem Katechismus. Wagner hatte 1542 und 1543 in Wittenberg studiert und gehört zu den Schülern Melanchthons, dessen Theologie er in vielen Einzelheiten vertritt. In einem Schreiben an Honterus aus dem Jahr 1544 erwähnt Melanchthon die Arbeit Wagners an dem griechischen Katechismus, für dessen Abfassung er Interesse zeigt. Wagner selbst ist an der Kronstädter Schule als Lehrer und Rektor tätig, hat 1547 als Vertreter von Kronstadt an der Abfassung der "Kirchenordnung aller Deutschen in Siebenbürgen" mitgearbeitet, und wird 1549 Nachfolger des Honterus im Stadtpfarramt. 1554 weilte Wagner ein zweites Mal in Wittenberg, wobei er den Magistergrad erwarb. Im Umfeld Melanchthons waren im Blick auf die theologische Begegnung mit der Ostkirche, aber auch zur Belebung des Griechischunterrichts an den humanistischen Gymnasien griechische Katechismen abgefasst worden (Lukas Lossius 1545, Joachim Camerarius 1551, Michael Neander 1556), von denen sich Wagners KATACHESIS was den Umfang und die Form betrifft, wesentlich unterscheidet, wenn es durch die Anlehnung an Melanchthons Theologie doch auch inhaltliche Übereinstimmungen gibt.

Dem tüchtigen Forscher Andreas Müller kommt das Verdienst zu, zu den bisher einzigen beiden Exemplaren von Wagners griechischem Katechismus in der Brukenthal-Bibliothek in Hermannstadt noch weitere erhaltene Drucke in Klosterbibliotheken des Athos ausfindig gemacht, vor allem aber nun durch diese kritische Neuedition eine wichtige Quelle zur Erforschung der reformatorischen Theologie des 16. Jh.s in Siebenbürgen neu erschlossen zu haben. Das dankenswerter Weise in die vom Arbeitskreis für siebenbürgische Landeskunde betreute "Ergänzungsreihe zum Siebenbürgischen Archiv" als Band 23 aufgenommene Buch umfasst neben den 375 Seiten des eigentlichen griechischen Textes mit Übersetzung und dazugehörenden Anmerkungen ein Vorwort und eine ausführliche Einleitung, in der der reformationsgeschichtliche Rahmen abgesteckt ist, in dem dieses theologische Werk entstand. Überlegungen zur Form und zu den Quellen des Textes werden angestellt, ebenso zu seiner Theologie. Der Vf. hebt hervor, dass Wagner ein pädagogisch-moralisierendes Verständnis vom Christentum hat, das für die humanistischen Theologen bezeichnend ist und die Notwendigkeit guter Werke zur Erlangung des Heiles genausso ernst nimmt wie die befreiende Kraft des Glaubens.

Den Abschluss des Buches bildet ein sehr willkommenes umfangreiches Register, das die Aufschlüsselung des umfangreichen theologischen, literarischen und historischen Stoffes erleichtert. So können die vielen biblischen, patristischen und die übrigen Zitate aus der antiken philosophischen Literatur (deren sich Wagner als humanistischer Theologe reichlich bedient hat) leicht ausfindig gemacht werden. Dahinter steckt eine mit Bienenfleiß geleistete Arbeit, für die dem Autor zu danken ist. Ebenso fehlt ein ausführliches Literaturverzeichnis nicht. Schade, dass das Verzeichnis der Abkürzungen nicht ausführlicher ist (es wird auf die entsprechenden Verzeichnisse von Lidell-Scott und G. W. H. Lampe nur hingewiesen).

Es wird sich gewiss lohnen, die Dissertation des Vf.s zum Thema (Humanistisch geprägte Reformation an der Grenze von östlichem und westlichen Christentum. Valentin Wagners griechischer Katechismus von 1550 [TSHT] Mandelbachtal/Cambridge 2000) zur Hand zu nehmen, in der er naturgemäß seine Analyse viel ausführlicher vornimmt und seine Erkenntnisse weiter begründet. Er hat jedenfalls wichtiges wissenschaftliches Neuland erschlossen. An dem hier besprochenen Buch wird die künftige reformationsgeschichtliche Forschung, vor allem aber auch das Gespräch zwischen reformatorischer Theologie und ostkirchlich-griechischer Tradition nicht mehr vorübergehen können. Siebenbürgen als ein Brückenland zwischen Kulturen und Konfessionen in Vergangenheit aber auch in vielleicht bedeutungsvoller Gegenwart im zusammenwachsenden Europa tritt hier in Sicht.