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Ausgabe:

April/2002

Spalte:

413–415

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Pseudo-Makarios: Reden und Briefe. Eingeleitet, übersetzt und mit Anmerkungen versehen von K. Fitschen.

Verlag:

Stuttgart: Hiersemann 2000. VII, 549 S. gr.8 = Bibliothek der Griechischen Literatur, 52. Lw. ISBN 3-7772-005-0.

Rezensent:

Martin Tamcke

Der Kieler Patristiker Klaus Fitschen legt hier auf 549 Seiten eine Übersetzung der Reden und Briefe des Pseudo-Makarios vor, für die er auf Grund seiner einschlägigen Vorarbeiten wie seinem Aufsatz zu Pseudo-Makarios als Zeugen und Kritiker spätantiker und monarchischer Repräsentation (Zeitschrift für Antikes Christentum 2, 1998, 88-92) und besonders seiner Arbeit "Messalianismus und Antimessalianismus, Ein Beispiel ostkirchlicher Ketzergeschichte", FKDG 71, Göttingen 1998, sowie seiner Mitarbeit etwa bei den Makarios-Symposien als gut zugerüstet gelten muss.

Wenn F. die Texte hier unter dem Verfassernamen Pseudo-Makarios vorlegt, so hat er damit bereits seinen Standpunkt in der Diskussion um die Benennung des Autors angezeigt. Er legt hier nicht Texte zu Makarios/Symeon vor, wie es sich im Anschluss an zumindest die frühen Arbeiten von Hermann Dörries nahegelegt hätte. Allerdings beteiligt F. den Leser auch am Gang der Forschungsgeschichte. Seitdem Casimir Oudin die Verfasserschaft des Makarios 1722 für die 50 Geistlichen Homilien in Frage gestellt hatte, verging noch einige Zeit, in der man zunächst an der Verfasserschaft des Wüstenvaters Makarios festhielt, wenn auch Dionys Stiefenhofer 1913 bei seiner Übersetzung der Homilien innerhalb der "Bibliothek der Kirchenväter" die Kritik an der Autorschaft des Makarios mit einschloß. Louis Villecourt entdeckte 1920 die Parallelen zu messalianischen Sätzen. George L. Marriott, Editor der neu entdeckten Homilien 51-57, hielt Adelphios von Edessa für den möglichen Verfasser aus den Kreisen der Messalianer. Auf Villecourt aufbauend konnte 1934 Strothmann neben Adelphios Symeon als Führer der Messalianer benennen, der in der arabischen und auch in der griechischen Makariostradition als Autor genannt wird. Maßgeblich für diese Identifizierung war Hermann Dörries, dessen Untersuchung von 1941 dann programmatisch den Titel "Symeon von Mesopotamien" trug. Schon früh setzte Kritik an dieser Zuweisung an. Heinz Bertholds Edition der hier von F. in Übersetzung vorgelegten Logoi von 1973 nutzte den künstlichen Doppelnamen "Makarios/ Symeon", der auch in der letzten, 1978 postum erschienenen Arbeit von Dörries zu finden war. Mit dieser Forschungstradition im Hintergrund spricht nun also F. von "Pseudo-Makarios". Er vermeidet damit den künstlichen Doppelnamen, aber auch die Verwechslung mit dem Wüstenvater und führt nicht die doch irreleitende Benennung "Symeon" weiter fort. Als Gründe benennt er einerseits den damit vollzogenen Rückgriff auf die französisch- und englischsprachige Forschung, ein weniger durchschlagendes, wenn auch für die internationale Forschergemeinschaft erfreuliches Argument, und den Umstand, dass "die Zuschreibung an ,Symeon' nur schwach belegt ist" (4). Dies ist das eigentlich zugkräftige Argument in Verbindung mit der skizzierten Forschungsgeschichte.

F. informiert in seiner Einleitung zu den wenigen historisch verifizierbaren Bezugspunkten in den Texten (5-7) und identifiziert die eroberte Stadt mit Amida (heute Dyarbakir, wo der dort noch lebende syrisch-orthodoxe Priester Akbulut soeben vom Gericht freigesprochen wurde, nachdem er auf die Verfolgung von Syrern und Armeniern hingewiesen hatte), den Kaiserhof mit Antiochia. F. unterstreicht damit in seiner Weise die Zugehörigkeit dieser Texte zum syrischen Kulturraum. Entsprechend sieht er in den ansonsten innerlich zu verstehenden "Verfolgungen" den im Sassanidenreich als möglicherweise zu beachtenden Kontext an (8). Vorsichtig verfährt er mit den zahllosen Hinweisen zur Benutzung von Bibeltexten, die Benutzung des Thomasevangeliums durch Pseudo-Makarios wird zurückhaltend und abwägend von F. sowohl in seiner Einleitung als auch in zahllosen Anmerkungen zur Übersetzung aufgenommen. Auf Quispel gehen auch die Hinweise auf die Benutzung des Diatesserons durch Pseudo-Makarios zurück. Unter Einbeziehung der Arbeiten von Vööbus und Stewart relativiert F. eine zu starke Herausstellung der Zuschreibung an frühe syrische Überlieferungen der Schrift. Er greife "nur hier und da" auf solche Varianten zurück, nicht mehr als andere Autoren griechischer Zunge im westsyrischen Raum (Johannes Chrysostomus). Schließlich sei seine "Vorstellungswelt häufig von alexandrinischer Literatur und Theologie geprägt" (13). In die Anmerkungen hat F. verdienstvollerweise sowohl die möglichen (etwa in Anm. 94: "findet sich auch in einer armenischen Ephraem-Übersetzung", freilich wäre in diesem speziellen Fall eine etwas genauere Angabe hilfreicher als nur der Hinweis auf Baker) als auch die nur zu erwägenden Belegstellen (etwa in Anm. 93: "Hier könnte eine Parallele zum Thomasevangelium [Logion 51] vorliegen") bei anderen Autoren, die in der bisherigen Forschung erhoben wurden, eingearbeitet (561 Anmerkungen, 489-513). Damit nimmt er einen Hinweis von Gilles Quispel aus dessen Rezension zur Edition von Berthold auf. Gerade in den Anmerkungen hat F. auch aus seinen eigenen Vorarbeiten schöpfen können, etwa beim Hinweis auf die Vita Hypatii des Kallinikos in Anm. 147 und 157 oder den fortgelassenen antimessalianischen Vorwurf in Anmerkung 416 (beides aus F.s Messalianismus-Buch), bei den Anmerkungen zur Verwendung der Rede von der Perle und dem Hinweis auf die kaiserlichen Ernennungsurkunden (beides aus F.s Aufsatz zu Pseudo-Makarios). Natürlich sind F.s Vorarbeiten auch wichtig für die Feststellung der wahrscheinlichen Unechtheit der von Strothmann herausgegebenen Epistula ad filios Dei im Werkeverzeichnis (519). In der vorliegenden Form erlauben die Anmerkungen dem Leser eine erste Verortung der Texte auf dem Hintergrund der bisherigen Forschung.

Es versteht sich aus dem bereits Referierten, dass F. generell in Bezug auf Pseudo-Makarios festhält, "daß er kein Messalianer war" (mit Recht ist F. auch gegenüber einer Zuschreibung des Liber Graduum an die Messalianer skeptisch!, 12), "aber seine Schriften die Bewegung, die auf eine massive Geisterfahrung setzte, inspiriert haben" (14). Die Vermittlung sieht F. als über die Vulgarisierung des Pseudo-Makarios durch Adelphios von Edessa wesentlich mitbewirkt an. Entsprechend hält er zwar anerkennend fest, dass Hermann Dörries das Material "aus sich heraus interpretiert" habe, beurteilt aber die erarbeiteten Beziehungen der Schriften zum Messalianismus, den vermeintlichen Konflikt mit der Kirche und die Ausführungen zur Tauflehre kritisch: "alles blieb aber sehr hypothetisch" (24).

So legt F. nun selbst in der Einleitung "Grundzüge der Theologie" des Pseudo-Makarios vor, weist auf das Wirken des Geistes als das zentrale theologische Interesse des Autors hin, auf die Vermischung (Seele mit Christus ein Geist, eine Mischung werdend) und den Zusammenhang zur Erfahrungstheologie des 4. Jh.s (inkl. der Nähe zu Basilius, auch bezüglich der Einschärfung des Gebets, 24-33).

Bei der Einleitung zu diesem Abschnitt ist freilich nicht ganz einleuchtend, warum einerseits von der Rezeption und Weiterverwendung der Texte (anhand der 50 Homilien) in der byzantinischen Zeit, andererseits von ihnen "in der syrischen Theologie" gesprochen wird. Soll der Unterschied "Zeit"/"Theologie" aufnehmen, dass Makarios vorrangig in der Erbauungsliteratur Berücksichtigung fand und zum Kronzeugen "für die hesychastische Lichtlehre" wurde? Dieses Gedankengut hat über die 150 Kephalaia Eingang in die Philokalia gefunden, das nicht nur auf dem Athos noch heute grundlegende Werk der Orthodoxie zum Gebet, seiner Praxis und Theologie. Auf diesem Weg sind diese Vorstellungen bis in die Gegenwart hinein lebendig geblieben. Den wirkungsgeschichtlichen Spuren wird weiterhin nachzugehen sein.

Ein Hinweis sei in diesem sachlichen Zusammenhang noch gestattet. Ausdrücklich merkt F. auf S. 23 in Anm. 84 an, dass Dorothea Wendebourg in ihrer Untersuchung zu "Geist oder Energie" (München 1980) Pseudo-Makarios "allerdings nicht" erwähnt. Das ist später in der Arbeit von Reinhard Flogaus nachgeholt worden.

Die Vergleichstabelle (36-37) zu den 64 Logoi und den 50 Homilien zeigt, wie die Überlieferung sich weit auseinanderentwickelte. Wer die Homilien in der deutschen Übersetzung in der "Bibliothek der Kirchenväter" liest, hat hier einen konstruktiven Anhalt zum Vergleich beider Textsammlungen. Ein Werkeverzeichnis mit Titel, Ausgaben, Migne und Übersetzungen gibt zudem eine schnelle Gesamtübersicht (519 f.).

F.s Übersetzung ist also mehr als eine Übersetzung (zur Übersetzung sind unbedingt die "Lesehilfen", 38 f., zu beachten!). Sie ist auch ein Mosaikstein zur gegenwärtigen Makarios-Forschung. Hier wird man nun gespannt die Übersetzung des Großen Briefes durch Reinhart Staats erwarten, der dann sowohl hinsichtlich der Vervollständigung der Übersetzungen ins Deutsche ein nächster Schritt werden wird als auch möglicherweise im Blick auf die Makarios-Forschung Weiterführendes beitragen könnte. F.s Übersetzung in der vorliegenden Form jedenfalls leistet das. Der Preis aber des Buches wird ihm wohl nicht in hinreichendem Maß jenen Leserkreis zuführen, den sich die darin übersetzten Texte zunächst und vor allem über die Jahrhunderte in besonderer Weise erschlossen. Man kann F. nur zustimmen, wenn er schreibt, dass die Rezeption "gar nicht anders als auf dem Weg der geistlichen Aneignung erfolgen" konnte. "Ihre Lektüre", so meint F. kurz und bündig, "führte zu ihrer Meditation" (22). Mögen über die vorliegende Übersetzung viele Multiplikatoren sich finden, die so sich hineinnehmen lassen in die Welt des Pseudo-Makarios, oder besser: mit ihm sich fortnehmen lassen zu Licht und Geist und Gebet.