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Ausgabe:

April/2002

Spalte:

391–393

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Zapff, Burkard M.

Titel/Untertitel:

Jesaja III: 40-55.

Verlag:

Würzburg: Echter 2001. IV u. 219-342 S. gr.8 = Die neue Echter Bibel: Kommentar zum Alten Testament mit der Einheitsübersetzung, Lfg. 36. Kart. ¬ 17,40. ISBN 3-429-02314-9.

Rezensent:

Peter Höffken

Hatte Rudolf Kilians Kommentierung Jes 1-39 (I: 1-12: 1986; II: 13-39: 1994) gegolten, so führt nun Z. mit der Bearbeitung von Deutero-Jesaja weiter: Er hat einen den Grundsätzen der Reihe entsprechenden Kommentar geschrieben, der in seiner Knappheit gleichwohl eine Menge von Information bereitstellt. Dabei schließen diese "Grundsätze" neben der Knappheit und relativen Allgemeinverständlichkeit der Kommentierung vor allem ein, dass der Kommentar auf der mit abgedruckten Einheitsübersetzung (EÜ) zu basieren hat.

Die Einleitung (219-228) gibt einen gedrängten Einblick in die Genesis des Buchteils und damit zusammenhängende Fragen. Dabei ordnet sich Z. in eine Forschungsrichtung ein, die ausgeht von einer primär eigenständigen deuterojesajanischen Botschaft, die in verschiedenen redaktionsgeschichtlichen Schritten die jetzige Form oder Gestalt gefunden hat. Eine literarische An- oder Einbindung an das Buch Jesaja erfolgt dabei erst in einem relativ späten Stadium der Entstehung von Kap. 40-55 (vgl. dazu 226). Das Buch hat also keinen ursprünglichen Fortschreibungscharakter im Verhältnis zu Jes 1-39, sondern gewinnt einen solchen Charakter allererst in einem späteren Stadium.

Z. geht von einer "Grundschrift" aus, die in 40,12-48,21* steckt und die Situation Jakob-Israels in Babylonien während der Kyros-Expansion bedenkt. Das Gefüge dieser Grundschrift mit Gedankenfortschritten und hymnischen Teilabschlüssen (in 42, 10-13; 44,23 u. 48,20 f.) spricht für eine ursprünglich schriftliche Ausarbeitung dieser Textfolge, nicht also für eine Zusammenstellung ursprünglich selbständiger Einzelworte. Diese Grundschrift wird dann durch eine "Zionsschicht" erweitert, die 40,1- 5.9-11 und 49,14-20; 50,1-3; 51,17.19-22; 52,1 f.7-10 umfasst, was ziemlich genau J. van Oorschots 1. zionstheologischer Bearbeitung entspricht [vgl. J. van Oorschot, Von Babel zum Zion, 1993]). Für sie wird erstmalig ein- lockerer - Bezug zu Protojesaja erwogen. Dieses Werk wird bereichert durch die für die jeweiligen Kontexte geschriebenen Gottesknechtslieder 1-3 (also: 42,1-4; 49,1-6; 50,4-9 [so lies statt 3-9]), die eine Art idealprophetische Biographie beinhalten. Eine "Naherwartungsschicht" folgt, die mit dem, was H. J. Hermisson (in: The Book of Isaiah, hrsg. von J. Vermeylen, 1989, BEThL 81) und ihm (teilweise) folgend van Oorschot (a.a. O.) so genannt hatten, nur teilweise parallel geht: 46,3f. 12 f.; 47 (passim); 48,1-11; 51,1 f. 4 f.7 f.12-16; 55,1-3a.6. Weiter begegnet eine "Götzenschicht", also jene Texte, die vor allem die Herstellung von Götterbildern im Blickfeld haben und die innerhalb von 4,19f. bis 47,14c zu finden sind, wobei der Umfang einer solchen Schicht kaum strittig sein kann. Endlich finden wir einige Texte, die offenbar engere Verbindungen zum tritojesajanischen Buchteil herstellen sollen (49,21-26; 54,1-11 [lies: 1-10]) und die dann in engerer Verbindung zum 4. Gottesknechtslied in 52,13-53,12 stehen, in dem von vorneherein damit zu rechnen ist, dass der Gottesknecht mit Zion identifiziert sei, der stellvertretend für die Diaspora leidet. Der Ertrag des Leidens ist die Rückkehr der universalen Diaspora nach Zion.

Endlich erreichen wir Anschluss an die sog. "Heimkehrredaktion" (O. H. Steck, als einziger Bezugsautor in diesem Abschnitt genannt) von großjesajanischem Ausmaß (vgl. Kap. 13; 34-35 u. a. m.): hier v. a. die Zuschreibungen in 43,5 [gemeint ist 5b-6]; 49,9b-13; 51,3.6.10b.11; 52,1bß.c.11c u. 55,12 f., bei der die Heimkehr der Israeliten/Diaspora-Juden nach einem durch Jahwes Eingreifen erblühten Jerusalem als Folge eines universalen Völkergerichts verstanden wird. Bei dieser Schicht erfolgt eine (relative) Zeitansetzung: Im Hintergrund stünden die Krisen der spätpersischen bzw. frühhellenistischen Zeit. Eine weitere redaktionelle Ebene bildet das Los der Völkerwelt, was sich in 40 ff. spiegelt in 45,20aß.22-25; 54,11-17 und 55,3b-5. Auf einen eher "punktuellen Eingriff" deutet u. a. 40,6-8 und 55,8-11, die Rahmung mit der Motivik vom Wirken und Eintreffen des Wortes Gottes. - Die hier (223 f.) vollzogene Interpretation der Rahmung mit dieser "Wort-Gottes-Theologie" auf dem Hintergrund von Jer 28,9 u. Dtn 18,21 f. (Inschutznahme vor dem Verdacht der Falschprophetie) spielt übrigens bei der Einzelauslegung der Stelle keine Rolle (vgl. z.St.), was auch an anderen Stellen geschehen kann. So ist die Aufteilung des ersten Zionstextes 49,14-26 auf zwei Schichten (in 14-20 und 21-26) ohne Folgen für die Auslegung des Abschnitts, der auch anders gegliedert wird (nämlich in V. 14-19 und 20-26, vgl. 303-305).

Nach diesen Bemerkungen zum Werdegang des Buches und dann des Buchteils von Jes 1-66 ist es konsequent, wenn Z. nicht von der Botschaft des Deutero-Jesaja im Singular reden möchte, sondern darauf insistiert, dass das Buch verschiedene theologische Schwerpunkte ausbildet, die auf Grund der redaktionellen Einsichten zuvor auf S. 224-226 knapp umrissen werden. Einige sehr knappe Bemerkungen zu Bezügen zum NT schließen diese Einleitung ab (226 f.). Wichtigere Literatur wird anschließend aufgelistet (227 f.) - nicht nur die Auflistung der Kommentare hätte hier etwas präziser ausfallen können (Beispiele: Westermann scheint einen Kommentar zu Jesaja insgesamt geschrieben zu haben; bei Höffken fehlt die Reihe, dafür ist die Bandnummer notiert; bei K. Baltzer wird durch die Angabe "KAT X2" eine falsche Assoziation geweckt).

Ansonsten habe ich das Gefühl gewonnen, dass sich der Kommentar gut liest, trotz der Kürze wesentliche Informationen als Grundlage der Beschäftigung mit deuterojesajanischen Texten und Überlieferungen liefert, aber auch, dass Z., wie andere Kommentatoren vor ihm, seine Probleme mit der EÜ hatte. Das betrifft nicht nur die Übersetzung, sondern manchmal auch die Textabgrenzungen (ein besonders auffälliges Beispiel: 42,10-17 EÜ, wo Z. mit so ziemlich allen Kommentatoren für die Abtrennung 42,10-13 [Hymnus] und 14-17, als einer neuen Jahwerede, plädiert). Man wird, wie das bei Kommentaren so ist, nicht mit allem einverstanden sein können. Dafür abschließend zwei knappe Beispiele. Ich finde es eine unglückliche Idee, 51,1 f. einer "Naherwartungsschicht" zuzuweisen. Denn der Verweis auf Abraham und Sara mit den Kategorien des Segens und Mehrens bewegt sich zweifellos in einem Milieu der langen Dauer (312).

Ebenso ist mir zweifelhaft, ob es sinnvoll ist, die Träger der Jahwe-Geräte in 52,11 einer Heimkehrredaktion zuzuschreiben, die eine universal verbreitete Diaspora im Blick hat. Denn wenn man mit Z. der Auffassung ist, diese Geräte meinten jene dereinst aus dem Tempel Jerusalems nach Babel verbrachten Geräte des Jahwe-Hauses (und das liegt eigentlich am nächsten), dann hat man es zwangsläufig in 52,11 f. mit einem Babel-Bezug zu tun, d. h. mit einer Exulantengruppe von "dort" (= Babel), die als Träger dieser Geräte angesprochen wird, sei dieser Bezug nun primär im Text verankert oder erst sekundär eingetragen. Überdies spricht V. 12 eigentlich auch für einen Heimkehrerzug mit einem konkreten Vorne und Hinten (was bei dem Heimströmen der Diaspora aus allen Himmelsrichtungen schwerlich vorstellbar ist), das Jahwe schützt, was man nicht in ein "von allen Seiten" auflösen sollte (v. a. 322).

Ein Fazit kann sein: ein äußerst knapper, aber dennoch informativer Kurzkommentar, der auch dem diachronen Aspekt stark Rechnung trägt.