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Ausgabe:

März/2002

Spalte:

360 f

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Schwaiger, Georg

Titel/Untertitel:

Papsttum und Päpste im 20. Jahrhundert. Von Leo XIII. zu Johannes Paul II.

Verlag:

München: Beck 1999. 543 S. m. 9 Abb. gr.8. Lw. ¬ 29,89. ISBN 3-406-44892-5.

Rezensent:

Georg Denzler

Die von Georg Schwaiger im Jahr 1964 angekündigte Fortsetzung der fünfbändigen "Geschichte der Päpste" von Franz Xaver Seppelt mit Band 6, der die historische Epoche von der Französischen Revolution bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs umfassen sollte, ist bis heute nicht erschienen. Wohl aber veröffentlichte Sch. 1968 als dtv-Taschenbuch eine "Geschichte der Päpste im 20. Jahrhundert", von welcher der Münchener Verlag C. H. Beck im Jahr 1999 unter dem Titel "Papsttum und Päpste im 20. Jahrhundert. Von Leo XIII. zu Johannes Paul II." eine geringfügig erweiterte - im Vorwort liest man freilich nichts davon - Leinenausgabe vorgelegt hat. Den textlichen Grundbestand dieser beiden Publikationen präsentiert übrigens (bis zum Pontifikat Papst Pauls VI.) die schon 1964 im Münchener Kösel-Verlag erschienene einbändige "Geschichte der Päpste. Von den Anfängen bis zur Gegenwart" von Franz Xaver Seppelt und Georg Schwaiger - vermutlich aus diesem Grund bezeichnet der Deutsche Taschenbuch Verlag seine Ausgabe als "Lizenzausgabe des Kösel-Verlages" -, die ihrerseits auf Seppelts einbändiger "Papstgeschichte" (5. Auflage, 1949) fußt. An dieser kurzen Entstehungsgeschichte wird bereits deutlich, dass der Hauptinhalt des hier zu rezensierenden Buches von 1999 bereits im Jahr 1968 vorgelegen ist (die nach diesem Zeitpunkt folgenden Pontifikate selbstverständlich nicht gerechnet).

Es gibt zur Zeit keine umfangreichere "Geschichte der Päpste im 20. Jahrhundert", wenn man von dem Buch "Die Päpste des XX. Jahrhunderts von Leo XIII. bis Johannes-Paul II." (Moskau 1984, deutsche Bearbeitung von Hubert Mohr, Leipzig/Jena/Berlin 1984) des russischen Historikers J. R. Grigulevic absieht. Auch wenn es sich dabei um eine marxistische Darstellung handelt, verdient sie es doch allein schon wegen vieler nur hier ausgewerteter Archivquellen nicht, mit Schweigen übergangen zu werden, wie dies Sch. tut. Die von Sch. reichlich benützte "Papstgeschichte der neuesten Zeit" (4 Bände) von Josef Schmidlin endet bekanntlich schon mit dem Pontifikat Pius' IX. (1922-1939).

In der Einleitung gibt der Vf. einen knappen Überblick über "das Papsttum in der Geschichte" (11-23), der sich nur wenig unterscheidet von der Version des Taschenbuchs, deren Text übrigens erstmals schon 1967 im Klerusblatt erschienen war. Etwas ausführlicher dargestellt wird im I. Kapitel "Die katholische Kirche in den politischen und geistigen Strömungen des 19. Jahrhunderts" (24-44), im Mittelpunkt der Pontifikat Pius' IX. und das I. Vatikanische Konzil (wiederum mit zahlreichen textlichen Übernahmen aus der Taschenbuch-Ausgabe und aus Schwaigers Artikel "Papsttum" in der Theologischen Realenzyklopädie, Bd. XXV [1995] 668-669). Wenn der Vf. der Meinung ist, das II. Vatikanische Konzil habe "durch schärfere Erfassung des Bischofsamtes das arg verschobene Gleichgewicht" (zum Papstamt) wiederhergestellt, übersieht er, dass dieses Konzil an der absolutistischen Stellung des Papsttums kein Jota geändert hat (vgl. die Nota explicativa praevia zu der dogmatischen Konstitution Lumen gentium). Dass die berüchtigte Enzyklika "Quanta cura" (1864) und der dazugehörende "Syllabus errorum" mit einem einzigen Satz abgefertigt werden, muss verwundern. (In der Taschenbuch-Ausgabe hatte man dafür immerhin noch eine ganze Seite Platz).

Unter den in unterschiedlicher Länge porträtierten neun Päpsten (Leo XIII., Pius X., Benedikt XV., Pius XI., Pius XII., Johannes XXIII., Paul VI., Johannes Paul I. und Johannes Paul II.) ragt keiner besonders hervor. (Die Biographien der Päpste Benedikt XV., Pius XII. und Paul VI. sind schon in dem von Martin Greschat herausgegebenen Sammelband "Das Papsttum" (Verlag Kohlhammer, Stuttgart 1985, Bd. II, veröffentlicht.) Man gewinnt den Eindruck, als seien alle Päpste in der Erfüllung der Pflichten ihres hohen Amtes aufgegangen.

Die apologetische Einstellung des Vf.s zeigt sich am deutlichsten bei Pius X., der doch inmitten der Wirren des Modernismus eine unglückliche Rolle gespielt hat, und ebenso bei Pius XII., der aus diplomatischen Rücksichten gegenüber Faschismus und Nationalsozialismus - Neutralität hieß das Zauberwort - einen klaren Oppositionskurs verhindert hat. Folglich entstand ein realitätsfernes Bild der katholischen Kirche während der NS-Zeit.

Der Vf. bedient sich einer nüchternen Darstellungsweise, wobei ohne Zweifel ein großer Reichtum an Fakten und Ereignissen sowie an Quellenzitaten ausgebreitet wird. Negativ klingenden Urteilen wie "beschränkter Prälat" oder "ultramontane Denunziationspolitik" begegnet man nur ausnahmsweise. Bedauerlich ist vor allem, dass die Würdigung der einzelnen Päpste einem Stand der Forschung verpflichtet ist, den schon die "Geschichte der Päpste" von Seppelt/Schwaiger von 1964 widerspiegelt. Dies gilt insbesondere für den Pontifikat Johannes' XXIII. und für das II. Vatikanische Konzil (vgl. dazu neuestens die Werke von O. H. Pesch und G. Alberigo).

Der Anmerkungsapparat (418-530) und die darin enthaltenen Bibliographien sind angesichts der mehr essayhaften Darstellung reichlich überladen.

Sch. ist sich bewusst, "die ursprünglichen Erwartungen des Verlags beträchtlich überschritten" zu haben. Manche Anmerkungen gleichen ausführlichen Lexikonartikeln und wären besser in den laufenden Text eingearbeitet worden. Nicht immer finden wir in den Anmerkungen belegt, was im Text behauptet wird. Sämtliche drei Belegstellen für die Behauptung, Johannes XXIII. sei "nach eigenem Zeugnis von den trüben Machenschaften" des Antimodernismus betroffen gewesen, stimmen nicht. Ein alphabetisch geordnetes Verzeichnis der am meisten benutzten Quellen- und Literaturwerke vermisst man schmerzlich.

Wenn der Verlag das Manuskript auf frühere Publikationen des Autors in Lexika, Zeitschriften oder Büchern überprüft hätte, wäre schnell deutlich geworden, dass das nun als Buch vorliegende Manuskript nur wenig Neues bietet. Mir ist kein Autor bekannt, der seine Erzeugnisse so oft "verkauft" hätte, ohne dies auch immer genau kenntlich zu machen.

Ein Werk der neuesten Papstgeschichte, das nicht aus älteren Texten zusammengestellt, sondern den aktuellen Stand der Wissenschaft widerspiegelt und wirklich neu geschrieben ist, bleibt also ein Desiderat.