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Ausgabe:

März/2002

Spalte:

349 f

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Máté-Tóth, András, u. Pavel Mikluscak

Titel/Untertitel:

Nicht wie Milch und Honig. Unterwegs zu einer Pastoraltheologie Ost(Mittel)-Europas. Hrsg. von P. M. Zulehner, M. Tomka u. N. Tos in Zusammenarb. m. dem Pastoralen Forum Wien.

Verlag:

Ostfildern: Schwabenverlag 2000. 219 S. m. Abb. gr.8 = Gott nach dem Kommunismus. Kart. ¬ 25,00. ISBN 3-7966-0988-0.

Rezensent:

Eberhard Winkler

Pastoraltheologie ist in diesem Buch, das aus einem "Netzwerk Ost(mittel)europäischer PastoraltheologInnen" heraus entstand, Synonym für Praktische Theologie, doch liegt hier eher ein Entwurf der Kybernetik als der ganzen PT vor. Paul M. Zulehner ist maßgeblich daran beteiligt und erläutert einleitend das interdisziplinäre Forschungsprojekt Aufbruch, das mit Methoden der religionssoziologischen Feldforschung und der qualitativen "oral-history"-Methode in zehn postkommunistischen Ländern die Positionen der katholischen Kirche in der kommunistischen Zeit und in der Phase danach untersucht. In Ungarn fanden drei Symposien statt, auf denen die Befunde mit dem Ziel des Entwurfs einer ost(mittel)europäischen Pastoraltheologie reflektiert wurden. Diesem Entwurf gaben die aus Ungarn und der Slowakei stammenden Verfasser die vorliegende Form. Zulehner ist sich sicher, dass er "auch der ,westlichen', zumal der deutschsprachigen Pastoraltheologie einen starken Impuls geben wird. Vor allem die beiden ersten atheistischen Kulturen in Ostdeutschland und Tschechien können als Lernorte für die Zukunft des Christentums in vielen europäischen Ländern angesehen werden" (15).

Im 1. Kap. erfolgt ein kritischer Überblick über die differenzierte Positionierung der Kirche in der jeweiligen Situation. Als Kriterium zieht sich durch die Darstellung die Frage, wie unter den Bedingungen der Diktatur und der neu gewonnenen Freiheit die Erneuerungsimpulse des 2. Vatikanums wirksam wurden. Die Verfasser sehen das Problem, dass nach 1990 der Pluralismus den Kommunismus als Feindbild ablöste, und sie treten dafür ein, den konziliaren Geist der Offenheit zur Geltung zu bringen.

Das 2. Kap. orientiert sich deshalb an der Pastoralkonstitution "Gaudium et spes". Die Situationsanalyse ergibt eine starke Kommunismusnostalgie: "Der über Jahrzehnte lang eingeübte sogenannte ,homo sovjeticus' blieb erhalten" (53). Die neue Armut fordert diakonisches Handeln, auch im Sinne der Mitwirkung an gerechter Sozialpolitik. Durch die Verfolgung entstand eine Gettoisierung der Kirche, die im Dialog mit der Welt und im diakonischen Engagement zu überwinden ist. Angesichts der empirisch erhobenen Diskrepanz zwischen religiöser und autonomer Sinngebung soll die Verkündigung als befreiend und sinnstiftend empfunden werden und dazu beitragen, die nationalen Konflikte zu lösen.

Das 3. Kap. ("Zur Innenarchitektur der Kirche") enthält auf dem Hintergrund von "Lumen Gentium" Informationen und Überlegungen zum Erscheinungsbild der Kirche und ihren Innenbeziehungen, zur Sozialform der Kirche, den ökumenischen Beziehungen, zur Sakraments- und Kasualpraxis, zur religiösen Unterweisung und weiteren pastoralen Themen. Die Leitmotive Dialog und Communio werden dem Befund entgegengesetzt, dass die konziliare Volk-Gottes-Ekklesiologie sich in den meisten kommunistischen Ländern nicht entfalten konnte. Besonders bemerkenswert ist, dass für die Kirchenleitung das Subsidiaritätsprinzip empfohlen wird (110). Ein unter Kirchengliedern verbreiteter Klerikalismus und die "Ein-Mann-Pastoral" sollen auf der Basis der allen gemeinsamen Taufwürde korrigiert werden. Die Gemeinde wird als Vernetzung von Gruppen verstanden, in denen Individualität und Gemeinschaft verbunden werden.

"Die ersten Jahre nach der Wende sind aus der religiösen Sicht durch den Erfolg von Esoretik und New-Age-Religiosität charakterisiert" (142), was nicht für Deutschland-Ost gilt, wo die quantitative Forschung am meisten religiöses Desinteresse konstatiert, gefolgt von Tschechien, Ungarn und Slovenien. Ähnlich wie in Westeuropa ist die Palette der Kirchenzugehörigkeit breit, Nähe und Distanz sehr unterschiedlich. Deutlich wirkt der kommunistische Atheismus nach, viele hatten nie eine Beziehung zu einer Kirche.

In einem kurzen letzten Kap. werden "Akzente der postkommunistischen Pastoraltheologie" umrissen. Der Skopus besteht darin, die unter dem kommunistischen Regime verhinderte konziliare Öffnung, das missionarische aggiornamento, zu vollziehen. Dazu gehört in der Pastoraltheologie die Zusammenarbeit mit Psychologie und Soziologie. Der Anhang enthält ein Literaturverzeichnis sowie Kurzbiographien der am Projekt beteiligten Autoren und Autorinnen samt deren Bibliographien. Das Buch ist ganz vom Geist des 2. Vatikanums geprägt, auch von dessen ökumenischen Impulsen, aber von den evangelischen und orthodoxen Kirchen und pastoraltheologischen Konzepten ist nicht die Rede.