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Ausgabe:

März/2002

Spalte:

333 f

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Autor/Hrsg.:

Frick, Andreas

Titel/Untertitel:

Der dreieine Gott und das Handeln in der Welt. Christlicher Glaube und ethische Öffentlichkeit im Denken Klaus Hemmerles.

Verlag:

Würzburg: Echter 1998. XIII, 483 S. 8 = Studien zur systematischen und spirituellen Theologie. 24. Kart. ¬ 29,80. ISBN 3-429-02015-8.

Rezensent:

Hans-Joachim Höhn

Klaus Hemmerle (1929-1994) hat als Religionsphilosoph, Fundamentaltheologe und Bischof über mehrere Jahrzehnte an Schnittstellen von Kirche, Gesellschaft, Wissenschaft und Politik engagiert "Öffentlichkeitsarbeit" für das Evangelium geleistet. Die vorliegende Dissertation erschließt in einem werkgeschichtlich-biographischen Durchgang die Wurzeln und eigenständige Entwicklung von Hemmerles philosophisch-theologischem Denken sowie seine Beiträge zu politisch-ethischen und wirtschaftsethischen Fragen. An den Anfang stellt F. "Skizzen zu einer intellektuellen Biographie Klaus Hemmerles" (15-115), die nicht nur die Stationen seiner akademischen Studien (über Bonaventura, F. v. Baader und F. J. W. Schelling), sondern auch spirituell prägende Begegnungen (z. B. mit Ch. Lubich) in Erinnerung rufen. Der zweite Hauptteil stellt das "Herzstück" von Hemmerles Werk vor (117-187).

Ausgehend von den programmatischen "Thesen zu einer trinitarischen Ontologie" erläutert F. eingehend, wie H.s Phänomenologie des Daseins, die eine "Hermeneutik des Gebens und des im Sich-Geben Gestalt gewinnens" darstellt, schöpfungstheologisch bzw. anthropologisch ausgefaltet wird und ihren Niederschlag in einer "communio"-Ekklesiologie findet. Im Anschluss daran wird H.s Verständnis und Sicht der pluralistischen Gesellschaft sowie der Chancen und Grenzen eines christlichen Zeugnisses in diesem Kontext nachgezeichnet (188-263). Mit einer Ortsbestimmung von H.s Verständnis von Wirtschaft und Wirtschaftsethik (264-322) schließt F. seine referierend-rekonstruierende Beschäftigung mit dem publizistisch sehr reichen Werk Hemmerles ab, die sehr quellennah angelegt ist und durch prägnant ausgewählte Zitate eine gute Einführung in den ebenso subtilen wie originellen Denk- und Sprachstil H.s bietet. Erst im Schlusskapitel (322-431) geht F. zu einer kritischen Evaluation der untersuchten Schriften über, deren Stärke zweifellos im Bereich der theologisch-ethischen Grundlagenreflexion und weniger in der Operationalisierung dieser Einsichten über ökonomisch-politische Anwendungsdiskurse liegt. Deutlich macht F. auch auf die konzeptionellen Defizite in sozialethischer Hinsicht aufmerksam, die durch den Ausfall institutionen- und strukturethischer Reflexionen bedingt sind. Zwar versucht F. diese Defizite durch eine Fortführung und Fortschreibung von H.s Ansatz in rechtsethische und wirtschaftsethische Zusammenhänge (u. a. zum Thema "Sozialvermögen") zu überwinden. Aber auch hier bleibt es bei weitgehend theorie- bzw. theologieimmanenten Versuchen, das Theorie-Praxis-Problem handlungsorientiert anzugehen. Wenngleich F.s Studien somit nicht unmittelbar anschlussfähig sind an das sozialethische und sozialpolitische Tagesgeschäft, so können sie doch für das Projekt einer theologisch-ethischen Zeitgenossenschaft äußerst anregend sein. Wenn es nämlich auch in der Tagespolitik immer wieder darum geht, das Nicht-Politische der Politik und das Nicht-Ökonomische der Ökonomie, das gleichwohl politisch und ökonomisch belangvoll ist, zur Geltung zu bringen, dann eröffnet vor allem die von Hemmerle entwickelte und von F. aufgegriffene Daseins- und Glaubenshermeneutik hierfür zahlreiche Anregungen.

F.s Buch verbirgt nicht die Sympathie, die er gegenüber K. Hemmerle empfindet, dessen spirituelles Charisma seine Zeitgenossen ebenso beeindruckte wie seine intellektuelle Brillanz. Gleichwohl fehlen seiner Dissertation alle "hagiographischen" Untertöne. Und eben dies macht F.s Buch auch für diskursorientierte Leser sympathisch.