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Ausgabe:

März/2002

Spalte:

288 f

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Kirk, Alan

Titel/Untertitel:

The Composition of the Sayings Source. Genre, Synchrony, and Wisdom Redaction in Q.

Verlag:

Leiden-Boston-Köln: Brill 1998. XIII, 443 S. gr.8 = Supplements to Novum Testamentum, 91. Geb. ¬ 144,00. ISBN 90-04-11085-2.

Rezensent:

Claus-Peter März

Die vorliegende Studie sucht einen neuen Zugang zur Redequelle mittels konsequent gattungs- bzw. kompositionskritischer Analyse des Q-Stoffes. Dabei ist es das erklärte Anliegen des Vf.s, den einflussreichen analytischen Kanon der "klassischen" Formgeschichte, Q müsse dem Bereich der nichtliterarischen "Kleinliteratur" zugeordnet werden, zu überwinden. Er verfolgt dieses Ziel auf vier Ebenen: Ein erster Teil - "Compositional Analysis of Q: History and Theology" (1-86) - setzt mit einem Forschungsüberblick und Reflexionen zum methodischen Ansatz der Kompositionsanalyse von Q ein. Der zweite Teil - "Instructional Speech Composition in Ancient Wisdom Literature" (87-151) - geht dem Genre der "Instruktionsrede" im ägyptischen, alttestamentlich-weisheitlichen, griechisch-römischen und jüdisch-hellenistischen Raum nach. Der dritte Teil- "Instructional Speech Genre in Q" (152-272) - macht das Genre der Instruktionsrede auch in der Q-Tradition fest. Das vierte Kapitel - "Macro-composition in Wisdom Literature and in Q" (273-403) - sucht übergreifende Kompositionsmuster zunächst in der Weisheitsliteratur und dann entsprechend auch in Q herauszuarbeiten.

Die kritische Sichtung der bisherigen Q-Forschung verweist auf methodische Probleme bisheriger Erklärungsmodelle der Q-Tradition. Der Vf. zeigt vor allem auf, in welch hohem Maße die von einzelnen Autoren veranschlagten historischen Einordnungen der Quelle die Interpretation der Texte hintergründig reguliert haben. Er sieht deshalb in der Gattungskritik einen methodisch angemesseneren Weg, weil diese auf der Ebene des Textes und nicht bei der - immer hypothetischen - Rekonstruktion der historischen Rahmenbedingungen ansetzt.

Dies bedeutet für ihn deshalb zunächst einmal die Zurückstellung von Geschichtskonstruktionen und jeder Form diachroner Betrachtung zu Gunsten einer synchron orientierten Analyse, die nach Kompositionsformen und durch die Textanordnung geschaffenen Kohärenzen sucht. Es bedeutet darüber hinaus ein Verständnis der Q-Redaktion(en), das diese als bewusste Aktualisierung bzw. "(re)-performance" der Tradition versteht und nicht aus einer absichtslos wirkenden und vornehmlich auf Einzelsprüche ausgerichteten Überlieferung ableitet. Da Q in den letzten Jahren immer deutlicher mit weisheitlichem Denken in Verbindung gebracht wurde, legt sich für den Vf. eine Prüfung der die Redequelle bestimmenden Kompositionsformen auf dem Hintergrund weisheitlicher Gattungen, insbesondere des weisheitlichen Genres der "Instruktionsrede" nahe. Die Studie verdeutlicht die die einzelnen Kulturräume überschreitende Prägung dieser Gattung und arbeitet vier strukturbildende Elemente heraus: 1. die eröffnende "programmatic admonition", 2. den mehr oder weniger ausführlichen "course of argumentation", 3. die entweder auf die einleitende Ermahnung bezogene oder diese ersetzende "programmatic maxim", 4. den impliziten oder expliziten "threat of divine sanction" (149 f.). Auf der Basis dieser generellen Erhebungen sucht der Vf. nachzuweisen, "that Q's saying clusters are exemplars of the instructional speech genre" (152). Belege sind ihm folgende Texte: Q 6,27-35; 6,37-42; 6,43-45; 11,2-13; 11,14-23; 11,29-35; 12,2-12; 12,22-31.33 f.; 12,35-46; 12,49.53-59; 13,24-30; 14,11; 14,16-24.26-27; 17,33; 14,34-35. Die untersuchten Texteinheiten orientieren sich in der Tat, wenn auch auf jeweils spezifische Weise, am generellen Strukturmuster der weisheitlichen Instruktionsrede und könnten somit durchaus in eine Reihe mit anderen hellenistisch-jüdischen Mahnungen gestellt werden (269).

Damit aber wäre das Interpretationsmodell, das Q als "Kleinliteratur" ohne literarische Ambitionen einstuft, in der Tat überwunden. Dies wird noch deutlicher bei der die Studie abschließenden Frage nach den "Techniken" von Makrokompositionen in der Weisheitsliteratur und in Q. Der Vf. macht vier die Quelle konstituierende Makrokompositionen deutlich, die seiner Meinung nach von weisheitlichen Strukturmustern geprägt sind: 1. Q 12,2-22,30 ("eschatological discourse"); 2. Q 10,23-24; 11,2-13.14-23.24-26.29-35; 13,34-35 ("controversy discourse"); 3. Q 9,57-60; 10,2-16.21-22 ("mission instruction"); 4. Q 3,7-9.16-17.21-22; 4,1-13; 6,20b-49; 7,1-10.18-35 ("inaugural discourse"). Dies bedeutet in seiner Konsequenz: "Q is made up of four discourses, each of which, while making transitional, associative connections with neighboring discourses, displays an internally cohesive macro arrangement of its constituent parts" (397). Dabei geht der Vf. davon aus, dass zwischen den kleineren Redeeinheiten und den Makrokompositionen nicht zwangsläufig ein traditionsgeschichtliches Gefälle bestehen müsse, sondern die unterschiedlichen Kompositionsformen durchaus im Horizont eines übergreifenden Redaktionskonzeptes verständlich gemacht werden können: "... it is likely that the same hand(s) as produced the small speeches arranged the large compositions" (399).

Der Vf. hat m. E. eine bemerkenswerte Studie vorgelegt. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass sie aus methodischen Gründen zunächst einmal alle Theorien über historische Hintergründe, traditionsgeschichtliche Schichtungen, theologiegeschichtliche Einordnungen und zeitgeschichtliche Hypothesen zu Q beiseite lässt, sich auf ein weithin kontrollierbares Arbeitsfeld - die Gattungsbestimmung - konzentriert und dort durchaus auch vermittelbare Ergebnisse vorlegen kann. Der Ansatz bei weisheitlichen Gattungen legt sich beim derzeitigen Stand der Forschung nahe. Freilich sind gerade auf diesem Feld noch viele Fragen offen, und gerade die Problematik weisheitlicher Instruktionen bedarf weiterer intensiver Bearbeitung. Das schlägt sich auch in der vorliegenden Studie nieder und wirft gerade bei der Erhebung von Makrostrukturen durchaus auch Fragen auf. Wird man dem Vf. bei den Ausführungen zu den Instruktionsreden weithin folgen können, so ist bei den Makrokompositionen doch zu fragen ob das Untersuchungsfeld noch in der gleichen Weise kontrollierbar ist und die genannten Strukturelemente bzw. Kohärenzlinien bisweilen nicht doch auf mehr formalen und zufälligen Anklängen aufbauen.

Diese Anfragen schmälern aber nicht die Bedeutung des vom Vf. vorgelegten Entwurfs. Der Vf. stellt nicht nur zu Recht fest: "Comparative wisdom-genre analysis is a promising avenue for research in Q" (403) - er hat die Bedeutung dieser Auskunft durch seine Studie auch eindruckvoll unter Beweis gestellt.