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Ausgabe:

März/2002

Spalte:

283

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Fitzmyer, Joseph A.

Titel/Untertitel:

The Letter to Philemon. A New Translation with Introduction and Commentary.

Verlag:

New York-London-Toronto-Sydney-Auckland: Doubleday 2000. XVI, 138 S. gr.8 = The Anchor Bible, 34 C. Lw. $ 21,95. ISBN 0-385-496-29-X.

Rezensent:

Eduard Lohse

In der Reihe der biblischen Kommentare der Anchor Bible hat Joseph Fitzmyer seinen Erklärungen des lukanischen Doppelwerks sowie des Römerbriefs einen neuen Band hinzugefügt, den er mit der von ihm stets bewährten Sorgfalt gestaltet hat. Unter den paulinischen Briefen kommt der kleine Philemonbrief einem antiken Privatbrief am nächsten. Er verzichtet darauf, grundlegende theologische Überlegungen anzustellen, und ist doch nur im Zusammenhang der paulinischen Theologie recht zu verstehen: als Zeugnis von der Bruderliebe, auf die es im konkreten Fall des Sklaven Onesimus dem Apostel ankommt.

Die Fragenkreise der Abfassung, inhaltlichen Gestaltung sowie der Situation der Sklaven in der Spätantike werden eingehend erörtert und mit vorzüglichen bibliographischen Angaben versehen. Hinsichtlich der Entstehung des Briefes bevorzugt der Vf. mit überzeugenden Gründen die Annahme, der Brief werde in Ephesus etwa in den Jahren 55 bis 57 n. Chr. entstanden sein. Bei Paulus befindet sich der Sklave Onesimus, der einem christlichen Herrn - Philemon - gehört, aber beim Apostel Zuflucht gesucht hat, um seine Hilfe zu erbitten.

Diese Situation, in der das kleine Schreiben entstanden ist, wird auf dem Hintergrund vergleichbarer spätantiker Texte genauer erörtert und erhellt. Hatte der Vf. früher mit vielen Exegeten angenommen, Onesimus sei entlaufen und suche nun die Unterstützung des Paulus, um wieder seinem Herrn unter die Augen treten zu können, so entfaltet er nun eine veränderte Sicht: Onesimus sei nicht geflohen, sondern suche die Intervention des Apostels, um interne Schwierigkeiten im Haus seines Herrn zu beheben. Dann hätte er sich entsprechend spätantiker Übung verhalten, nach der man sich an einen "amicus domini" (= einen Freund des Herrn) wenden konnte, um mit seiner Hilfe häusliche Probleme lösen zu können. Diese Erklärung, wie sie in neuerer Zeit vor allem von Lampe, Rapske u. a. entwickelt worden ist, wird von F. weiter ausgeführt und mit beachtlichen Argumenten aus zeitgenössischen Texten gestützt (18 u. ö.). Sie ist in der Tat des Bedenkens wert, gewinnt doch mit ihrer Hilfe der pastorale Charakter des kurzen Apostelbriefes neue und genauere Beleuchtung.

Ebenso wie die stattlichen Bände, die der Vf. in der bewährten Kommentarreihe bereits vorgelegt hat, gibt auch dieser kleinere Band Zeugnis von seiner meisterhaften exegetischen Kunst und zeichnet sich durch reichhaltige Information und stets umsichtig begründetes Urteil aus.