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Ausgabe:

März/2002

Spalte:

281–283

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Klaus, Nathan

Titel/Untertitel:

Pivot Patterns in the Former Prophets.

Verlag:

Sheffield: Sheffield Academic Press 1999. 310 S. gr.8 = Journal for the Study of the Old Testament, Suppl. Series 247. Lw. £ 35,00. ISBN 1-85075-912-X.

Rezensent:

Joachim Conrad

In der vorliegenden Arbeit, einer 1994 an der Hebräischen Universität in Jerusalem eingereichten und für den Druck in das Englische übersetzten, im Übrigen aber nur geringfügig veränderten Dissertation, hat sich der Vf. die Aufgabe gestellt, Form und Bedeutung konzentrisch strukturierter chiastischer Stilfiguren mit der Gliedfolge A - B - ... X ... - B' - A', bei denen das mittlere Glied den Angelpunkt (pivot) bildet, innerhalb von Prosatexten des Alten Testaments genauer zu untersuchen, wobei er sich auf die Bücher Josua bis 2Könige konzentriert. In der Einleitung (13-38) geht er von der in der Forschung verschiedentlich vertretenen Auffassung aus, dass ganze Erzählungen und noch umfänglichere Textpartien nach diesem Muster strukturiert sind, es sich hierbei also um ein ganz wesentliches Mittel der Gestaltung und Komposition alttestamentlicher Texte handelt. Demgegenüber betont er, dass bei den da angenommenen Chiasmen oft keine exakten Entsprechungen auf der Wortebene vorliegen und Textteile, die nicht in das Muster passen, übergangen werden und dass es in solchen Fällen nicht gerechtfertigt ist, diese Stilfigur als Gestaltungsprinzip der Texte zu betrachten. So legt er strengere Maßstäbe an und stößt dabei auf eine sehr begrenzte Zahl von überwiegend kurzen Textstücken, die keine selbständigen Einheiten bilden, jedoch bestimmte Schwerpunkte in der jeweiligen Erzählung markieren.

Es handelt sich insgesamt um 21 Textstücke aus den oben genannten Büchern, zu denen er beispielhaft vier weitere aus anderen Bereichen des Alten Testaments hinzuzieht und die er nach Funktion und Kontext in folgender Weise gliedert:

Decree and Implementation (39-96) 1Kön 2,31-34; 1Kön 13,8 f.16 f. 22; 1Kön 17,2-7; 2Kön 5,8-15; Richt 7,17; 1Sam 3,17; 1Sam 8,7-9; 1Kön 1,24-35. - Action and Outcome (97-142) Richt 9,56 f.; 1Sam 17,51-54; 1Sam 31,9 f.; 2Sam 12,16-20; Richt 18,16 f.; 1Sam 23,14 f.; 2Sam 3,36; 1Kön 4,20-5,5; 2Kön 15,18-21. - The Language of Reprimand (143-176) 2Sam 3,24 f.; 2Sam 6,20-22; 2Sam 18,10.11a. - Patterns of Request, Prayer and Proposal (177-217) 2Sam 13,32 f.; 2Kön 5,18; 2Kön 19,15-19; 2Sam 17,7-14; 1Kön 1,2. - Pivotal Patterns in Other Genres (218-243) Lev 24,13-23; Amos 5,4-6; Ps 12,4 f.; 1Chron 5,1-3.

Alle Textstücke analysiert er sehr sorgfältig und setzt sich dabei auch eingehend mit textkritischen Problemen auseinander, weniger dagegen mit redaktionsgeschichtlichen Fragen, da es für ihn von sekundärem Interesse ist, ob die Gestaltung eines 'pivot pattern' auf den ursprünglichen Verfasser der Erzählung oder auf redaktionelle Arbeit zurückgeht. Das 'pattern' selbst betrachtet er als eine Grundstruktur, die im Einzelnen vielerlei Variationen erlaubt und die auch nicht in sich geschlossen sein muss, sondern beispielsweise mit ihrem letzten Glied zu einer neuen Szene innerhalb der Erzählung überleiten kann. In einem zusammenfassenden Kapitel (244-278) führt er die verschiedenen Variationsmöglichkeiten in extenso auf. Entscheidendes Merkmal ist die 'Angel', d. h. "an isolated point, whose function it is to focus the reader's attention" (26), also ein stilistisches Signal, das dem Leser den Zugang zu der spezifischen Intention des jeweiligen 'pattern' und der Erzählung, in die es eingebettet ist, eröffnet. Das muss nicht bedeuten, dass hier die gewichtigste Aussage des Textes überhaupt gemacht wird, zumal es sich vielfach um einen Folgesatz handelt, der ohne das vorangehende Glied gar nicht verständlich ist. Der Einleitung zufolge ist es jedoch unzulässig, nur einen Satzteil, etwa ein Objekt, als 'Angel' zu betrachten (36 f.). Am Schluss des Buches folgen noch eine ausführliche Bibliographie (279-295) sowie ein Stellen- und ein Autorenregister (296-310).

Der Vf. hat sehr gründlich gearbeitet und damit einen wichtigen Beitrag zur Bestimmung und zum Verständnis der behandelten Stilfigur geleistet, der bei künftigen Untersuchungen zur Stilistik alttestamentlicher Texte zu beachten ist. Zu fragen ist allerdings, ob alle von ihm analysierten Texte wirklich als 'pivot pattern' angesehen werden können. Dafür seien nur drei Beispiele angeführt.

Der zitierten Definition der 'Angel' ist doch zu entnehmen, dass es sich um eine markante Aussage handelt, die dem Hörer oder Leser die besondere Intention der jeweiligen Struktur erschließt. Einer solchen Funktion wird die rein formale Einführung der direkten Rede Gottes innerhalb von 1Kön 13,8 f. 16 f. (V. 9aa.17aa), die der Vf. als 'Angel' versteht (50 ff.), schwerlich gerecht. Nimmt man die vom Vf. ausgeklammerte Einführung der direkten Rede des Gottesmannes in V. 8a und am Anfang von V. 16 hinzu, dann ergibt sich vielmehr eine klare Zweiteilung, bei der die Verweigerung von Brot und Wasser in gleicher Folge, also ohne Inversion, wiederholt wird. Ein 'pivot pattern' liegt hier nicht vor. Ähnliches gilt für 1Sam 8,7-9, wo der Vf. den an V. 8aa anschließenden Satz V. 8ab als 'Angel' betrachtet (79 ff.). Hier zeigt schon der Einsatz mit ht[w in V. 9, dass in Wirklichkeit wiederum eine Zweiteilung, und zwar im Sinne von Begründung (V. 7 f.) und Schlussfolgerung (V. 9), vorliegt, wobei beide Teile durch gleiche Wortwahl am Anfang und am Ende von V. 7 und von V. 9 zusammengeschlossen werden. Eine Isolation von V. 8ab als Zentrum ist dem Text nicht adäquat. Eine andere Frage stellt sich bei 2Kön 5,8-15, wobei der Vf. das 'pivot pattern' genauer auf die Verse 8ab-15a eingrenzt (64 ff.). Er sieht hier in V. 11b.12a die 'Angel', die ihrerseits durch die Verse 11a und 12b (D - D'), 10 und 13 f. (C - C'), 9 und 15aa (B - B') sowie 8abb und 15abg (A - A') umschlossen ist. Bei dieser Einteilung entsteht jedoch ein Ungleichgewicht, da das Glied C' sehr lang ist und die darin enthaltene Rede der Sklaven, auf die der Vf. nicht näher eingeht, auch keine Entsprechung in Glied C findet. Nun ist aber doch die Rede der Sklaven die Antwort auf die Rede Naamans in V. 11b.12a und bildet zusammen mit dieser den Schwerpunkt des Textstücks. So besehen handelt es sich auch hier nicht um eine konzentrische, sondern um eine lineare Struktur, bei der durch variierende Wiederholungen eine Steigerung erzielt wird. Dem entspricht auch V. 15, der mit dem Bekenntnis Naamans einen Höhepunkt bildet, der aber, wie der Vf. selbst betont, eine neue Szene eröffnet und damit die lineare Struktur des Textes fortführt.

Diese Beispiele zeigen, dass die Ergebnisse des Vf.s doch noch einer Überprüfung bedürfen und dass dabei insbesondere die Funktion und Intention der 'Angel' noch genauer untersucht werden muss. Gleichwohl sei betont, dass der Vf. mit der vorliegenden Untersuchung eine verdienstvolle Arbeit geleistet hat und damit eine Grundlage für die weitere Forschung gegeben ist.