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Ausgabe:

März/2002

Spalte:

280 f

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Griffin, William Paul

Titel/Untertitel:

The God of the Prophets. An Analysis of Divine Action.

Verlag:

Sheffield: Sheffield Academic Press 1997. 328 S. gr.8 = Journal for the Study of the Old Testament, Suppl. Series 249. Lw. £ 37,50. ISBN 1-85075-677-5.

Rezensent:

Klaus Koch

Was Gott als acting agent wie als recipient of actions bei den Propheten charakterisiert, versucht Griffin anhand von fünf etwa gleich langen Abschnitten aus verschiedenen Büchern zu ermitteln (Jes 1,1-4,2; Hos 4-8; Nah; Mal; Sach 12-14). Nicht nach Beschreibungen des göttlichen Wesens, sondern seiner Handlungsweisen wird gesucht. Als Methode wählt der Vf. eine content analysis, wie sie schon während des 2. Weltkriegs zur Analyse der deutschen Kriegspropaganda benutzt worden sei und von K. Krippendorff (Content Analysis. Beverly Hills 1980) weiter entwickelt worden ist. Sie entnimmt einem Text Schlüsselsymbole, d. h. listet die Aktanden (in diesem Fall Gott, Israel, Fremde usw.) auf und die ihnen zugeschriebenen physischen und mentalen Verhaltensweisen, um daraus auf Zweck und Wirkung des Textes zu schließen.

Die in den Texten angeführten Handlungen ordnet G. stufenweise von wohltätig (beneficient) bis zu schädlich (harmful) ein und verbindet sie mit den handelnden Subjekten so, dass eine evaluation zwischen +3 und -3 vorgenommen werden kann. Das geschieht mittels eines ausgeklügelten Systems von Kategorien und Metakategorien so, dass der Befund aus den fünf Selected Prophetic Passages (SPP) jeweils addiert und auf Prozentanteile verrechnet wird. Irgendwelche exegetischen Probleme für die Zuordnung ergeben sich für den Vf. an keiner einzigen Stelle. Berücksichtigt werden nur Aktionen, die für die personality eines Aktanden bezeichnend sind (67 f.). So ergibt sich beispielsweise, dass in den SPP Gott insgesamt 93 zerstörende Handlungen zugeschrieben werden und 86 den Menschen. Das Bild einer scheinbaren Gleichförmigkeit auf beiden Ebenen ändert sich aber, sobald das gesamte Verhalten der Subjekte berücksichtigt wird; dann sind von göttlichen Aktionen 25 %, von menschlichen nur 12 %, also weniger als die Hälfte, zerstörend (70)! - Von den SPP erfährt einzig Joel eine gesonderte, aber auch eingehende Untersuchung (140-222). In diesem Buch werden Gott weniger ethische als vielmehr emotionale Verhaltensweisen beigelegt; er ist auch weniger als in andern Texten der Ursprung schlechter Botschaften als vielmehr Bote des Gedeihens.

Concluding Discussion (223-249) fasst die Ergebnisse zusammen. Der Gott der Propheten ist "an emotional and calculating being rather than a dispassionate and non-rational force" (227), zeigt sich weit mehr destructive als die Menschen (230), und dies gegenüber Fremden stärker als gegen Israel (237).

Das Buch bezeugt eine amerikanische Begeisterung für Statistiken und eine Zuversicht, die Hauptsymbole althebräischer Texte ohne größere Schwierigkeiten auf den ersten Blick zu erfassen, wie sie ein kontinentaleuropäischer Exeget nur schwer nachzuvollziehen vermag. Irgendwelche exegetischen Detailprobleme entstehen nicht. Für die Klassifikationen bedarf es keiner Einlassung auf hebräische Wörter und ihre Semantik; ein Appendix B liefert zwar ein Verzeichnis der hebräischen Vokabeln, die mit den im Text gebrauchten englischen gleichgesetzt werden, aber auch dabei entsteht kein Diskussionsbedarf. Dem Ergebnis kann wohl nur deshalb eine grundsätzliche Bedeutung für die Gottesauffassung zugeschrieben werden, weil von jeder historisch bedingten Kommunikationssituation und -absicht, also von Sitzen im Leben, völlig abgesehen wird. Wollten die Prophetentexte aber wirklich eine zeitlose Dogmatik zum Ausdruck bringen?