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Ausgabe:

März/2002

Spalte:

275–277

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Blenkinsopp, Joseph

Titel/Untertitel:

Isaiah 1-39. A New Translation with Introduction and Commentary.

Verlag:

New York-London-Toronto-Sydney-Auckland: Doubleday 2000. XIX, 524 S. gr.8 = The Anchor Bible, 19. Lw. $ 50,00. ISBN 0-385-49716-4.

Rezensent:

Peter Höffken

Den Gebräuchen in neueren Bänden der AnB entsprechend beginnt der Kommentar B.s mit einer Gesamtübersetzung von Jes 1-39 (2-70), deren einzelne Abschnitte bei der Textkommentierung, verbunden mit knappen Anmerkungen zum Text, wiederholt werden. Zwischen Gesamtübersetzung und Textkommentierung wird noch der Abschnitt platziert, der die Einleitung zum Buch Jesaja (71-111) und die Bibliographie (113-167) umfasst. Letztere erfasst Literatur bis 1997 (einzige Ausnahme: die Edition der Jesajarollen aus 1Q in DJD 37 von 1999) und ist stark untergliedert in folgende Abschnitte: Texte und Übersetzungen (115 ff.), Kommentare in chronologischer Abfolge (beginnend mit W. Gesenius 1821, endend mit M. A. Sweeney 1996), dann Monographien und umgreifende Aufsätze u. a. (120 ff.), endlich folgen Titel, die einzelnen Abschnitten des Buches zugeordnet sind: Jes 1-12 (125 ff.), 13-27 (141ff.), 28-35 (155 ff.) und schliesslich 36-39 (164 ff.). Der Nachteil einer solchen starken Durchgliederung der Literatur besteht darin, dass manche Titel wiederholt werden müssen (nicht immer gleichartig: So wird der Beitrag Ackroyd's, The Biblical Interpretation of the Reigns of Ahaz and Hezekiah, S. 125 nach der Erstveröffentlichung von 1984, S. 164 nach der Wiederveröffentlichung von 1987 aufgeführt). So kommt z. B. Sweeney's Kommentar (FOTL, 1996) dreimal, H. G. M. Williamson's Monographie (The Book Called Isaiah, 1994) fünfmal vor. Das scheint mir in anderen Bänden der Reihe besser gelöst. Ich finde es andererseits schade, dass B. die Monographie von U. Becker (Jesaja - von der Botschaft zum Buch, 1997) nicht berücksichtigt hat. - Das Buch endet mit einem ausführlichen Sachindex (491 ff.), einem (Bibel)Stellenregister (501 ff.) und einer Auflistung wichtigerer hebräischer Lexeme (523 f.), was zweifelsohne benutzerfreundlich ist.

Nur allgemein sei gesagt, dass die kommentierenden Teile des Buches (169-489) relativ knapp formuliert sind. Dem kommt entgegen, dass B. seine Darstellung durch Einleitungen zu den einzelnen Buchteilen (1-12.13-27.28-35.36-39) strukturiert und entlastet. Die Textbehandlung weicht von der Textreihung im Jes-Buch nur ab, wenn B. die Weheruf-Reihe 10,1-4 + 5,8-24 und das Kehrversgedicht 9,7-20 (8-21) + 5,25 als einheitliche Texte bespricht (vgl. 208 ff.215 ff.).

Welches Bild entsteht über das Jesajabuch? Fragt man so, so verschafft uns die "Introduction" grundlegend Auskunft. Hier ist neben den üblichen Abschnitten mit Ausführungen zur Stellung des Buches im Kanon, zu Geschichte von Text und Versionen, endlich zu Rezeption und Interpretation im Frühjudentum und im frühen Christentum (de facto dann des NTs) vor allem der Abschnitt über die "Formation" des Buches (83-92) einschlägig.

Der Autor versteht Jes 1-39 ganz betont und bewusst als Teil des Gesamtbuches, dessen Abschluss er in die Zeit zwischen Alexander d. Gr. und Antiochos IV. datiert. Das schlägt sich in den verschiedenen Passagen seiner Einleitung deutlich nieder. Auf der anderen Seite kann er sich mit Recht mit einer rein synchronen Auffassung des Buches nicht befreunden und vertritt die sinnvolle Auffassung, dass man im Jesajabuch verschiedene literarische Ebenen verschiedener Zeiten zu unterscheiden habe. Er verbindet also den diachronen mit dem synchronen Ansatz. Auf der synchronen Ebene scheint mir wichtig, dass der Autor davon überzeugt ist, dass Jes 40-48+49-54 (oder 55) mit Jes 1-39* erst spät verbunden wurden, was auch eine kritische Position gegenüber C. Seitz, H. G. M. Williamson (dieser wird direkt diskutiert, 88 f.) und anderen beinhaltet. Andererseits liefert auf der jetzigen Ebene der Präsentation des Buches Kap.1-39 die unheilsgeschichtlichen Voraussetzungen für die ab Kap. 40 entwickelte Heilsbotschaft, was Vorgriffe wie Kap. 35 ein-, nicht ausschließt.

Bei der Analyse von Kap. 1-39 orientiert sich der Vf. an den verschiedenen Buchteilen (1-12.13-27.28-35.36-39) einerseits, andererseits an der Differenz von prophetischen Worten und dtr Erzählungen (Kap. 7 im Kontext von 6 und 8, 20 und 36-39), wobei die letzteren vom gegensätzlichen Bild der Könige Ahas und Hiskija leben, zum anderen für die Vorgänge um 701 v. Chr. ein anderes Bild entwickeln, als es bestimmte Straten in (vor allem) Jes 28-32 tun. Andererseits muss man auch konstatieren, dass es vor allem in Kap. 36 Anleihen an der Jesaja-Tradition gibt und gleichzeitig in der Wortüberlieferung in Kap. 28-31 auch ein literarisches Stadium erreicht wird, wo diese Wortüberlieferung - trotz bleibend anderer Akzente im Einzelnen - auch als Vorbau zu Kap. 36 f. formuliert wird. Für die ältere Jesaja-Tradition - der Begriff markiert mit gewisser Unschärfe Jesaja samt einsetzender Traditionsbildung - nimmt er vor allem jene Bereiche in Anspruch, die literarisch durch 6-8, 20 und den Kern von 28-32, geschichtlich durch den syrisch-efraimitischen Krieg, durch die Wirren um Asdod unter Sargon II. und endlich durch die geschichtlichen Geschehnisse markiert sind, die zur Katastrophe von 701 führen. Diesen drei zeitgeschichtlichen Brennpunkten der Jesajaüberlieferung gelten dann auch ausführliche geschichtliche Darstellungen im Rahmen der Einleitung (Historical Context, 98 ff., eine Tabelle geschichtlicher Ereignisse führt dann bis 604 zum Akzessionsjahr Nebukadnezars II. hinunter). In anderer Hinsicht - zu denken ist vor allem an die Formen der Unheilsbegründung - ist ihm für jesajanische Herkunft der Zusammenhang mit der Botschaft vor allem des Amos (weniger des Hosea, daneben noch des Micha) wichtig, die an entsprechenden Stellen des Kommentars ausführlich gewürdigt werden.

Eine für B. entscheidende Einsicht besteht darin, dass die Fixierung der Botschaft zum Thema Assur eine Art Leitfigur oder ein Leitprofil bildet, wie in der weiteren Jesajatradition die Rolle weiterer Weltreiche - Babel, "Edom" - wahrgenommen wird. Eine weitere Einsicht könnte man als die einer perspektivischen Lektüre bestimmen: die Faktoren des syrisch-efraimitischen Krieges seien interpretiert auf dem Hintergrund der Katastrophen- und Rettungserfahrung von 701. Entsprechende Prozesse einer relecture nimmt er auch in Sachen der "josianischen" oder "Assurredaktion" (Clements bzw. Barth) an, wenn er mit der Möglichkeit rechnet, dass ursprünglich auf Hiskija bezogene Partien des Buches auf Josia "reapplied" worden seien (bes. 92), was Ausdruck einer auch sonst feststellbaren Zurückhaltung oder Modifikation in Sachen entsprechender Redaktionsprozesse (mit unterschiedlichen Akzenten bei Becker und Barthel) ist. Dass dabei für die Entstehungsgeschichte des Buch(teil)s die Verarbeitung der Erfahrungen von 587/86 ein wichtiger Einschnitt ist, der zur Einarbeitung der Heilsworte für Jerusalem (Juda) führt, sei noch konstatiert.

In Sachen der Wirkungsgeschichte des Buches hält sich B. etwas zurück, indem er angesichts dieser Sisyphusarbeit auf die frühe Rezeption des Buches in verschiedenen Kreisen des Judentums (Frühes Judentum, rabbinische Texte) und des frühen Christentums (de facto NT) beschränkt (92-98). Die Bemerkungen zu Qumran (94 f.) wären gewiss ausbaufähig gewesen (B. bezieht sich auf eine von ihm als recht abwegig eingeschätzte These Flussers zur Entstehung der Schrift MartJes in Qumran und begnügt sich ansonsten mit knappen Hinweisen auf die Deutung des Jesbuches in den Pescharim-Fragmenten).

Einige knappe Bemerkungen zu "Aspekten jesajanischer Theologie" runden die Einleitung ab. Hier wird für die außenpolitischen Optionen des Jes der Charakter des "Quietismus" zu Gunsten eines "nonalignment" bestritten (106), während er zu 30,1-5 behauptet wird (412).

Dass der Klappentext des Buches dick aufträgt, wenn es B.s Kommentar als "the definitive study" zu diesem Buch der Bibel erhebt, sei mit gewissem Amüsement angemerkt - es ist dies nicht B.s Meinung, der weiß und zum Ausdruck bringt, dass er einen Kommentar "unterwegs", d. h. in einer recht unübersichtlichen Forschungssituation, geschrieben hat. Als ansprechend empfinde ich seine knappe Art zu formulieren, das gilt auch dann, wenn man an verschiedenen Stellen des Kommentars Fragen hat.

Auf den offensichtlich aus B.s Feder zu erwartenden Fortsetzungsband zu Jes 40-66 darf man gespannt sein.