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Ausgabe:

März/2002

Spalte:

271 f

Kategorie:

Religionswissenschaft

Titel/Untertitel:

Metzler Lexikon Religion. Gegenwart - Alltag - Medien. 3:Paganismus - Zombie. Hrsg. von Ch. Auffarth, J. Bernard, H. Mohr unter Mitarb. von A. Imhof u. S. Kurre.

Verlag:

Stuttgart-Weimar: Metzler 2000. IV, 729 S. m. 154 Abb. dav. 24 farb. gr.8. Geb. ¬ 361,00. ISBN 3-476-01678-1.

Rezensent:

Theo Sundermeier

In bemerkenswert kurzer Zeit ist der 3. Band des Metzler Lexikons erschienen (für Bd. 1-2 s. ThLZ 125, 2000, 383). Verlag und Herausgeber verdienen allen Respekt. Der dritte Band setzt konsequent die Programmatik der ersten zwei Bände fort: Es will kein religionswissenschaftliches Lexikon im klassischen Sinn sein, sondern Religion in ihrer Alltagswelt und ihre medienwirksame Vermarktung sollen dargestellt werden. Im Unterschied zu den ersten beiden Bänden hat man die auffällige poppige Darstellung weitgehend vermieden, die christentumskritische Sicht schlägt sich jedoch weiterhin in verschiedenen Artikeln durch. Die Auswahl und jeweilige Bearbeitung der Artikel überrascht, passt aber ins Programm. Den "Parsen" werden kaum mehr als zwei Seiten gewidmet, dem "Pazifismus" eine viertel Seite, "Prostitution" dagegen erhält drei Seiten und wird "wie Religion" als "Ausdruck psycho-sozialer Bedürfnisse von Gesellschaften und der in ihnen lebenden Individuen" angesehen (75)! Solche peinlichen, kurzatmigen Vergleiche sind jedoch nicht typisch für diesen Band. Das Problem des Proselytismus wird auf einer Seite und ausschließlich aus der jüdisch-christlichen Tradition verhandelt. Weder wird die entsprechende breite Diskussion innerhalb der Missionswissenschaft noch die Sache als solche als Problem weltweiten Religionskontaktes zur Kenntnis genommen.

Das noch immer aktuelle und nicht gelöste Problem der Verhältnisbestimmung von Religionswissenschaft und Theologie wird nur kurz gestreift (183) und entgegen der bisherigen spannungsvollen, aber fruchtbaren Kooperation wird der eindeutigen Trennung das Wort geredet und die RW den Sozial- und Kulturwissenschaften zugeordnet. Die Vorstellung, dass die RW voraussetzungslos arbeitet, weil "sie außerhalb religiöser Systeme steht" (ebd.), weckt in ihrer Naivität den Ideologieverdacht.

Aber nicht alle Artikel bleiben in kühler Distanz zu ihrem Gegenstand. Dass ausgerechnet einer der Hauptherausgeber (Chr. Auffahrt) beim Stichwort "Religiosität/Glaube" die objektive Darstellung verlässt und sich selbst zur Sprache bringt ("meine Erfahrungen", "meine Um- und Lebenswelt" statt "die jeweils eigenen Erfahrungen" o. ä.) beweist einmal mehr, dass die RW gerade nicht des persönlichen Engagements entbehren kann, wenn sie die notwendige adäquatio ad rem erreichen will.

Während zu "Segen", "Schöpfung", "Ritual" (die Diskussion um die Differenz zwischen "Ritus" und "Ritual" bleibt unerwähnt) u. a. traditionell wichtigen Begriffen der RW kaum mehr als eine Notiz gebracht wird, haben aktuelle, fraglos wichtige Begriffe wie "Rezeption" (11 S.) "Science Fiction" (3 S.), "Zeit" (6 S.), "Witz" (5 S.), "Zölibat" (4 S., informativ, aber fast ausschließlich aus katholischer Problemlage heraus konzipiert) reichlich Darstellungsraum zur Verfügung. Das Recht dazu soll nicht bestritten werden. Diese Akzentsetzung macht das besondere Profil des Lexikons deutlich. Doch unterliegt solch Aktualitätstrend auch der Gefahr, dass das Lexikon schnell veraltet und eine jeweils aktualisierte Neuauflage notwendig wird. Das Stichwort "Zombie" macht das gut deutlich, denn wie hier mit dem Begriff "Magie" hantiert wird, zeigt eine wissenschaftlich nicht zu verantwortende Anpassung an den umgangssprachlichen Gebrauch.

Genug mit den Hinweisen. Der Reichtum solch eines Lexikons kann allemal nicht in einer Rezension gewürdigt werden. Insgesamt kann dem Lexikon, trotz der nicht zu verkennenden Einseitigkeiten (gerade auch in den Photos) ein hoher Informationsgehalt bescheinigt werden. Vor allem für einen kritischen Religionsunterricht wird es eine unausschöpfliche Fundgrube sein, aber auch für jeden, der sich über Religion heute in einer säkularisierten, postchristlichen Welt informieren will.