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Ausgabe:

März/2002

Spalte:

270 f

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Khoury, Adel Theodor, Heine, Peter, und Janbernd Oebbecke

Titel/Untertitel:

Handbuch Recht und Kultur des Islams in der deutschen Gesellschaft. Probleme im Alltag - Hintergründe- Antworten.

Verlag:

Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2000. 333 S. gr.8 Geb. ¬ 39,95. ISBN 3-579-02663-1.

Rezensent:

Andreas Feldtkeller

Das Handbuch schließt auf sehr verdienstvolle Weise eine Lücke auf dem Buchmarkt und wird sich seinen Rang als Standardwerk nicht erst erkämpfen müssen.

Allerdings liegt es in der Natur der Sache, dass ein solches Buch - von Nicht-Muslimen geschrieben - nicht alle Erwartungen erfüllen kann, die der verheißungsvolle Titel weckt: Ein denkbares Handbuch gleicher Zielsetzung aus der Feder von islamischen Rechtsgelehrten könnte mehr Probleme lösen als das vorliegende Werk von zwei Islamwissenschaftlern und einem Juristen, da diese kein eigenes Mandat haben, die Instrumente islamischer Rechtsfindung auf die Situation in Deutschland hin anzuwenden, sondern "nur" zusammentragen können, was die Rechtsgelehrsamkeit der islamischen Welt diskutiert. Mit der Aufgabe aber, islamisches Recht auf die Situation in Deutschland hin zu spezifizieren, ist von islamischer Seite aus noch kaum begonnen worden, was vor allem darin begründet liegt, dass es bisher kaum in Deutschland lebende islamische Rechtsgelehrte gibt, die eine solche Aufgabe leisten könnten.

Auch im Hinblick auf das Stichwort "Kultur" muss möglichen Enttäuschungen vorgebeugt werden: Es liegt hier kein Handbuch der in Deutschland entstandenen islamischen Kultur vor, sondern es geht um Kultur, insofern sie integraler Bestandteil des islamischen religiösen Rechts - der Scharia - ist.

Im Rahmen der so abgesteckten Handlungsmöglichkeiten leistet das Handbuch, was geleistet werden kann. Sein Anliegen ist es, bei der Lösung der Konflikte zu helfen, in die Muslime gerade deshalb immer wieder geraten, weil die Kluft zwischen islamischem Recht und deutschem Recht von den zuständigen Experten auf beiden Seiten noch nicht wirklich so bearbeitet worden ist, dass den deutschen Muslimen der Weg zu einem islamischen Leben in Deutschland klar gewiesen wäre.

Das Handbuch nähert sich der Überbrückung dieser Kluft von beiden Seiten her: Die Einleitung und die ersten sechs Teile in zusammen 33 Kapiteln (die Adel Theodor Khoury und Peter Heine sich untereinander aufgeteilt haben) befassen sich mit dem islamischen Recht in seinen Grundlagen, seinen wichtigsten Inhalten und den Fragen seiner Anwendung auf die Situation in einem nicht-muslimischen Land. Der siebente Teil, der gleichzeitig als 34. Kapitel gerechnet ist und von Janbernd Oebbecke geschrieben wurde (287-327), beschreibt die Berührungsflächen des deutschen Rechts mit dem Leben der islamischen Religionsgemeinschaft hierzulande.

Zielgruppe des Buchs sind sowohl Muslime als auch Menschen, die an rechtlich relevanten Stellen mit ihnen zu tun haben. In der Absicht, dem Informationsbedarf beider Gruppen gerecht zu werden, muss die Darstellung weit in Bereiche ausholen, die nicht speziell die Situation in Deutschland betreffen, sondern die sich in erster Linie auf die Praxis in der islamischen Welt beziehen. So befasst etwa der gesamte fünfte Teil (231-256) sich mit dem islamischen Strafrecht, das in einem nicht-islamischen Land gar keine Anwendung finden kann. Dennoch ist es notwendig, im hier gegebenen Zusammenhang auch solche Aspekte zu behandeln, da islamisches Strafrecht auch dort, wo es nicht zur Anwendung kommt, für Muslime handlungsleitend sein kann und da es für deutsche Behörden gegebenenfalls wichtig sein kann, die strafrechtlichen Bestimmungen zu kennen, die Muslimen in ihren Heimatländern drohen.

Andere Abschnitte gehen sehr direkt auf die in Deutschland gegebene Situation zu, wie etwa das kurze Kapitel über die Wehrpflicht (218). Daraus entsteht ein etwas uneinheitlicher Gesamteindruck des Handbuchs hinsichtlich der Rolle, die der deutsche Kontext spielt, aber diese Uneinheitlichkeit ist in den zu recht unterstellten Interessen der Lesenden begründet, und so ist es zu begrüßen, dass deren Informationsbedarf nicht einer formal einheitlichen Struktur der einzelnen Artikel geopfert wurde.

Zur Ausstattung gehört ein Glossar der verwendeten arabischen Begriffe, die im Text in einer vereinfachten lateinischen Umschrift (ohne Vokallängen und diakritische Punkte) wiedergegeben werden.