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Ausgabe:

März/2002

Spalte:

269 f

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Khoury, Paul

Titel/Untertitel:

1) Matériaux pour servir à l'étude de la controverse théologique islamo-chrétienne de langue arabe du VIIIe au XIIe siècle. (Chapitre V). Exégèse chrétienne du coran.

2) Matériaux pour servir à l'étude de la controverse théologique islamo-chrétienne de langue arabe du VIIIe au XIIe siècle. (Chapitre VI). Notions philosophiques et théologiques. 1: Religion - Révélation. A - Conception chrétienne.

Verlag:

1) Würzburg: Echter u. Altenberge: Oros 1999. 344 S. 8 = Religionswissenschaftliche Studien, 11/5. Kart. ¬ 40,00. ISBN 3-429-021184-7 u. 3-89375-181-5.

2) Würzburg: Echter u. Altenberge: Oros 2000. 461 S. 8 = Religionswissenschaftliche Studien, 11/6. Kart. ¬ 50,00. ISBN 3-429-02291-6 u. 3-89375-193-9.

Rezensent:

Ulrich Schoen

Paul Khoury ist ein libanesischer Historiker und Philosoph. Er gehört zur griechisch-katholischen (oder "melkitischen") Kirche von Antiochien - also zu einer der mit West-Rom unierten Ost-Kirchen. So ist er von Hause aus feinfühlig für Okzident-Orient-Beziehungen. Über Jahre hinweg unterrichtete er an der griechisch-katholischen Hochschule in Harissa und an der maronitisch-katholischen Hochschule in Kaslik, beide im Libanon. Seine ersten größeren Arbeiten (von 1957 bis 1964) hatten die Stellungnahmen christlicher Denker des Ostens zum Islam, insbesondere Johannes Damaszenus und Paul von Antiochien, zum Thema. Sie umfassen also in etwa die Zeitspanne vom achten bis zum zwölften Jahrhundert. (Die 2. Auflage des Buches über Johannes Damaszenus erschien bei Echter, Würzburg 1994). In den folgenden Jahren wandte Kh. sich den Problemen der Säkularisierung zu, sowie den Beziehungen zwischen traditioneller arabischer und moderner westlicher Welt. Hiervon zeugen zahlreiche, in Beirut erschienene Veröffentlichungen (zum Beispiel in den Bänden 1957 bis 1981 der Revue Afaaq). Dabei wurde er zu einem der Vordenker der Laizität (arabisch: 'almana = "Weltlichkeit") im nahöstlichen Kontext (so konnte ihm u. a. vorgeworfen werden, er sei ein Vertreter der "Theologie des Todes Gottes").

Nach den bedrückenden Jahren des libanesischen Bürgerkrieges, der mit dem Zusammenbruch staatlicher Strukturen das konfessionelle gegenüber dem säkularen Denken bestärkte, trägt eine der jüngsten philosophischen Veröffentlichungen Kh.s den Untertitel "Skizze einer Philosophie der Enttäuschung" (Beirut 1996). Nach schwerer, überstandener Krankheit unternimmt Kh. nun im Alter etwas Erstaunliches, aber durchaus Empfehlenswertes: Er veröffentlicht die "Materialien", die ihm bei der Verfassung seiner Bücher als Unterlagen und Quellen dienten. Ein Blick sozusagen in seine Werkstatt, den er anderen ermöglicht. Zuerst die Matériaux zum Thema "Tradition und Moderne": Sie sollen "servir à l'étude de la pensée arabe actuelle" (Beirut, 3 Bände, 1981 bis 1985, insgesamt 1728 Seiten). Dann die Matériaux zum Verständnis der islamisch-christlichen Auseinandersetzung, die in den ersten fünf Jahrhunderten nach der Geburt des Islam im arabischen Sprachraum stattgefunden hat.

Der Inhalt, streckenweise trocken anmutende Auflistungen, kann manchen als überholt und zurecht vergessen erscheinen: "Wozu brauchen wir heute diese theologischen Spitzfindigkeiten?" Bei näherem Lesen jedoch ersteht eine tausend Jahre alte Welt, in welcher der christlich-islamische Dialog unter beneidenswerten, heute nur noch selten erreichten Bedingungen stattfand: Die Dialogisierenden verwendeten die gleiche (arabische) Sprache, die gleiche (aristotelische) Philosophie und die gleiche (biblizistische bzw koranistische) exegetische Methode. Einzige Kluft: zwei verschiedene Quellen und Bezugspunkte für Wertung und Maßstab, nämlich die biblische und die koranische Offenbarungs-Schrift. Die behandelten Themen aber behalten bis heute ihre Aktualität: Denk-Voraussetzungen, theologische Methodik und die Frage nach der wahren Religion (11/1); Einheit und Dreifaltigkeit Gottes (11/2); Logos und Inkarnation (11/3+4); Religionsverständnis und Offenbarung (11/6). Als interessantes Beispiel sei hingewiesen auf den Band 11/5 ("die christliche Exegese des Koran"): Christen fühlten sich bestärkt in ihrem Glauben, nicht nur durch die Auslegung der vorausgegangenen Heiligen Schrift, nämlich des Alten Testaments, sondern auch durch die Auslegung der nachfolgenden Schrift, nämlich des Koran, auch wenn sie diesen theologisch nicht als Offenbarungs-Schrift anerkannten. Es scheint, dass Muslime sich eine solche von den Vorläufern betriebene Exegese gefallen ließen, so ähnlich vielleicht wie abendländische Christen heute mit der jüdischen Exegese des Neuen Testaments umgehen. In beiden Fällen handelt es sich um eine sinnvolle und dem Gegenüber verständliche Darlegung des eigenen Glaubens.

Als in diesem Sinne vorbildlich stellt Kh. das Denken des Paul von Antiochien dar. Als Gegenbeispiel einer den Islam abwertenden Polemik gilt für ihn die Vorgehensweise des Heiligen Johannes Damaszenus. Alles in allem ein beeindruckendes Werk, hilfreich in einer Welt, in der der Konfessionalismus eher im Kommen als im Verschwinden ist.