Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Oktober/1998

Spalte:

956 f

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Bsteh, Andreas, und Seyed M. Mirdamadi

Titel/Untertitel:

Gerechtigkeit in den internationalen und interreligiösen Beziehungen in islamischer und christlicher Perspektive. 1. Iranisch-Österreichische Konferenz Teheran, 25.-28. Februar 1996. Referate - Anfragen - Gesprächsbeiträge.

Verlag:

Mödling: Verlag St. Gabriel 1997. 414 S. 8 = Dialog. Kart. DM 56,80. ISBN 3-85264-564-6.

Rezensent:

Andreas Feldtkeller

Der Band enthält die Vorträge und Diskussionsprotokolle von einer christlich-muslimischen Dialogkonferenz zu dem im Titel angegebenen Thema, die im Februar 1996 in Teheran stattfand. Genauer gesagt handelt es sich um eine Konferenz zwischen iranischen Schiiten und fast ausschließlich österreichischen Katholiken. Der Wunsch nach einem in dieser Weise begrenzten bilateralen Dialog war von iranischer Seite aus vorgetragen worden im Rahmen der internationalen muslimisch-christlichen Friedenskonferenz in Wien 1993.

Damit ist die Behandlung des Themas in mehrfacher Weise eingeschränkt, aber auch akzentuiert. Die "konfessionelle" Beschränkung des Teilnehmerkreises äußert sich etwa darin, daß den ersten drei Vorträgen der Begriff der Gerechtigkeit aus islamischer und christlicher Sicht zu bestimmen aufgegeben ist, daß dabei aber Ingeborg Gabriel sich in der biblischen Grundlegung (52 ff.) die Dimension der paulinischen "Gerechtigkeit Gottes" ebenso entgehen läßt wie bei Seyed Mohammed Khamene’i die Sunna des Propheten nur sehr knapp zu Wort kommt (39) und die Ausführungen münden in den Gedanken des "theokratischen Staatswesens" iranischer Prägung (44 f.).

Die Form einer offiziellen Dialogkonferenz bringt es mit sich, daß nur gesagt wird, was man einander ins Angesicht zu sagen bereit ist. Im vorliegenden Fall wird dies noch verstärkt dadurch, daß die zwischenstaatliche Dimension der Frage nach Gerechtigkeit bewußt auch institutionell in das Projekt mit einbezogen wurde und daß insofern alles Gesagte "politically correct" ist im Hinblick auf das, was die österreichisch-iranischen Beziehungen erlauben. Die Art, wie Andreas Bsteh im Vorwort der deutschsprachigen Ausgabe mit keinem Wort auf dieses Problem eingeht, aber um so genauer das Verfahren beschreibt, mit dem dafür gesorgt wurde, daß die deutsche und die persische Ausgabe möglichst genau übereinstimmen, spricht hier eine beredte Sprache.

Positiv bedeutet dies, daß anhand von einem politisch brisanten Thema deutlich sichtbar wird, was in einem so abgesteckten Rahmen tatsächlich gesagt werden kann. Konsens besteht zwischen beiden Seiten darin, daß zwischen armen und reichen Ländern der Welt Unrechtsstrukturen bestehen. Durchaus verschieden sind jedoch die Auffassungen darüber, wie solche Ungerechtigkeiten einzuschätzen sind und wie damit umgegangen werden kann. Einer der wichtigsten Differenzpunkte ist die Haltung zum westlichen Säkularismus. Während dieser etwa durch Richard Potz ins Recht gesetzt wird aufgrund der Erfahrungen mit geistlicher Herrschaft in Europa (200 ff.), spricht M. Modjtahed Schabestari von einer gemeinsamen Pflicht für Muslime und Christen, "dem mächtigen Andrang der atheistischen Kulturen ... entgegenzutreten" (380) und Seyed Mostafa Mohaqqeq-Damad kritisiert die westliche Tradition der Menschenrechte für ihren säkularen Ansatz (174ff.). Dem korrespondiert, daß die muslimische Seite beansprucht, in Gottes Gesetzen tragfähige Maßgaben zu weltweiter Gerechtigkeit zu besitzen, während auf christlicher Seite von religiös fundierter Moral gesprochen wird, die nicht dazu geeignet sei, direkt über politische Strukturen durchgesetzt zu werden. Inhaltlich jedoch werden von beiden Seiten Konvergenzen zwischen christlichem und muslimischem Ethos angenommen (z. B. Adel Theodor Khoury 364; Schabestari 380 ff.; Gabriel 394).

Gegenüber der Dominanz von Fragen internationaler Gerechtigkeit ist der Ertrag des Buches zum ebenfalls im Titel angekündigten Thema interreligiöser Gerechtigkeit eher enttäuschend. In diese Richtung geht am stärksten das Referat von Adel Theodor Khoury, der ausgehend vom Zweiten Vatikanischen Konzil das Konzept der "Ökumene der Religionen" (361ff.) vorträgt.

Die Vorteile der Dialogform werden in der gedruckten Form optimal zur Geltung gebracht, indem die Diskussionen jeweils im Anschluß an die Referate nach einem Tonbandprotokoll wiedergegeben und die wichtigsten Stichworte der Anfragen jeweils in einem grau unterlegten Kästchen an den Rand gestellt werden. Diese Diskussionsprotokolle sind eine Fundgrube für kleine, aber weiterführende Gedanken, denn sie zeigen, wie die vorgetragenen Konzepte im direkten Gespräch aufeinander reagieren.