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Ausgabe:

Februar/2002

Spalte:

196–198

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Bernold von Konstanz

Titel/Untertitel:

De excommunicatis vitandis, de reconciliatione lapsorum et de fontibus iuris ecclesiastici (Libellus X). Hrsg. von D. Stöckly.

Verlag:

Hannover: Hahnsche Buchhandlung 2000. VIII, 236 S. gr.8 = Monumenta Germaniae Historica (Leges: 8, Fontes iuris Germanici antiqui in usum scholarum separatim editi), 15. Geb. ¬ 30,00. ISBN 3-7752-5425-0.

Rezensent:

Gert Haendler

1892 hatte Friedrich Thaner eine Edition von Bernolds Werk im Band 2 der "Libelli de Lite" vorgelegt, die sich auf 3 Handschriften stützte. Die neue Edition kann 19 neu entdeckte Codices mit heranziehen und von der Voraussetzung ausgehen, dass Bernolds Traktat kein einheitliches Werk ist, sondern sich aus mehreren Teilen zusammensetzt. Neuere Arbeiten über Bernold (Johanne Autenrith und Ian Robinson) zeigen ihn nicht nur als Chronisten und Publizisten, sie betonen vor allem seine Bedeutung als Kanonist (1). Bernold wurde um 1050 geboren und in der Domschule Konstanz erzogen. Als Anhänger Gregors VII. war er 1079 auf der Fastensynode in Rom dabei, die Berengar von Tours verurteilte. Bernold erhielt 1084 die Priesterweihe vom päpstlichen Legaten Odo von Ostia, dem späteren Papst Urban II. Der "gregorianische" Bischof Gebhardt von Konstanz bat Bernold "häufig um Stellungnahmen zu kirchenrechtlichen und theologischen Fragen, die Anlaß zu den Streitschriften waren" (4). 1086 wird Bernold als Mönch in St. Blasien bezeugt, 1100 ist er in Schaffhausen gestorben. Am bekanntesten ist Bernolds Chronik. Liturgischen Inhalt bietet sein "Micrologus de ecclesiasticis observationibus".

Vor allem aber war Bernold ein gut ausgewiesener Kanonist, dazu "hat er intensives Quellenstudium betrieben" (10). Von den jetzt neu edierten Traktaten des Libellus X nennt nur der Brief (Teil I) Bernold als Verfasser. Für die folgenden 3 Arbeiten gibt es jedoch indirekte Hinweise (12-14). Die verwickelte Überlieferung wird ausführlich dargelegt (15-32). Es folgen Erörterungen über Inhalt und Aufbau der Teile I-IV des Libellus X (32-44). Zur Entstehungszeit gibt es nur den sicheren Hinweis, dass der Brief nach dem 21. Dezember 1084 geschrieben worden ist. Für Teil IV vermutete man die Jahre 1090/91, doch gibt es auch Gründe für eine frühere Datierung, da Bernold für diese Arbeit eine gut ausgestattete Klosterbibliothek benötigte, wie sie ihm in Konstanz in den Jahren 1074-1076 zur Verfügung gestanden hat (46). Der in Thaners Edition 1892 benutzte Titel "ist ein reiner Kunsttitel und kommt in keiner Handschrift vor", dennoch wurde dieser Titel "beibehalten, da er den Inhalt des Traktats gut trifft" (47).

Kapitel V "Quellen" stellt fest: Bernold hat "in der ersten Hälfte der 70er Jahre in Konstanz eine Reihe hauptsächlich chronologisch geordneter Rechtssammlungen gründlich studiert und mit Randbemerkungen versehen, die sich häufig in seinen früheren Streitschriften in den Quellen wiederfinden" (49). Vermutlich kannte er sein Quellenmaterial weithin auswendig, "so daß es in jeder Situation abrufbar und frei in einem Text einsetzbar war" (50). Seine Belegstellen bietet er mitunter mit kleinen Abweichungen, ohne dass man deshalb auf verschiedene Vorlagen schließen müsste. Eher ist anzunehmen, dass "die Varianten in den mehrfach benutzten Exzerpten aus dem freien und gekonnten Umgang Bernolds mit seinem Material herrühren" (50). Eine Analyse der Quellen muss zudem berücksichtigen, "daß in Libellus X vier Schriften zusammengefasst sind, die in einem Zeitraum von etwa zehn bis fünfzehn Jahren, vermutlich an verschiedenen und nicht eindeutig zu bestimmenden Orten (Teil I-III in St. Blasien?, Teil IV wohl in Konstanz) entstanden sind. Man wird mit ganz unterschiedlich ausgestatteten Bibliotheken rechnen müssen, die Bernold bei der Abfassung der Teile I-III und IV zur Verfügung standen" (53).

Der Abschnitt über Bernolds Arbeitsmaterialien untersucht auf sieben Seiten kanonistische Quellen (53-60), knapp eine Seite nennt theologische und historische Quellen, die also "nur eine untergeordnete Rolle" spielten (60). "Die Rezeption des Libellus X ist äußerst schwach" (61). Erst im späteren Mittelalter sowie in der Reformationszeit spielte das Werk eine Rolle, z. B. für Matthias Flacius Illyricus und den spanischen Jesuiten Romanus Franciscus Torres (63).

Ein erster Druck des Libellus stammt von dem Ingolstädter Jesuiten Jakob Gretser 1609, eine 2. Edition erschien 1612 von dem Wiener Hofbibliothekar Sebastian Tengnagel. Für die Textedition wurde Aemilianus Ussermann wichtig, der 1792 in seinem Werk "Germaniae sacrae Prodomus" die Streitschriften Bernolds erneut druckte und den Text in Kapitel einteilte, denen er selbst formulierte Überschriften gab, die auch Friedrich Thaner in seiner Edition in den Libelli de lite der MGH 1892 beibehielt (67).

In der Mitte des jetzigen Bandes stehen ein Abkürzungsverzeichnis, Quellen- und Literaturverzeichnis sowie Handschriftensiglen (71-80). Danach folgen die Texte: Teil I mit dem Brief zu Beginn: De excommunicatis vitandis, de rigore canonum super iudicio lapsorum et de reconciliatione eorum (81-106); Teil II: De loco penitentie (107-115), Teil III: De abiuratione schismaticorum et de haereticorum reconciliatione (116-119); Teil IV: De fontibus iuris ecclesiastici (120-187). Mehrere Register beschließen den informativen Band, der hoffentlich auch den Abschluss der lange geplanten Neuedition der Chronik Bernolds in den MGH befördern wird.