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Ausgabe:

Februar/2002

Spalte:

192 f

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Voorst, Robert E. van

Titel/Untertitel:

Jesus Outside the New Testament. An Introduction to the Ancient Evidence.

Verlag:

Grand Rapids-Cambridge: Eerdmans 2000. XIV, 248 S. 8 = Studying the Historical Jesus. Kart. US$ 22,00. ISBN 0-8028-4368-9.

Rezensent:

Roman Heiligenthal

Der Autor lehrt Neues Testament am Western Theological Seminary in Holland, Michigan. Seine Untersuchung erschien innerhalb der von Bruce Chilton und Craig Evans herausgegebenen Reihe "Studying the Historical Jesus", welche sich zum Ziel setzt, den Schlüsselfragen, die sich bei der Erforschung des "Historischen Jesus" ergeben, im Licht der neuesten wissenschaftlichen Diskussion nachzugehen. Ohne Zweifel gehört die Diskussion der außerkanonischen Quellen über Jesus von Nazaret in dieses Programm. Der Verfasser sammelt und diskutiert alle relevanten Texte aus dem christlich-außerkanonischen, jüdischen und paganen Bereich und befragt sie auf ihren historischen Informationsgehalt. Es wird auch vom Autor nicht bestritten, dass ein solcher Ansatz nicht ohne begründete Hypothesen auskommt.

Der kommentierten Quellensammlung ist ein knapper, aber informativer forschungsgeschichtlicher Überblick vorangestellt. Zu Recht sieht van Voorst innerhalb der "third quest for the historical Jesus" in der Berücksichtigung nicht-kanonischer Quellen ein wesentliches Merkmal dieser jüngsten Forschungsrunde. Die Vielfältigkeit der Jesusbilder soll unabhängig von Kanongrenzen plausibel gemacht werden, wodurch an die Stelle der Bevorzugung kanonischer Quellen eine Offenheit auch für außerkanonische Darstellungen tritt. Angeregt durch die neueren Studien von George A. Wells stellt der Vf., bevor er zu seinem eigentlichen Thema kommt, die Frage nach der historischen Existenz Jesu und beantwortet sie in Auseinandersetzung mit den Positionen von Wells bejahend mit den aus der Forschungsgeschichte bereits hinreichend bekannten Argumenten.

In dem nun folgenden Hauptteil handelt der Autor die außerkanonische Quellenlage in vier Kapiteln beginnend mit "Jesus in Classical Writings" ab. Von Thallos über Plinius d. J. bis zu Celsus werden die paganen Äußerungen vorgestellt. In der abschließenden Bewertung der Quellenlage kommt der Vf. zu dem Schluss, dass all diese Nachrichten über Jesus nicht auf eigener Kenntnis beruhen, sondern aus christlichen Informationsquellen geschöpft worden seien. Die relativ dürftige und zeitlich recht späte Erwähnung Jesu bei römischen Schriftstellern erkläre sich dadurch, dass man am Christentum in der frühen Zeit offensichtlich nur dann Interesse hatte, wenn man in ihm eine Bedrohung der Herrschaft Roms gesehen habe.

In den einleitenden Abschnitten zu "Jesus in Jewish Writings" weist der Vf. schlüssig alle neueren Hypothesen zurück, Jesus von Nazaret sei bereits in den Qumranrollen erwähnt worden. An diese Diskussion mit zum größten Teil sensationell aufgemachten populären Thesen zu Jesus schließt sich eine ausführliche Betrachtung der Jesuszeugnisse bei Flavius Josephus an. Im Zentrum steht hier die Frage nach Herkunft und ursprünglicher Fassung des sog. "Testimonium Flavianum". Der Vf. favorisiert die These, eine neutrale Ursprungsversion des Testimoniums rekonstruieren zu können, die originär auf Josephus zurückgehen würde. Während seiner Zeit in Palästina habe Josephus seine Kenntnisse über Jesus erworben. Zusammenfassend kann er feststellen: "Josephus has given us in two passages something unique among all ancient non-Christian witnesses to Jesus: a carefully neutral, highly accurate and perhaps independent witness to Jesus, a wise man whom his persistent followers called 'the Christ'" (103 f.). Die rabbinischen Quellen zu Jesus seien Zeugnisse der Auseinandersetzung zwischen Judentum und Christentum aus dem zweiten und dritten Jahrhundert, mit dem Ziel, die Juden daran zu erinnern, dass der Magier und Verführer Jesus ein Häretiker sei. Auch die "Toledot Yeshu" sei eine späte jüdische Polemik gegen Jesus und Maria ohne historischen Wert. Alle gegenteiligen Behauptungen (jüngst: Lüdemann) seien rein spekulativ und interessegeleitet.

Schwierig, weil wegen der vorgenommenen Quellenrekonstruktion in hohem Maß hypothetisch, ist der im folgenden Kapitel unternommene Versuch, die hinter den kanonischen Evangelien stehenden Quellen über Jesus herauszulösen und deren Jesusbild darzustellen.

Die von den Evangelisten meist exklusiv (Ausnahme Q) verwendeten Quellen, betonten jeweils einen besonderen Zug des historischen Jesus. So stelle die postulierte Quelle "L" Jesus als vollmächtigen Heiler und Lehrer dar; die von Mt verwendete Quelle "M" zeichne ihn als Prediger des Reiches Gottes und die in Joh angeblich verwendete Zeichenquelle stelle Jesus als den Messias vor. Obwohl man über eine solche literarische Rekonstruktion aus methodischen Gründen trefflich streiten kann, bleibt doch als richtige Erkenntnis dieses Kapitels festzuhalten, dass ein einseitiges Bild des historischen Jesus der historischen Realität wahrscheinlich nicht entsprochen hat.

In seinem abschließenden Kapitel beschäftigt sich der Vf. mit den außerkanonischen christlichen Zeugnissen über Jesus. In den Agrapha sieht er zwar historisch wertvolle, aber wenig ergiebige Quellen zu Jesus; ein Urteil, dass ebenfalls auf die zumeist legendarisch gefärbten neutestamentlichen Apokryphen zutreffe. Unter den Texten aus Nag Hammadi sei das Thomasevangelium ein Ausnahmefall, da zwar nicht dessen Gesamtbild von Jesus, jedoch zahlreiche Logien auf die Lehre Jesu zurückgehen könnten.

Insgesamt handelt es sich um eine klare und gut lesbare Untersuchung, die dem Leser eine ausführlich kommentierte Sammlung der außerkanonischen Quellen über Jesus von Nazaret an die Hand gibt.