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Ausgabe:

Februar/2002

Spalte:

174–176

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Heil, John Paul

Titel/Untertitel:

The Transfiguration of Jesus: Narrative Meaning and Function of Mark 9:2-8, Matt 17:1-8 and Luke 9:28-36.

Verlag:

Roma: Editrice Pontificio Istituto Biblico 2000. 367 S. gr.8 = Analecta Biblica, 144. Kart. Lit 45.000. ISBN 88-7653-144-0.

Rezensent:

Ulrich Mell

Zu den wichtigsten Texten der Synoptischen Evangelien, die die Bedeutung der Person Jesu für den christlichen Glauben narrativ hervorheben, gehört die sog. "Verklärungserzählung". Die dem Andenken von F. Lentzen-Deis gewidmete exegetische Monographie tut gut daran, sich ausschließlich diesem erzählerisch, form- und motivgeschichtlich schwierigen Textabschnitt zuzuwenden, der zudem in der neutestamentlichen Forschung divergent diskutiert wird. Sie formuliert als Ziel, "a comprehensive treatment of each of the three versions of the transfiguration of Jesus from a narrative-critical perspective with focus on the response of the implied audience" anzubieten (22).

Das Unternehmen lässt sich in vier Teile gliedern: Im 1. Abschnitt, überschrieben mit "Preliminary Analysis and Comparison", werden die drei synoptischen Versionen der Verklärungsgeschichte auf ihren gemeinsamen wie verschiedenen Inhalt analysiert (24-33). H. kommt zu dem Ergebnis, dass "each version ... presents a unified, consistent narrative that is of the same basic literary genre" (33). Der 2. Teil sucht nach der formgeschichtlichen Bestimmung der Perikope (35-73), indem er zunächst die Einordnung als Theophanie, Vision oder Epiphanie diskutiert und sich dann dafür entscheidet, den Verklärungstext als "Pivotal Mandatory Epiphany" (51) zu bezeichnen. Als alttestamentliche Vergleichstexte werden Num 22,31-35, die Engelvision von Bileam, Jos 5,13-15, die Engelvision von Josua, und 2Makk 3,22-34, die Dreiengelerscheinung von Heliodor, genannt. H. meint diesen Vergleichstexten zu entnehmen, dass "the climactic commands ... represent the whole point and purpose of the epiphanies closely relate to and clarify the meaning of the epiphanic appearances" (73). Die alttestamentlichen Epiphanietexte bilden nun für H. den heuristischen Ansatz zum Verstehen der neutestamentlichen Verklärungsszene. Da sie die literarische Funktion besitzen, durch "pivotal roles" (73) dem Rezipienten den jeweiligen Kontext zu evozieren, entscheidet sich H. dafür, den vorlaufenden wie nachlaufenden Kontext der Verklärungsgeschichte im Markus-, Matthäus- wie Lukasevangelium im 4. Großabschnitt in extenso zu beschreiben (151-312). Dabei kommt er zu dem Ergebnis, dass in den drei Evangelien "Jesus attained the heavenly glory anticipated at his transfiguration by suffering the humiliating death of a rejected prophet, which Moses and Elijah avoided" (319).

Zuvor aber erklärt H. in Teil 3 seiner Arbeit die Einzelmotive der Verklärungsperikope (75-149). Das Motiv von Jesu Verwandlung (Mk 9,2parr.) ist für H. gemäß 4Esr 2,39; äthHen 62,15; slHen 22,8-10, dass ein irdischer Mensch "the heavenly glory promised to the righteous in general after their death" erhält (93). Die Erscheinung von Mose und Elija im Gespräch mit Jesus (Mk 9,4parr.) bedeutet nach alttestamentlich-jüdischer Tradition (vgl. Dtn 34,6; Sir 48,9; Philo, VitMos 3,288 ff.), dass alle drei Personen "prophetic figures" sind, "experienced opposition, rejection, and suffering at the hands of their own people" (99). Mit der Pointe, dass "the Gospel audiences know that Jesus, unlike Moses and Elijah, will attain heavenly glory only after being unjustly put to death by his people and raised from the dead by his heavenly Father" (113). Keine Entscheidung fällt H. zum Verständnis der Zelte (Mk 9,5parr.), ob es sich um "Laubhütten" (vgl. 2Esr 18,15), "Begegnungszelte" (vgl. Ex 33,7) oder um "die ewigen Zelte für die himmlischen Gerechten" handelt (vgl. Lk 16,9). Dafür weiß er im Unterschied zu den neutestamentlichen Texten genau, dass die himmlische Wolke nur Mose und Elija überschattet und beide mittels dieses Fahrzeuges gen Himmel fahren (vgl. 148 f.).

Die Monographie ist übersichtlich aufgebaut und setzt hinter jeden Abschnitt eine Zusammenfassung. Sie mündet am Ende in ein aktuelles Literaturverzeichnis zu Mk 9,2-8parr. und schließt mit einem Schriftstellen- wie Personenregister.

Die Ergebnisse von H. können aus mehreren Gründen nicht überzeugen: 1. erfolgt keine literarkritische Stellungnahme zum Phänomen der synoptischen Dreifachtextüberlieferung der Verklärungserzählung, z. B. im Sinne der Zwei-Evangelien-Hypothese. Damit bleibt H. mit seiner harmonisierenden Textbetrachtung der vorkritischen Exegese verpflichtet. 2. ist die formgeschichtliche Zuordnung der Verklärungsperikope zur Gattung der Angelophanie (!) ohne Anhalt am neutestamentlichen Text: Dass ein Engel erscheint, ist nirgendwo gesagt. Zudem dürfte es ein Vorurteil biblischer Exegese sein, dass die hellenistischen Rezipienten urchristlicher Texte ausschließlich durch das Studium der jüdischen heiligen Schriften gebildet wurden. Und 3. werden die typologischen Anklänge des verklärten Jesus Christus an die Person Mose als jüdische Offenbarungsfigur (s. Ex 24,1.15 f.; Philo, VitMos 2,69 f.; 2Kor 3,18) bei H. christologisch nicht ausgewertet.

Fazit: Die Synoptikerexegese kann motivgeschichtlich von H. einige Hinweise zur Verklärungsperikope entnehmen, sie muss jedoch weiterhin auf eine schlüssige Behandlung dieses christologischen Spitzentextes warten.