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Ausgabe:

Januar/2002

Spalte:

103 f

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Engemann, Wilfried

Titel/Untertitel:

Ernten wo man nicht gesät hat. Rechtfertigungspredigt heute. Mit einem Geleitwort von K.-H. Bieritz.

Verlag:

Bielefeld: Luther-Verlag 2001. 127 S. 8. Pp. ¬ 13,90. ISBN 3-7858-0428-8.

Rezensent:

Dietrich Stollberg

"Liebe Gemeinde, christlicher Glaube kann von Nachfolge reden, ohne damit einen Lebenswandel auf den Spuren Christi zu meinen." Engemanns Predigten haben mir Freude gemacht: Wann kann man das schon von Predigten sagen! - Predigten muss man eigentlich hören: Manche Kanzelrede, die einen beim Hören tief beeindruckt hat, liest sich langweilig und trocken, manche, der man im Gottesdienst nichts abgewinnen konnte, beruht auf einem ausgezeichneten Manuskript. Ich habe E.s Predigten nur gelesen, stelle mir aber vor, dass sie auch an ihrem ursprünglichen "Sitz im Leben" als Ansprachen im Universitätsgottesdienst zu Münster die Menschen erfreut und aufgebaut haben. Denn dem Autor gelingt es tatsächlich, reformatorische Rechtfertigungstheologie zeitgemäß auszudrücken und ihre Aktualität in der heutigen Welt zu entdecken - und das auf abwechslungsreiche wie tiefschürfende Art. Das liegt nicht zuletzt an seiner pastoralpsychologischen Perspektive: "Der Mensch - in der Panik, seines Wertes nicht gewürdigt zu werden - neigt dazu, andere zu entwerten oder sie wie Wertlose zu behandeln, um dadurch seinen selbstbestimmten Wert um so deutlicher herauszukehren. In dieser Überlebensangst tritt Christus ihm entgegen und lässt sich die Entwertungen auferlegen, die wir selbst erfahren und stracks an andere durchreichen. Dem Menschen, der lieber seinen Preis in den Himmel treibt denn selbst nach dem Himmel zu trachten, kann anscheinend nur geholfen werden, wenn man ihm die Bürgerrechte des Himmels verleiht." Statt Moral lutherische Sachgemäßheit und Präzision: "Hier (Röm 3, 21-28) wird die Abschaffung einer unseligen Selbstbeglückungsstrategie verkündet, die nur so lange funktioniert, wie es einem gelingt, sich für den zu halten, der man sein möchte."

Anbiedernder Schnickschnack fehlt fast völlig, auch wenn er gelegentlich vielleicht doch unterläuft (Spiritual "Amazing Grace"; manchmal auch Jargon: "War es wirklich sein (des Petrus) Job? Von wegen Petri Heil!"). Vielleicht strebt der Autor manchmal noch etwas zu sehr nach Brillanz, vielleicht macht er gelegentlich auch zu viele Worte und gefällt sich in seiner Erzählfreude (Beispiel einer konsequent narrativen Predigt: "Die Reise nach Amsterdam ..." zu 1Petr 1,3-9).

Trotz allem, was man beckmesserisch herausfinden könnte - hier wird lutherische Theologie gepredigt, der Autor verliert sich nicht in "prophetischer" Arroganz und bleibt der Basis seiner Texte in Schrift und Bekenntnis verpflichtet, der Sache nach eindeutig, Gesetz und Evangelium klar unterscheidend, unterhaltsam, ja humorvoll und doch ohne falsche Dramatisierungen. So viel Lebendigkeit, Freude am Predigen und so viel Phantasie - die wollen gebändigt sein und eine klare Form finden. Das ist hier gelungen. So soll es sein, und so kann man es machen.