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Ausgabe:

Januar/2002

Spalte:

45 f

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Lohse, Eduard

Titel/Untertitel:

Das Neue Testament als Urkunde des Evangeliums. Exegetische Studien zur Theologie des Neuen Testaments III.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2000. 161 S. gr.8 = Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments, 192. Lw. ¬ 44,00. ISBN 3-525-53876-6.

Rezensent:

Traugott Holtz

Eduard Lohse hat nach 1973 ("Die Einheit des Neuen Testaments") und 1982 ("Die Vielfalt des Neuen Testaments") einen dritten Band mit gesammelten Aufsätzen zum Neuen Testament vorgelegt; der Titel dieses Bandes nimmt beziehungsreich die der vorangehenden Sammlungen auf und gründet sie.

Bislang unveröffentlicht war nur der erste Beitrag, eine Vorlesung innerhalb einer öffentlichen Vortragsreihe der Universität Göttingen 1997. Er stellte unter dem Thema "Das Neue Testament - Urkunde des Evangeliums" das thetisch dar, was in den folgenden Arbeiten argumentativ anhand charakteristischer Topoi oder Texte entfaltet wird. Besonders beeindruckend ist in ihnen allen die schnörkellose Klarheit der Darlegungen Lohses, die durchweg wissenschaftlich fest gegründet und theologisch ausgereift sind. Es wird in überzeugender Weise das deutlich, was das Vorwort der Festschrift zu seinem 65. Geburtstag "Wissenschaft und Kirche" (Bielefeld 1989, 5) hervorhob, nämlich die enge Durchdringung der wissenschaftlichen Arbeit durch die kirchliche (wie umgekehrt der kirchlichen durch die wissenschaftliche Arbeit).

Das Zentrum des Bandes bilden die Arbeiten zu Paulus einschließlich seiner Bedeutung und Funktion in der und für die Geschichte des frühen Christentums. Indem L. die Frage nach dem Verhältnis Paulus-Petrus sowie die nach der Paulus-Rezeption (bes. durch die Pastoralbriefe) in einer Weise erörtert, die durch ihre Ausgewogenheit besonders überzeugt, fördert er vom gemeinsamen Fundament her nachhaltig das ökumenische Gespräch zwischen den Konfessionen. Das wird unterstrichen durch den ursprünglichen Erscheinungsort einer Reihe der hier versammelten Beiträge in einem katholischen oder betont ökumenischen Kontext. In denselben Horizont gehört überdies die Studie zur "Struktur urchristlicher Gemeinden nach dem Zeugnis des Neuen Testaments", die 1965 in der Festschrift für Johannes Joachim Degenhardt erschien. Von Anfang an ist nach L. "die Ekklesiologie ... ganz von der Christologie her bestimmt" (181); daher ist der geschichtlichen Gestaltung der Ordnung der Kirche ein weiter Raum geöffnet, zugleich aber auch die Grenze gesetzt, die CA benennt.

Flankiert wird der zentrale Mittelteil der Sammlung durch Arbeiten zur synoptischen Überlieferung (leider ist die ursprüngliche Widmung des Aufsatzes "Jesu Worte im Zeugnis seiner Gemeinde", 1987, an Joachim Jeremias ganz fortgefallen) sowie zur JohApk, abgeschlossen das Ganze durch eine Vorlesung über die "Wahrheit des Osterglaubens", gehalten 1997 vor der Protestantischen Fakultät der Prager Karls-Universität.

Auch unter den (drei) Arbeiten zur JohApk findet sich übrigens eine, die zur Diskussion eines sehr aktuellen Themas beiträgt, "Synagoge des Satans und Gemeinde Gottes. Zum Verhältnis von Juden und Christen nach der Offenbarung des Johannes" (1989/92). Im Wesen gleich wie in den exegetischen Beiträgen, die für die innerchristliche Auseinandersetzung der Gegenwart Bedeutung haben (sollen), beeindruckt auch hier die Verbindung von unbestechlicher Klarheit und zurückhaltender Offenheit. Nach dem - m. E. zutreffenden - Urteil des an seinen Gegenstand gebundenen Exegeten behauptet auch auf diesem Felde die Christologie die entscheidende Kompetenz. Daher gilt auch den Juden die Christus-Botschaft - für die JohApk ebenso wie für Paulus mit seiner Verkündigung von der Rechtfertigung allein aus Glauben an den in Christus rechtfertigend handelnden Gott (s. dazu den Beitrag zur FS Erich Gräßer, 1997, "Die Juden zuerst und ebenso die Griechen", bes. 125.127).

Die Lektüre des Buches ist dank der Klarheit der Argumentation sowie ihrer Konzentration auf das Wesentliche regelrecht erfreulich. Freilich finden sich inhaltliche Wiederholungen, auch bedingt durch die jeweiligen Adressaten, an die sich die Texte ursprünglich richteten. Sie treten daher denn auch in dem Nebeneinander von englisch- und deutschsprachigen Abhandlungen hervor; doch bleibt erkennbar, dass jeweils ein eigener Akzent und ein besonderes gedankliches Profil gesetzt ist. Natürlich kann und muss man wohl auch manche inhaltliche Frage zu dem Ausgeführten stellen. So dürfte nach meiner Einsicht das Verhältnis der JohApk zu Paulus und seinem Erbe doch etwas anders zu beurteilen sein als es durch L. geschieht, auch weil mir die (historische und theologische) Verwurzelung des Vf.s der Apk in Palästina problematisch zu sein scheint. Oder z. B. die Verwendung von "Illyrien" Rö 15,19 ist wohl doch eher biographisch bedingt, als dass damit ein Eckpunkt des römischen Imperiums benannt werden soll (127.201). Indessen gehört es gerade zu den Einsichten des Forschers, der hier zu Worte kommt, dass hinsichtlich historischer Erkenntnisse "immer nur ein bestimmter Grad mehr oder minder hoher Sicherheit [zu] errreichen" ist (177); auch darin begegnet dem Leser der große Exeget.

Eine imponierende Bibliographie für die Jahre 1988-2000 (über 200 Nummern), mit der die in der FS von 1989 (s. o.) fortgeführt wird, sowie ein Bibelstellen-, ein Autoren- und ein Stichwortregister beschließen den Band. Leider trüben erhebliche Druckfehler, die eine unzureichende Lektorierung erkennen lassen, die Freude an der Lektüre; dieser Autor hätte Besseres verdient.