Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Dezember/2001

Spalte:

1324 f

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Schlüter, Richard

Titel/Untertitel:

Konfessioneller Religionsunterricht heute? Hintergründe - Kontroversen - Perspektiven.

Verlag:

Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2000. XII, 184 S. 8 . Geb. DM 49,90. ISBN 3-534-15001-5.

Rezensent:

Alfred Seiferlein

Die Debatte um die Zukunft des Religionsunterrichts wird auf verschiedenen Ebenen geführt. Der fiskalpolitische Bereich besitzt gegenwärtig angesichts der monetären Probleme der Bundesländer eine dominierende Funktion. Auf der schulpraktischen Ebene schaffen Schulleitungen Fakten durch die Zusammenlegung von konfessionsgemischten Religionsgruppen, gelegentlich auch noch angereichert durch Ethikschüler und -schülerinnen, die den grundgesetzlichen Regelungen nach Art. 7 Abs. 3 nicht gerecht werden. Von Elternseite wird immer vernehmbarer gefordert, den Klassenverband auch bei den religiös-ethischen Fächern beizubehalten. Unterdessen hat das Land Brandenburg längst Tatsachen geschaffen, die einer höchstrichterlichen Beurteilung harren.

Die pädagogische Diskussion um die Zukunft des RU tritt hinter diesen tatsächlichen oder vermeintlichen Sachzwängen und Erwartungen erkennbar zurück. Während das Brandenburger Modell einer unhistorischen Integration aller Bereiche in einem Fach in der Religionspädagogik weithin auf Ablehnung stößt, weil die qualitativen Voraussetzungen gemeinhin als dürftig angesehen werden, ist die Debatte um die ökumenische Zusammenarbeit für den RU voll im Gange.

Aus profiliert katholischer Perspektive untersucht Sch. die Chancen einer konfessionellen Kooperation oder einer ökumenischen Öffnung des RU. Dabei bilden die kirchlichen Befürchtungen, die eigene konfessionelle Identität zu verlieren oder zu beeinträchtigen, den Ausgangspunkt.

Im einleitenden Kapitel wird eine Bestandsaufnahme über den konfessionellen Religionsunterricht geliefert. Sch. beklagt, dass im katholischen Verständnis, im Gegensatz zur analysierten evangelischen Position, die Religionspädagogik der Dogmatik grundsätzlich nachgeordnet sei (26). Die Sorge um die konfessionelle Identität blockiert die Verwirklichung der religionspädagogischen Möglichkeiten - der Vf. plädiert nachdrücklich für eine andere Handhabung des Konfessionsprinzips im Religionsunterricht. Er schließt sich einer grundsätzlichen Forderung aus der Ökumenischen Theologie an, Perspektiven für die Weiterentwicklungen außerhalb der dogmatischen bzw. der theologischen Diskussion zu suchen, um so die temporäre Stagnation zu überwinden. Der Schwerpunkt der Untersuchung liegt dann auch im 2. Kapitel bei einer Bestandsaufnahme der ökumenischen Entwicklung speziell in der katholischen Tradition bis in die Gegenwart hinein. Die Ergebnisse werden im zweiten Teil dieses Kapitels auf die religionspädagogische Diskussion übertragen. Sch. erkennt besonders auf katholischer Seite das kirchenamtliche Bestreben, den "monokonfessionellen Religionsunterricht zu sichern" (95). Gleichwohl sieht er Fortschritte auf der religionspädagogischen Ebene.

Konzeptionell wird an Stelle der Abgrenzung der Konfessionen zur Identitätswahrung, die als Voraussetzung für die Entstehung von Konfessionskirchen gesehen wird, eine gemeinsame christliche Identität gefordert. Im RU werden die "Konfessionskirchen" vor die Aufgabe gestellt, sich "umfassender gemeinsam um ein Christsein heute, um die Auseinandersetzung um Religion und Christentum in unserer Gesellschaft, um die Sensibilisierung der religiösen Dimension etc. zu bemühen" (151). Die Religionspädagogik wird zum Schrittmacher für den ökumenischen Prozess, es entsteht eine gemeinsame Tradition und eine neue gemeinsame Identität. Didaktisch wird K. E. Nipkows Modell eines "ökumenischen Lernens" aufgenommen und fortgeführt, das eine konfessionelle Positionalität voraussetzt. Im Gegensatz zu einer nachkonfessionellen Bewusstseinslage findet ökumenisches Lernen in der Spannung unterschiedlicher Prägungen statt. Auch wenn eine pädagogische Konzeption für das ökumenische Lernen nach Ansicht Sch.s noch aussteht, führt er vier "didaktische Grundprinzipien" aus (164-168): 1. "Das Globale im Lokalen entdecken." 2. "Lernen in Beziehungen." 3. "Sich selbst mit den Augen der anderen sehen." 4. "Lernen in Konflikten und solidarischer Praxis." Diese Konzeption des ökumenischen Lernens versteht sich selbst als Unterrichtsprinzip und nicht als Unterrichtsgegenstand.

Durch die gesamte Untersuchung zieht sich das Bemühen des Vf.s, vor allem seine eigene Kirche für eine stärkere Öffnung des RU zu gewinnen. Intensiv sucht er nach Ansatzmöglichkeiten für die im evangelischen Bereich entwickelten didaktischen Vorstellungen von einem ökumenischen Lernen in der katholischen Tradition. Insofern ist das Buch gerade für die innerkatholische Diskussion von besonderer Bedeutung; aber auch für die Religionspädagogik insgesamt ist die Schrift von Interesse, weil ein differenziertes Modell eines kooperativen RU entwickelt wird, ohne die konfessionelle Prägung zu vernachlässigen.