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Ausgabe:

Dezember/2001

Spalte:

1322–1324

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Noormann, Harry, Becker, Ulrich, u. Bernd Trocholepczy [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Ökumenisches Arbeitsbuch Religionspädagogik.

Verlag:

Stuttgart-Berlin-Köln: Kohlhammer 2000. 325 S. gr.8. Kart. DM 39,90. ISBN 3-17-015762-0.

Rezensent:

Gert Otto

Das von einem katholischen und zwei evangelischen Autoren herausgegebene Buch gliedert sich in drei Hauptteile ungefähr gleichen Umfanges, deren Unterabschnitte von fünfzehn verschiedenen Verfassern stammen (zehn evangelische, fünf katholische). Teil I bietet: Grundlagen (13-93), Teil II: Didaktische Landkarten (115-189) und Teil III: Unterrichtskonzepte und Planungshilfen (193-304). Glossar, Sach- und Personenregister schließen sich an.

Teil I wird mit zwei vorwiegend religionswissenschaftlich orientierten Kapiteln von Harry Noormann eröffnet, in denen es einerseits um Religion und Religiosität und andererseits um Religionsfreiheit, Religionskompetenz und Religionsdialog geht. Es schließt sich ein religionspsychologisches Kapitel von Lothar Kuld an. Der Grundlagenteil wird durch Ausführungen über Person und Beruf von Religionslehrerinnen und -lehrern (Matthias Hahn) sowie über die Stellung des Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen (Ulrich Becker) abgerundet. Die "didaktischen Landkarten" des II. Teils markieren "Fluchtpunkte religionspädagogischer Praxis und Theorie" (Bernd Trocholepczy) und informieren über die (neuere) Geschichte der Didaktik des Religionsunterrichts (Harry Noormann) sowie über gegenwärtige religionsdidaktische Ansätze und deren spannungsreiches Verhältnis zueinander (diverse Autoren). Den Abschluss bilden "Konturen einer ökumenisch-konziliaren und interreligiösen Didaktik" (Ulrich Becker). Teil III beginnt mit einer umfänglichen Darstellung der Unterrichtsvorbereitung "als didaktischer Denkprozeß" (Christine Lehmann). Ein kürzerer Abschnitt über den schriftlichen Entwurf der Unterrichtsvorbereitung schließt sich an (Kirsten Hanf). Weiterhin werden unter dem Oberbegriff Unterrichtsvorbereitung "Kurzporträts religionsdidaktischer Brennpunkte" geboten, z. B. ästhetisches Lernen, erfahrungsbezogenes Lernen, konfessionelle Kooperation u. a. (diverse Autoren). Die angefügten "Lexikalischen Stichworte" betreffen so unterschiedliche Gegenstände wie z. B. Fachzeitschriften, Geschlecht und religiöses Lernen oder das neue brandenburger Unterrichtsfach Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde u. a.

Angesichts zahlreicher vorliegender Einführungen in die Religionspädagogik wird man das Buch an seinem im Titel formulierten hohen Anspruch messen müssen, eine "ökumenische" Religionspädagogik bieten zu wollen. Wie weit wird dieser Anspruch eingelöst? Die Antwort fällt bescheiden aus. Der Hauptgrund dafür liegt in der Tatsache, dass offensichtlich nicht ein klar umrissener Begriff ökumenischen Lernens als verbindliche Grundorientierung für alle Autorinnen und Autoren vorgegeben worden ist. So bleibt in vielen Kapiteln völlig unklar, was hier eigentlich ökumenisch sein soll - bis hin zu der Tatsache, dass nicht selten einfach eine evangelisch oder katholisch (je nach Verfasser) orientierte Darstellung ohne jeden Seitenblick geboten wird. Ebenso irritiert es, dass z. B. Judentum oder Islam nicht einmal stichwortartig im Sachregister auftauchen.

Diese Defizite sind um so bedauerlicher, als es bei zwei Autoren durchaus klar erkennbare Ansatzpunkte für eine ökumenische Religionsdidaktik gibt - wenn nur die Autorinnen und Autoren der anderen Abschnitte darauf eingegangen wären! Harry Noormanns Grundlagenkapitel (I.1 und I.2) bieten eine brauchbare religionswissenschaftliche Fundierung religionspädagogischer Reflexionen (wenn auch die evangelische Perspektive z. T. eine gewisse Dominanz behält). Das vom selben Autor stammende Kapitel II.2 (Didaktikgeschichte) ist durchgängig bikonfessionell angelegt. Hier werden wenigstens andeutungsweise Wege erkennbar, wie die Engführungen einseitig evangelischer oder katholischer Religionspädagogik überwunden werden könnten. Dies wird noch greifbarer, wenn man mit Noormanns Ausführungen die Überlegungen des erfahrenen Ökumenikers Ulrich Becker verbindet (181 ff.), die freilich fast versteckt in der Auflistung diverser religionsdidaktischer Ansätze verborgen sind. Dabei markieren sie das Programm eines ökumenischen Arbeitsbuches! Beckers Verständnis von ökumenischer Didaktik hat seinen Ausgangspunkt in Ernst Langes Formel, nach der es sich um eine "Theorie und Methode für das Erlernen des Welthorizontes" handelt. Becker interpretiert: Aufgabe einer ökumenischen Didaktik "soll es sein, Menschen die Augen für die Zusammenhänge zwischen Kirchen und Kulturen, zwischen Menschen in ihrer unendlichen Vielfalt ... zu öffnen." Daraus ergibt sich für Becker folgerichtig: "Ökumenisches Lernen schließt interkulturelles wie interreligiöses Lernen ein, läßt so die Vielfalt des Lebens auf der einen Erde erfahren und fordert dadurch zur Selbstreflexion und zur Ausbildung einer eigenen Identität heraus. So enthält ökumenisches Lernen die Bereitschaft zum Dialog mit den fremden Anderen und deren Traditionen, Religionen und Ideologien" (182 f.). Nach dem Titel des Buches musste der Leser erwarten, von solcher Weichenstellung in einem "Ökumenischen Arbeitsbuch" durchgängig für den Unterricht etwas zu erfahren, z. B. auch in dem wichtigen Kapitel über Unterrichtsvorbereitung, aber stattdessen findet er dort eine Zusammenstellung allgemein-didaktischer Gesichtspunkte, wie man sie überall nachlesen kann.

Schließlich noch einige Einzelheiten: Es verwundert, dass bei mehrfacher Erwähnung von Helmuth Kittel durch verschiedene Autoren in keinem Fall auf Folkert Rickers' grundlegende Studien zur Religionspädagogik im ,Dritten Reich' verwiesen wird (Zwischen Kreuz und Hakenkreuz, Neukirchen 1995, bes. 1 ff.37 ff.60 ff.) - Dass in den Arbeitsaufgaben die Leser persönlich angesprochen werden ("Sie"), ist plausibel. Dass dies aber auch in vielen Kapiteln im diskursiven Text geschieht, ist ein Stilbruch. Ein Buch ist kein Brief. - Die Gliederung des Buches überzeugt nur teilweise. Warum gibt es z. B. zwei unverbunden nebeneinander stehende Kapitel zur Unterrichtsvorbereitung (III.1 und III.2)? - Warum stehen die "Kurzportraits" religionsdidaktischer Brennpunkte unter dem Titel "Unterrichtsvorbereitung"? Übrigens ist mir auch neu, dass man Brennpunkte porträtieren kann. - Welchen Sinn haben die "Lexikalischen Stichworte"? Ihre Auswahl erscheint willkürlich. Inhaltlich hätten die Ausführungen mühelos an jeweils entsprechender Stelle in den einzelnen Kapiteln untergebracht werden können. - Stichproben zeigen, dass das Personenregister unvollständig ist.