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Ausgabe:

Dezember/2001

Spalte:

1315 f

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Gottwald, Eckart

Titel/Untertitel:

Didaktik der religiösen Kommunikation. Die Vermittlung von Religion in Lebenswelt und Unterricht.

Verlag:

Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag 2000. 160 S., 12 Abb. auf 9 Taf. Beilage: Bildteil farbig. 8. Kart. DM 48,-. ISBN 3-7887-1784-X.

Rezensent:

Reinhard Wunderlich

Gleich in seinem ersten Kapitel "Wahrnehmungen: Lebenswelt und Transzendenz" (13-23) und verstärkt im vierten Kapitel "Konkretionen: Sich finden zwischen Wahrnehmen und religiösem Verstehen" (97-125) löst G. in und mit exemplarischen Analysen massenmedialer Produktionen wie z. B. religionshaltigen Werbe-Inszenierungen, dem Kinohit "Der König der Löwen", aber auch anspruchsvollen Filmen wie "Das Gespenst" und "Der Himmel über Berlin" u. v. a. m. das ein, was er im dritten Kapitel "Entwurf: Didaktik der religiösen Kommunikation" (67-96) als eine zeitgemäße "neue Bestimmung religiöser Bildung" nachdrücklich einfordert und entwickelt: Die Beachtung der Soziokultur, der Anthropogenese sowie des kommunikativen Handelns "im produktiven Wechselspiel zwischen Personen als Subjekten untereinander und in ihrer gemeinsamen Lebenswelt bzw. Alltagskultur" (67).

Ein beigelegter farbiger Bildteil ergänzt anschaulich das klar gegliederte, flüssig und verständlich geschriebene Buch, das eine Teilveröffentlichung der Habilitationsschrift des versierten Mediendidaktikers darstellt, seine Theorie hier aber um die "Curriculare Dimension: Interreligiöses Lernen im integrierten Lernbereich" (127-144) als fünftes Kapitel (bezogen auf das sog. "Duisburger Modell") erweitert. Kleinste Relikte aus der Vollfassung (?) wie etwa die Abbildungsbezifferungen S. 56 und 90 oder fehlender Autoren-Nachweis in Anm. 251 sind vernachlässigbar.

Vor allem im zweiten Kapitel "Argumente: Religion und Kommunikation" (25-66) stellt G. die theoretischen Weichen. Um die zunehmend nicht-institutionalisierte religiöse Kommunikation in unserer Gesellschaft in ihren rezeptiven und produktiven Mechanismen zu verstehen, muss Religion als kulturelles Symbolsystem gefasst werden, für das ausschließlich die Religionswissenschaft als eine eigenständige Kultur- und Sozialwissenschaft zuständig ist. Das von Menschen "selbstgesponnene Bedeutungsgewebe" (so der zentral zitierte Ethnologe Cl. Geertz) entstehe durch die anthropologisch notwendige Selbsttranszendierung des Menschen angesichts seiner wahrgenommenen Endlichkeit (mit Bezug auf die klassische philosophische Anthropologie und die Wissenssoziologie, aber ohne deren mögliche theologische Thematisierung!). Eine solchermaßen erfolgende symbolische Konstruktion von Wirklichkeit (die als solche bereits religiös ist) hat in der medienspezifisch vertikal und virtuell strukturierten Kommunikation (im Unterschied zur horizontalen face-to-face-Kommunikation) ihr bevorzugt wahrzunehmendes (religionsdidaktisch zu begleitendes) Anschauungsfeld:

- das aktive Zuschauerhandeln, wie es die modernen Medientheorien herausstellen, korrespondiere sinnfällig mit einem semiotisch akzentuierten Symbolverständnis, wonach allein der Gebrauch die (religiöse) Bedeutung konstituiere;

- die massenmedial endlich verwischte, nicht mehr zeitgemäße Unterscheidung zwischen populärer und hoher, religiöser und säkularer Kultur bringe durch ihre alltagspraktische Wendung die wahre Fülle und pluralitätskompetente Transkulturalität und Interreligiosität in die religionspädagogische Perspektivierung zurück.

Der immanente Maßstab für religiöse Bildung als subjektiv verantwortete Bindungsfähigkeit (94) wird dem Anspruch nach zwar im "biblisch-reformatorischen Menschenbild" verankert (95) - was m. E. (historisches) Verstehen voraussetzte -, ausgeführt erscheint jedoch nur der Verweis auf die Einübung von "Perspektivenwechsel" als Potential für (selbst- und ideologie)kritische Verständigung. (66; 93 u. ö.)

Diese eigentümliche Ausblendung explizit christlich-theologisch-substantieller Vermittlung mit dem religionswissenschaftlich-funktionalen Duktus der Ausführungen ist m. E. die Schwachstelle des ganzen Entwurfs: Da wird z. B. die theologische Engführung der Biehlschen Symboldidaktik beklagt (82), gleichzeitig aber eine konfessionelle Engführung angedeutet (mit der im Kontext wunderlichen Spitze gegen "Erzeugniss[e] aus Menschenhand"; 95), am Ende gar eine "eindeutig feststehende christliche Position" gegenüber fundamentalistischen Subjektivismen behauptet (135), und dennoch die gesamte Argumentation konstruktivistisch ausgerichtet.

Die Integration von - geschichtlich spezifisch erwiesener - "Treue Gottes" und - verständigungsangewiesenem -"Trauen der Menschen" (vgl. 64 nach Fraas) findet entsprechend auch keine Aufnahme im "Integrierten Curriculum Religion" (141 ff.), das die Anschlussfähigkeit aller Religionen und Weltanschauungen an die kommunikative Generierung von (religiösen) Symbolen in einem Schulfach behauptet, ohne wenigstens (!) eine christlich-theologische Plausibilisierung kohärent zu entfalten.

"Das Wahre zu erfinden" sei viel besser als es nachzuahmen, sagt der "Massenmedienprofi" G. Verdi. Solchen erfundenen Wahrheiten adäquat nachzuspüren hilft uns der Religionsdidaktiker E. Gottwald. Aber zum Durchschauen von Illusionen gehört auch gefundene Wahrheit (die sich christlicherseits finden und schulisch vermitteln lässt in der Selbstunterscheidung von Gott).