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Ausgabe:

Dezember/2001

Spalte:

1309–1311

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Schwarz, Hans

Titel/Untertitel:

Eschatology.

Verlag:

Grand Rapids-Cambridge: Eerdmans 2000. XV, 431 S. 8. Kart. $ 26.-. ISBN 0-8028-4733-1.

Rezensent:

Friedrich Beißer

Der Stoff der Eschatologie ist sehr weitläufig und komplex, und ihre Probleme sind ebenso schwierig wie umstritten. So bildet die von S. vorgelegte Gesamtdarstellung auf jeden Fall eine sehr anerkennenswerte Leistung.

Die Hauptteile des Buches sind: I. "Die Entdeckung der Zukunft" (v. a. über Altes und Neues Testament), II. "Die vielfältigen Gesichter von E." (über verschiedene neuere theologische Auseinandersetzungen, über heutige weltanschauliche Herausforderungen, über zeitgenössische religiöse Bewegungen usw.), III. "Worauf können wir hoffen?" - darin zuerst über Tod, Unsterblichkeit, Auferweckung und Zwischenzustand; dann zu den Auseinandersetzungen über Chiliasmus, über die Allversöhnung und über das Fegfeuer; schließlich über die erwartete neue Welt. In diesem Zusammenhang zuerst von der Kirche als der Prolepse der Vollendung, dann über die Aufhebung der Welt, das Endgericht u. a. und zuletzt (recht kurz) über die Neue Welt selbst.

Die Sprache ist m. E. verständlich und gut lesbar. Mir scheint freilich, dass der (hier vorliegende) englische Text mehr der deutschen Diktion entspricht.

Bei dem Vielen, das hier berührt wird, kann nicht alles in derselben Weise sorgfältig bearbeitet und belegt werden. Der Autor verweist auf viele Literatur. Im exegetischen Teil sind seine Gewährsleute z. T. nicht gerade die neuesten. Manche wichtigen Bücher sind nur mit Unwichtigem zitiert, nicht aber wirklich aufgenommen (das gilt z. B. von G. Sauters glänzender Einführung in die Eschatologie oder auch vom HSTh). Das ist schade, aber bei einer derart umfangreichen Untersuchung begreiflich.

Die folgende Rezension hält sich in erster Linie an die systematisch-theologischen Positionen des Autors.

Es erheben sich zunächst zwei Grundfragen, (1) die nach dem Begriff: Was heißt "Eschaton" bzw. "Eschatologie"? und (2.) die nach der Begründung: Weshalb und auf welcher Grundlage ist sie zu betreiben?

Die erste dieser Fragen wird weder gestellt noch explizit beantwortet. Implizit setzt sich S. freilich damit auseinander, sofern er verschiedene andere neuere Entwürfe kritisch erörtert. Er setzt (als Eschaton) voraus, dass mit einer Vollendung in zeitlicher Zukunft zu rechnen sei bzw. dass der Tod uns mit diesen Themen konfrontiere. (Wie das beides miteinander zusammenhängt, weshalb also der "Tod" innerhalb der Eschatologie zu behandeln ist, wird nicht deutlich.)

Zur zweiten Frage erklärt S., dass Eschatologie "biblisch" begründet werden müsse. Dem ist m. E. voll zuzustimmen. Freilich erheben sich von da aus noch viele weitere Probleme. Das zeigt die Darstellung von S. selbst. Zum Alten Testament führt er (zutreffend) aus, dass dort zunächst mit einem Fortleben nach dem Tode nicht gerechnet werde. Erst in späten Zeiten (der Apokalyptik) kommt ein "eschatologisches Fieber" zum Ausbruch. Demnach scheint aber dieser Teil der Schrift keinen rechten Anhalt zu liefern für eine Eschatologie. (Es wäre erforderlich zu prüfen, in welchem inhaltlichen Zusammenhang die spät aufkommende Eschatologie mit dem Jahwe-Glauben steht bzw. auf welche Weise sie denn entstand. Aber darauf werden auch von anderen Autoren kaum Auskünfte erteilt.)

Was das Neue Testament betrifft, so stellt S. eine Reihe von neueren Auslegungen zutreffend dar. Er selbst hält sich vor allem an Pannenberg. Daraus möchte er entnehmen, dass Jesus selbst schon die "Selbstoffenbarung Gottes" gewesen ist. Jesus ruft daher diejenigen, die ihm begegnen, in die eschatologische Entscheidung (wie es unter Anklang an Bultmann heißt). Der Glaube ist die maßgebliche Entscheidung. Daher konnte auch die Parusieverzögerung kein wirkliches Problem mehr bilden. Daran ist m. E. Sinnvolles. Nur frage ich mich, ob man diese eschatologische Entscheidung wirklich direkt schon bei Jesus verorten kann. Nach dem Neuen Testament ist die entscheidende Erfüllung vor allem anderen im Tode Jesu Ereignis geworden. Will man ihm folgen, dann muss man sowohl den Glauben wie auch die eschatologische Vollendung vom Kreuz und von der Auferstehung Jesu her begründen. Das geschieht bei S. aber nicht. So bekommt die eschatologische Vollendung einen etwas zweifelhaften Status. Wenn nämlich schon der Glaube das eschatologische Heil gewinnt, warum ist dann eigentlich noch eine weitere Vollendung erforderlich?

In seiner Lehre vom Tod vertritt S. die Lehre vom Ganztod und kämpft gegen die Unsterblichkeitslehre, so wie das in der evangelischen Theologie im 20. Jh. weithin üblich geworden ist. Ein Hauptargument liefert der Hinweis auf die Naturwissenschaften, die uns ja zeigen, dass ein Leben ohne Tod nicht möglich sei. (So seit Schleiermacher viele, z. B. auch P. Althaus.) Freilich macht man damit Gott, den Schöpfer, zum direkten Urheber des Todes. Barth hat diese (notwendige) Konsequenz auch gezogen, indem er dem Schöpfer zuschreibt, dieser habe uns eine gottgewollte gute Endlichkeit verordnet. Und was den Menschen anlangt, so kann er eigentlich nur mehr dieses Leben im Diesseits als sein einziges haben. S. will freilich eine Auferstehung unbedingt festhalten. Wie soll diese aber dann noch möglich sein? Ganz ernst ist es mit dem Ganztod zum Glück doch nicht. Nicht nur ist die Auferstehung prinzipell eine Erweckung des ganzen Menschen, also gerade seines Leibes. Vor allem soll unsere neue Existenz in personaler Identität mit unserer alten Bestand haben.

Die Probleme des Zwischenzustands scheinen sich dadurch zu lösen, dass mit dem Tode anscheinend auch die Zeit erlischt. Gottes Ewigkeit scheint alles in sich aufzusaugen. Gibt es ein Eschaton ohne ein Wann?

Zur Allversöhnung wird vieles Informative geboten. Gegen Origenes und andere wird mit Nachdruck darauf verwiesen, dass die Bibel einen doppelten Ausgang lehre. Freilich wird dagegen gestellt, dass der Tod Christi und dass die Gnade Gottes doch universale Geltung haben müssen. So scheint diese Frage letztlich offen zu bleiben.

Im Umfeld der 68er hatte man vor allem eine Vorausverwirklichung des Reiches Gottes hier auf Erden gefordert. S. nimmt dies auf und wendet es in bemerkenswerter Weise um: Solche Prolepse gibt es in der Tat, aber in der Kirche. In ihr (in ihren Gottesdiensten) vollzieht sich heute eschatologisches Geschehen. M. E. liegt darin Wahres, wenn auch etwas zu einseitig positiv dargestellt.

Die Überlegungen zum Jüngsten Gericht sind nicht schlecht, aber etwas dürftig und dürr. Ist dies nicht der Ort, an dem Gott seinen Sieg über die Sünde voll durchsetzt? Haben wir dann nicht am Ende Grund genug, uns darauf zu freuen? Überhaupt kommt das Ende selbst recht knapp weg. Kann eine solche Hoffnung überhaupt leuchten?

Wie soll man freilich von der Vollendung Gottes heute schon vollendet reden können? Trotzdem ein m. E. lesenswertes Buch.