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Ausgabe:

Dezember/2001

Spalte:

1287–1289

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Hoffmann, Peter

Titel/Untertitel:

Anton Friedrich Büsching (1724-1793). Ein Leben im Zeitalter der Aufklärung.

Verlag:

Berlin: Berlin-Verlag 2000. 322 S. gr.8 = Aufklärung und Europa. Kart. DM 68,-. ISBN 3-8305-0022-X.

Rezensent:

Hans-Martin Kirn

Die vorliegende Monographie bietet erstmals eine zusammenhängende Darstellung von Leben und Werk Anton Friedrich Büschings. Büsching hat sich vor allem durch seine Leistungen im Bereich der Geographie einen Namen gemacht, ist aber auch in Pädagogik und Schulreform, Geschichtswissenschaft und Statistik, Russlandkunde und Theologie hervorgetreten. Der Autor, schon durch verschiedene Veröffentlichungen zu Büsching bekannt, führt die ganze Weite dieses vielseitig interessierten und engagierten Sammler- und Forschergeistes der Aufklärungszeit anschaulich vor Augen. Die Arbeit kann sich in Vielem auf die ungedruckte Dissertation von Michael Pantenius (Anton Friedrich Büsching und Rußland ..., Halle 1984) stützen.

Ein erster Teil ist der Biographie Büschings gewidmet, für die noch immer die "Eigene Lebensgeschichte" (Halle 1789) grundlegend ist. Geschildert werden die zentralen Stationen des Lebensweges: Kindheit und Jugend im westfälischen Stadthagen (frühe pietistische Einflüsse), theologische Ausbildung in Halle (S. J. Baumgarten) und Lehrpraxis an den dortigen Schulanstalten, Hauslehrerzeit und erste Rußlandreise, Professur in Göttingen an der Philosophischen Fakultät (seine Konzeption einer rein "biblischen" Theologie macht den Übergang in die theologische Fakultät unmöglich), Tätigkeit als Prediger und Schulleiter in Sankt Petersburg (Schulreformen nach Hallischem Vorbild: Einführung von Fachunterricht; Mädchenschule, Pensionat) und schließlich als Schuldirektor und Oberkonsistorialrat in Berlin (Fortsetzung des schulreformerischen Wirkens).

Ein zweiter Teil der Monographie folgt thematischen Schwerpunkten. Vorausgeschickt werden hilfreiche Beobachtungen zu Büschings Arbeitsweise, seiner Bibliothek und Landkartensammlung (letztere gelangte mit der von Katharina II. aufgekauften Bibliothek nach Rußland) sowie zum bislang noch ungenügend erschlossenen Briefwechsel. Der erste Abschnitt stellt Büsching als Geograph vor. Dabei wird u. a. deutlich, wie stark die Arbeiten an der "Erdbeschreibung", dem am meisten benutzten geographischen Handbuch der 2. Hälfte des 18. Jh.s, trotz aller Dominanz der "Fakten" schöpfungs- und geschichtstheologisch motiviert bleiben. Es folgen Abschnitte zu Geschichte und Statistik sowie zu Büschings erfolgreichem Wirken als Herausgeber historisch-geographischer Periodika. Die historiographischen und rußlandkundlichen Leistungen Büschings nötigen naturgemäß zum Vergleich mit bekannteren Zeitgenossen wie J. Chr. Gatterer und A. L. Schlözer. Der Letztere kann weiterhin auf dem Gebiet der älteren russischen Geschichte als der Überlegene gelten, nicht aber im Bereich der neueren russischen Geschichte und der Statistik. Der Abschnitt zu Büschings Bedeutung als Pädagoge zeigt anschaulich, wie sich dieser in unterschiedlichen Kontexten um die Verwirklichung seiner von Halle geprägten Vorstellungen bemühte und damit auch im 18. Jh. schnell Anerkennung fand. Dies bezeugt nicht zuletzt das positive Urteil J. G. Herders im "Reisejournal" von 1769.

Weniger erhellend gestalten sich die Ausführungen über die Bedeutung der theologischen Fragen im Werk Büschings, für die der pietistische Hintergrund eine wichtige Rolle spielt. Mehr als eine weiträumige Annäherung, die vielfach im Bann älterer Literatur verbleibt, gelingt leider nicht, doch ist sich der Autor der Defizite bewusst.

So muss man sich mit kurzen Charakterisierungen der Veröffentlichungen Büschings etwa zur Frage der lutherischen Bekenntnisbindung (1770) und- anonym - zur Einführung des neuen Gesangbuchs (1781) und seiner kirchenpolitischen Haltung (Ablehnung des sog. Wöllnerschen Religionsedikts im Kreis der Amtskollegen Diterich, Sack, Spalding und Teller) begnügen. Immerhin zeichnet sich ab, dass Büschings Konzentration auf Bibel und religiöse Innerlichkeit pietistische und aufklärerische Grundmotive verbindet und in ein moderat-aufklärerisches, orthodoxer wie pietistischer Parteilichkeit abgeneigtes Toleranzdenken überführt - was Büsching freilich noch nicht zwangsläufig zum Neologen macht. Der spannende Transformationsprozess selbst bleibt, wenn es ihn denn gegeben hat, weiterhin im Dunkeln.

Der Schlussabschnitt, der auf relativ gut erforschtes Gebiet führt, unterstreicht Büschings große Bedeutung für die deutsche Rußlandkunde seiner Zeit.

Angesichts der zahlreichen gewichtigen, im Ausblick nochmals aufgeführten Forschungsdesiderate bleibt bei aller Anerkennung am Ende ein etwas zwiespältiger Eindruck: Angesagt ist eine zusammenfassende Darstellung von Leben und Werk Büschings, aber in Wahrheit ist es dazu noch zu früh. Immerhin: Die Aufgaben sind gestellt. - Den gut lesbaren und sorgfältig erarbeiteten Band beschließt eine kurze Chronik, eine Bibliographie im Vorstadium ("Materialien zu ...") und ein Namensregister.