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Ausgabe: | Oktober/1998 |
Spalte: | 1038 f |
Kategorie: | Religionspädagogik, Katechetik |
Autor/Hrsg.: | Pithan, Annebelle |
Titel/Untertitel: | Religionspädagoginnen des 20. Jahrhunderts. |
Verlag: | Göttingen-Zürich: Vandenhoeck & Ruprecht 1997. 451 S. m. 23 Abb. gr.8. Kart. DM 48,-. ISBN 3-525-61353-9. |
Rezensent: | Birgit Marchlowitz |
Auf den Spuren religionspädagogischer Mütter gewinnt Frauengeschichte neue Gesichter: widerständige und angepaßte Frauen, solche mit konservativem Weiblichkeitsverständnis und erste Vorkämpferinnen für die akademische Laufbahn der Frau. Der Sammelband bietet eine bunte Galerie unterschiedlichster Frauentypen, interessant aus religionspädagogischer Sicht, aber auch unter zeitgeschichtlicher Perspektive. Dargestellt sind 20 ausführliche und 46 kurze Porträts von Frauen des ausgehenden Kaiserreiches bis in die siebziger Jahre. Eingang fanden - bis auf die Österreicherin Herline Pissarek-Hudelist - nur Frauen aus Deutschland, dafür wurden sowohl Katholikinnen wie Protestantinnen berücksichtigt.
Imposant ist etwa die Gestalt von Ilse Peters, erste Professorin auf dem Gebiet der Religionspädagogik. Sie ist in mehrfacher Hinsicht Vorreiterin, so plädierte sie z. B. frühzeitig für die Aufnahme des Themas "Kirche und Juden" in die Lehrplanarbeit. Oder Magdalene von Tilling, die mit ihrem schöpfungstheologischen Ansatz reformpädagogische Gedanken in den Religionsunterricht einzutragen versuchte. Prägend in Ostdeutschland war Ingeborg Becker, die beim Aufbau wie der Lehrtätigkeit des Burckhardthauses entscheidend mitwirkte. Ganz besonders vielseitig gestaltet sich das Leben von der Katholikin Isa Vermehren: Kabarettistin, Inhaftierung, Ordensfrau und Fernsehsprecherin bei "Wort zum Sonntag".
Insgesamt zeigt es sich, daß Frauen auf unvergleichlich mehr Widerstände gestoßen sind, wenn sie beruflich engagiert in gesellschaftliche Zusammenhänge eingreifen wollten. Viele nahmen das Zölibat auf sich, viele fanden nur einen Platz in zweiter Reihe, viele wirkten im Hintergrund, weil ihnen als Frauen zentrale Positionen verwehrt wurden. Insofern liest sich der Band fast so wie eine Martyrologium. Aber genau dieser Eindruck ist Anlaß für Kritik. Die ikonengleiche Stilisierung von Frauen ist zwar spannend zu verfolgen, doch für die religionspädagogische Arbeit trägt sie nichts aus. Es scheint, als ob die Frauen sich weniger über ihre Inhalte als über ihre integere Persönlichkeit zu profilieren hätten. Der bewußt biographisch gewählte Zugang zur Frauengeschichte (13) macht die Frauen zwar als Person bekannt, aber in der religionspädagogischen Geschichtsschreibung werden sie dadurch nicht rezipiert. Sinnvoller wäre hier eine fundierte inhaltliche Inrelationssetzung gewesen, die versucht, die religionspädagogische Arbeit von Frauen mit der herkömmlichen Religionspädagogik in Beziehung zu setzen. Geistesgeschichtliche Einordnung, Vorstellung von Konzeptionen und theologischen Ansätzen - dies wäre eine Arbeit, die man nicht hätte übergehen können. Leider bleibt das Buch in dieser Hinsicht eigentümlich stumm.
So wird z. B. bei den Veröffentlichungen von Ingeborg Becker global resümiert - "Zahlreiche Artikel in den Bibelhilfen, in Halt uns bei festem Glauben, Zeichen der Zeit und Die Christenlehre" (176). Wieso bleibt diese Literatur unbearbeitet? Auch das Unterrichtswerk von Gertrud Grimme wird didaktisch nicht ausgewertet. Die interessierte Leserin muß sich allein mit den Kapitelüberschriften der Schulbücher zufrieden geben. Die political correctness wird es gebieten, daß jeder Mann das Buch als Desiderat der Forschung preist, doch allein die biographischen Angaben werden den Frauen noch keinen Platz in der Religionspädagogik erobern.