Recherche – Detailansicht
Ausgabe: | Oktober/1998 |
Spalte: | 1036–1038 |
Kategorie: | Religionspädagogik, Katechetik |
Autor/Hrsg.: | Böhme-Lischewski, Thomas, u. Hans-Martin Lübking |
Titel/Untertitel: | Engagement und Ratlosigkeit. Konfirmandenunterricht heute - Ergebnisse einer empirischen Untersuchung. |
Verlag: | Bielefeld: Luther 1995. 283 S. 8. Kart. DM 36,-. ISBN 3-7858-0363-X. |
Rezensent: | Gottfried Adam |
Die Arbeit mit Konfirmandinnen und Kofirmanden stellt einen wichtigen Arbeitsbereich pfarramtlicher Tätigkeit dar. Da nach wie vor die überwiegende Mehrzahl der Jugendlichen zum Konfirmandenunterricht geht, ist auch von der Zahl der Personen her die diesbezügliche Tätigkeit umfangreich. Angesichts dieser Sachlage ist es erstaunlich, daß dies Arbeitsfeld bisher empirisch kaum erforscht wurde.
Die Verfasser weisen im Vorwort daher auch darauf hin, daß am Anfang das Erstaunen darüber stand, daß der Konfirmandenunterricht bislang eher Gegenstand von Vermutungen gewesen sei, als daß genauere empirische Bestandsaufnahmen vorlägen. In der Fortbildungspraxis taucht zudem das Problem auf, daß die Realität des eigenen Unterrichts häufig ganz anders empfunden wird, als sie in der theoretischen und praktischen Literatur vorausgesetzt wird.
Die Autoren wollten daher genauer herausfinden, wie der Konfirmandenunterricht nun tatsächlich aussieht. Den Kern der vorliegenden Untersuchung bildet eine Befragung von Pfarrern und Pfarrerinnen der Evangelischen Kirche von Westfalen, die im Jahre 1992/93 durchgeführt wurde.
Der Band wird eröffnet mit einer Situationsbeschreibung über den "Konfirmandenunterricht in einer Umbruchsituation". H.-M. Lübking faßt hier die wesentlichen Ergebnisse der Untersuchung in 20 Punkten zusammen (15-32). Auf einige überraschende Einsichten sei hingewiesen. Der Konfirmandenunterricht ist von seiner äußeren Form her weitgehend Wochenstundenunterricht. Er hat sich auf geringer werdende zeitliche Spielräume einzustellen. Die behinderten Jugendlichen sind in einem überraschend hohen Maße in die Unterrichtsgruppen integriert. Die Pfarrerinnen und Pfarrer sind mehrheitlich für den Unterricht hoch motiviert, aber sie fühlen sich für diese Aufgabe unzureichend ausgebildet. Der Unterricht hat freilich in der alltäglichen Arbeit nicht jene Priorität, die die Pfarrer selbst für notwendig halten. Mittel und Ziele stimmen häufig nicht überein: So ist der Unterricht in starkem Maße auf Stoffvermittlung aus, während die Unterrichtenden den Jugendlichen gerade begreiflich machen möchten, daß christlicher Glaube etwas mit ihren Fragen und Problemen zu tun hat. In methodischer Hinsicht ist eine Reihe von Problemen festzustellen. Als positiv und weiterführend hat sich die Beteiligung weiterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hinsichtlich der Methodik des Unterrichts ausgewirkt. Konfirmandenfreizeiten gehören zum "normalen Repertoire" heutiger Konfirmandenarbeit. Etwa jede(r) fünfte Jugendliche nimmt nach der Konfirmation weitere Angebote der Kirche oder der Jugendarbeit wahr.
Th. Böhme-Lischewski präsentiert sodann die Einzelauswertung der Befragung in Tabellenform und einer begleitenden Interpretation. Es geht dabei um folgende Bereiche: die Unterrichtenden, Ziele, formale Struktur, Methoden, Medien und Materialien, die Unterrichtsthemen, das Auswendiglernen, Schwierigkeiten der Unterrichtenden, die Konfirmandinnen und Konfirmanden und ihre Motivation, die Konfirmandeneltern, die Frage der Integration von Jugendlichen mit Behinderungen, die Stellung der Konfirmandenarbeit innerhalb der Gemeindearbeit und ihr Verhältnis zur Jugendarbeit. Der Fragebogen selbst ist auf den Seiten 249-277 abgedruckt.
Die Einzelergebnisse bestätigen z. T. die Ergebnisse anderer Befragungen. Es wird der Zusammenhang zwischen der Einschätzung des Auswendiglernens und den jeweils gewählten Unterrichtsmethoden deutlich erkennbar. Es wird ersichtlich, in welcher Häufigkeit einzelne Themen behandelt werden. Es zeigt sich im ganzen, daß die klassischen Themen des Konfirmandenunterrichts zum Zuge kommen. Offensichtlich werden die Themen von einer inhaltlichen Katechismusorientierung her strukturiert, obwohl der Katechismus selber nicht mehr das zentrale Unterrichtsmedium darstellt.
In weiteren Beiträgen werden folgende Fragen vertieft: jugendliche Religiosität (A. Feige), Einstellung der Pfarrerinnen/Pfarrer zum Konfirmandenunterricht (H.-M. Lübking), die Ziel- und Inhaltsthematik (M. Meyer-Blanck), der Stellenwert in der Gemeinde (W. Gräb), die Frage der Erlebnisgesellschaft und die Themen des Konfirmandenunterrichts (F. Sobiech),Aspekte der Elternarbeit (P. Hennig) sowie die Frage der Pfarrerausbildung für den Konfirmandenunterricht (C. Berthold).
Die Untersuchung dokumentiert die Situation der Konfirmandenarbeit im Bereich einer Landeskirche. Unser Blick für die Wahrnehmung des Arbeitsfeldes Konfirmandenarbeit wird deutlich sensibilisiert. Es wird erkennbar, daß die in der Evangelischen Kirche von Westfalen vor Jahren begonnene Förderung der Ausbildung für den Konfirmandenunterricht deutliche Früchte trägt. Es wird deutlich, an welchen Punkten in der Aus- und Weiterbildung künftig Schwerpunkte gesetzt werden müssen. Darüber hinaus ist das Buch ein wichtiger Beitrag zur Gesamtdiskussion um Ziele, Inhalte, Methoden und praktische Durchführung des Konfirmandenunterrichts.
Es ist den am Projekt beteiligten Personen zu danken, daß sie die Mühen einer empirischen Erhebung auf sich genommen und deren Auswertung öffentlich zugänglich gemacht haben. Es ist zu wünschen, daß künftig ähnlich umfassende Untersuchungen in anderen Regionen durchgeführt werden. Dadurch würde unsere Wahrnehmung sowohl der allgemeinen Probleme und Fragestellungen als auch der regionalspezifischen Aspekte der Konfirmandenarbeit gewinnen und zur weiteren Qualifizierung derselben beitragen können. Nicht zuletzt hat die Veröffentlichung auch dazu einen wichtigen Beitrag geleistet, daß wir etwas mehr über die inhaltliche und methodische Gestaltung des Konfirmandenunterrichts wissen, die nach dem Votum eines Kenners der Materie eines der am besten gehütesten Geheimnisse darstellt.