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Ausgabe:

Dezember/2001

Spalte:

1262–1264

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Horbury, William [Ed.]

Titel/Untertitel:

Hebrew Study from Ezra to Ben-Yehuda.

Verlag:

Edinburgh: Clark 1999. XIV, 337 S. gr.8. Lw. £ 39.95. ISBN 0-567-08602-X.

Rezensent:

Jutta Krispenz

Der Band "Hebrew Study from Ezra to Ben Yehuda" vereint fast ausschließlich Vorträge, die anlässlich des Treffens der British Association for Jewish Studies 1996 gehalten wurden. Den 22 Beiträgen ist - neben Angaben zu den Autoren - eine Einleitung des Hg.s, William Horbury, beigefügt, welche Zusammenfassungen der einzelnen Beiträge enthält, ergänzt durch einige zusätzliche Literaturverweise.

Die Beiträge werden auf sechs chronologisch geordnete Themenbereiche verteilt dargeboten: I: The Second Temple Period; II: Rabbinic and Early Christian Hebraists; III: Rome and Byzantium; IV: The Karaites; V: Christian Hebraists in Mediaeval and Early Modern Europe; VI: The Nineteenth and Twentieth Century. Ein knappes Literaturverzeichnis und vier Register (nach Autoren, Namen, Orten und Sachthemen) sind angefügt.

Den ersten Teil eröffnet der Beitrag "Hebrew and its Study in the Persian period". Joachim Schaper behandelt darin den Gebrauch und den Anfang gelehrten Umgangs mit der hebräischen Sprache, wie er sich aus den biblischen Texten erheben lässt.

James K. Aitkens Aufsatz "Hebrew Study in Ben Sira's Beth Midrash" knüpft seine Überlegungen an die Erwähnung des Beth Midrash in Sirach 51,23 und kommt zu dem Ergebnis, dass die Beschäftigung mit der hebräischen Sprache, wie auch ihre Verwendung in der Schrift Sirachs das Interesse an der Interpretation, dem richtigen Verständnis der tradierten biblischen Schriften spiegelt. Sirach erwartete für seine Zeit, dass die Verheißung an die Väter erfüllt, die Vorhersagen der Propheten sich als wahr erweisen würden.

Qumran, von Aitken schon mit in den Blick genommen, bildet das Hauptthema bei Jonathan Campbell, der über "Hebrew and its Study at Qumran" schreibt. Er untersucht angesichts der nun vollständig zugänglichen Schriften aus den Höhlen um Khirbet Qumran die Verteilung der Sprachen Hebräisch, Aramäisch und Griechisch auf verschiedene Texttypen: Dem Hebräischen wurde auch bei nichtbiblischen Texten häufig der Vorzug gegeben.

Jan Willem van Henten geht unter dem Titel "The Ancestral Language of the Jews in 2 Maccabees" der Frage nach, welche Sprache mit der in 2Makk öfter erwähnten "ancestral language" gemeint ist. Zu dieser Frage sucht H. eine Antwort in einer Auslegung der betreffenden Stellen unter der Vorannahme, das 2. Makkabäerbuch sei ein Dokument jüdischer religiöser Identität.

Den zweiten Teil eröffnet Philip Alexander mit einem Aufsatz zu der grundlegenden Frage "How Did the Rabbis Learn Hebrew?". Er beleuchtet darin das jüdische Schulwesen in spätantiker Zeit, das sich ihm in den Institutionen Beth Sefer, Beth Talmud und Beth Midrash darstellt, auf dem Hintergrund der in der Levante jener Zeit üblichen Form des Fremdsprachenerwerbs, der jedoch in der jüdischen Kultur als notwendiger Bestandteil religiöser Identität besonderes Gewicht erlangte.

Robert Hayward zeichnet in seinem Beitrag "St. Jerome and the Meaning of the High-Priestly Vestments" am Beispiel von Hieronymus' Einlassungen über die Gewänder des Hohenpriesters in dessen "Epistle LXIV to Fabiola" (90) ein Stück der Wirkungsgeschichte alttestamentlicher Texte nach und macht dabei die (jüdischen) Quellen sichtbar, auf die Hieronymus sich stützen konnte.

Dass Hieronymus unter Christen seiner Zeit mit seinen guten Hebräischkenntnissen eine Ausnahme war, zeigt Lawrence Lahey unter dem Titel "Hebrew and Aramaic in the Dialogue of Timothy and Aquila" aus eben jenem Dialog aus dem fünften Jahrhundert. In ihm behandeln sieben Abschnitte Begriffe der hebräischen Bibel in hebräischer oder aramäischer Sprache, von denen L. annimmt, dass sie zu einem großen Teil durch judenchristliche Kreise vermittelten jüdischen Traditionen entstammen.

Der zweite Teil schließt mit einer Arbeit des Hg.s, William Horbury, über "The Hebrew Matthew and Hebrew Study", die der Behandlung des Hebräischen in christlicher Theologie gewidmet ist. Den Traditionsfäden, die in der Suche nach einem hebräischen Urtext des Matthäusevangeliums auszumachen sind, und den Motiven, welche die Suche in Gang setzten, geht H. nach.

Der dritte Teil besteht aus zwei Beiträgen. David Noy referiert unter dem Titel "'Peace upon Israel': Hebrew Formulae and Names in Jewish Inscriptions from the Western Roman Empire" über epigraphische Zeugnisse dafür, in welchem Maße Juden in Westrom ihre Identität durch das Hebräische artikulierten und wie sie ihre Traditionen in griechischer und lateinischer Sprache zur Geltung brachten.

Den oströmischen Herrschaftsbereich betrachtet - gewissermaßen in seiner ganzen Geschichte - der Beitrag "A thousand Years of Hebrew in Byzantium" von Nicholas de Lange. Auseinandersetzungen um den Gebrauch des Hebräischen in der Synagoge, Übersetzungen der Bibeltexte ins Aramäische und Griechische und ein neu erwachendes Interesse an der hebräischen Sprache unter Rabbinen wie Karäern ab etwa 800 sind Themen dieses bisher wenig beachteten Teils jüdischer Geschichte.

Der vierte Teil des Buches ist den Karäern gewidmet und enthält (leider nur) zwei Arbeiten zu dieser für die hebräische Sprachwissenschaft so interessanten Richtung innerhalb des Judentums. Das Interesse der Karäer für die Arbeit an den theoretischen Grundlagen der Sprache beschreibt Judith Olszowy-Schlanger in ihrem Aufsatz "The Knowledge of Hebrew among Early Karaites, and its Use in Karaite Legal Contracts" folgendermaßen: "The central position occupied by the study of the Bible in Karaite ideology has served to explain their substantial interest in the Hebrew language and its grammar" (165). O.-S. beschreibt die Eigenart, welche die von den Karäern in Verträgen verwendete Form der hebräischen Sprache gewinnt.

Geoffrey Khans Beitrag behandelt "The Karaite Tradition of Hebrew Grammatical Thought". Die Karäer - und unter ihnen ist `Abu al-Faraj Harun ibn Faraj hervorzuheben - entwickelten bis zum 10. Jh. ein grammatisches Denken, das dem der Masoreten nahe stand, sich aber stark am Arabischen orientierte. Ab dem 12. Jh. wurde es im Westen zunehmend von den Grammatikentwürfen spanischer jüdischer Gelehrter wie Jonah 'Abu al-Walid ibn Janah überlagert.

Der fünfte Teil verfolgt mit seinem Blick auf christliche Hebraisten im Europa des Mittelalters und der frühen Neuzeit eher einen Nebenstrang in der Geschichte der Hebraistik jener Zeit.

Raphael Loewe beschreibt in "Alexander Neckam's Knowledge of Hebrew", wie sich im Werk des Alexander Neckam (1157-1217) Kenntnisse der hebräischen Grammatik wie auch der jüdischen Exegese spiegeln.

Anders Bergquists Beitrag "Christian Hebrew Scholarship in Quattrocento Florence" beleuchtet einen viel beachteten und zentralen Abschnitt europäischer Geschichte von einer ungewohnten Seite: Unter denjenigen, die im Florenz jener Zeit sich dem Studium der hebräischen Sprache zuwandten, waren Gianozzo Manetti und Giovanni Pico della Mirandola. Sie taten es in einem Klima offizieller Feindseligkeit gegenüber den Juden.

Mit Gareth Lloyd Jones' Aufsatz über "Robert Wakefield (d. 1537): The Father of English Hebraists?" erreicht der Leser sozusagen den Ort des Kongresses: Robert Wakefield wurde, nach Anstellungen in Louvain und Tübingen, 1523 in Cambridge Lehrer für Hebräisch, Aramäisch und Arabisch. J. beschreibt ihn als "... a pioneering English scholar to whom belongs the credit for establishing the study of Semitic philology in England." (247)

Unter exegetischem Blickwinkel sieht Graham Davies auf die Geschichte der Hebraistik. In seinem Aufsatz "Some Points of Interest in Sixteenth-Century Translations of Exodus 15" vergleicht er verschiedene Übersetzungen von Ex 15 und zeigt, dass die Übersetzer deutlich aus jüdischen Quellen schöpften.

Wie "The Amsterdam Translation of the Mishnah", die Willem Surenhus ins Werk setzte, entstand, beschreibt Peter van Rooden.

Die fünf Aufsätze des abschließenden 6. Teils führen den Leser über das 19. Jh. in die Gegenwart. Samson Raphael Hirschs Kommentar über den Pentateuch, erschienen zwischen 1867 und 1878 in Frankfurt, beschäftigt A. H. Lesser in "Samson Raphael Hirsch's Use of Hebrew Etymology". Hirsch ist, nach Lessers Darstellung, ein Kind seiner Zeit, der Romantik wie der Wissenschaft zugeneigt und dabei doch auch jüdischer Tradition zutiefst verbunden.

Wie schwer es den arrivierten Wissenschaftlern noch am Ende des 19. Jh.s fiel, einen jüdischen Gelehrten, nämlich Salomon Marcus Schiller-Szinessy als Lehrer für talmudische und rabbinische Literatur und damit als einen der ihren zu akzeptieren, beschreibt Stephan C. Reif unter dem Titel "A Jewish Usurper among Christian Hebraists? - Cambridge, 1866".

Gerade diese christliche Ablehnung von Juden als gleichberechtigten Bürgern führte zu einem verstärkten Anpassungsdruck unter Juden, die zu dieser Zeit die Verwendung des Hebräischen als Hindernis für die ersehnte Emanzipation sahen. George Mandel beschreibt in dem Aufsatz "Resistance to the Study of Hebrew: The Experiences of Peretz Smolenskin and Eliezer Ben-Yehuda", wie die Folgen dieses Anpassungsdruckes zum einen das Engagement von Smolenskin und Ben-Yehuda motivierten, zugleich deren Bemühen aber natürlich auch Widerstände entgegensetzte.

Bei der Etablierung des von Ben-Yehuda entwickelten Ivrith spielte das britische Mandat über Palästina eine erhebliche und der Einführung des Ivrith als gesprochener Sprache zuträgliche Rolle. Das zeigt Edward Ullendorf unter dem Titel "Hebrew in Mandatary Palestine".

Der letzte Beitrag von Risa Demb, "'Hebrew, Speak Hebrew': the Place of Hebrew in Modern Hebrew Literature" wendet sich vollends der Gegenwart, dem Ivrith, zu. D. zeigt, wie in verschiedenen literarischen Werken unterschiedliche Ideologien über das überlieferte Hebräisch und das neu entwickelte und neu entstehende Ivrith sich profilieren.

Das Buch liefert dem Leser in den durchweg lesenswerten Aufsätzen 22 Einzelbilder zur Geschichte des Studiums der hebräischen Sprache. Das Gesamtbild, das der Band so zeichnet, weist allerdings ein paar Fehlstellen auf: Das jüdische Mittelalter auf der iberischen Halbinsel - für den im Buch behandelten Zusammenhang überaus bedeutsam - bleibt ausgespart. Mit Gelehrten wie Jonah 'Abu al-Walid ibn Janah und David Kimchi aber setzt eine grammatische und lexikographische Tradition ein, die bis in unsere Tage hineinwirkt. Zu nennen sind hier das Wörterbuch von W. Gesenius, das (bis zur 17. Auflage) seine Wurzeln bei den genannten jüdischen Autoren hat, sowie F. E. König, der sich in seiner Grammatik explizit auf David Kimchi beruft. (König fehlt in dem Buch übrigens vollständig, Gesenius ist einmal in einer Fußnote erwähnt.) Ausgespart ist auch die Rolle des Hebräischen in der modernen Sprachwissenschaft. Ab der Behandlung des Mittelalters haben die Themen der Beiträge eine gewisse geographische Einseitigkeit.

Natürlich kann die British Association for Jewish Studies auf ihrem Kongress nicht alle Themen behandeln. Bei einem Buch allerdings, das sich ja an ein anderes Publikum wendet und eine andere Zielsetzung hat, wäre zumindest in der Einleitung ein Hinweis auf fortgelassene Bereiche (ergänzt vielleicht durch Literaturhinweise) sinnvoll gewesen, wenn denn dieses Buch "... a valuable introduction to an area hitherto lacking comprehensive study" (Klappentext) sein soll. Einige der im vorliegenden Buch vermissten Informationen findet der Leser übrigens in oder mit Hilfe von Angel Sáenz-Badillos Werk "A History of the Hebrew Language".

Etwas verwunderlich ist schließlich der in den letzten drei Arbeiten vollzogene Wechsel in der Bezugssprache: Das moderne Ivrith wird so behandelt, als sei es von seinem biblischen Vorläufer nicht nennenswert unterschieden. Auch hierzu gibt die Einleitung keine Erklärung. - Das alles sollte dem Leser die Freude an dem Band nicht trüben. Das, was in dem Buch veröffentlicht wurde, ist interessant und lesenswert. Schade nur, dass das Buch nicht umfangreicher ist.