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Ausgabe:

November/2001

Spalte:

1214–1216

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Wijlens, Myriam

Titel/Untertitel:

Sharing the Eucharist. A Theological Evaluation of the Post Conciliar Legislation.

Verlag:

Lanham-New York-Oxford: University Press of America 2000. XIX, 397 S. gr.8. Lw. $ 52.-. ISBN 0-7618-1560-0.

Rezensent:

Günther Gaßmann

Das Thema der vorliegenden überarbeiteten Habilitationsschrift (Katholische Theologische Fakultät der Universität Münster) der holländischen Kirchenrechtlerin Myriam Wijlens ist von aktueller Bedeutung. Mit wachsender theologischer und praktischer Annäherung wächst auf evangelischer Seite das Drängen auf evangelisch-katholische Abendmahlsgemeinschaft als Ausdruck erreichter Gemeinschaft und Ermutigung zu weiteren Schritten hin auf größere Einheit. Für diese Haltung gibt es gute theologische Gründe. In ihrer häufig unreflektiert und spontan vorgetragenen Form ist sie jedoch auch gekennzeichnet von Unkenntnis hinsichtlich der Gründe für die römisch-katholische Weigerung, Abendmahlsgemeinschaft offiziell und allgemein zu erlauben. Ebenso groß scheint die Unkenntnis über die auf römisch-katholischer Seite möglichen Ausnahmen zu sein.

Beide Aspekte finden im vorliegenden Buch zureichende Auskunft, auch wenn das Buch sehr viel mehr ist als eine Informationsschrift zur römisch-katholischen Position in der Frage der Abendmahlsgemeinschaft. In ihrer nachdrücklich als kirchenrechtlich charakterisierten Arbeit möchte die Vfn. die Entwicklung der Bestimmungen zur Abendmahlsgemeinschaft im Kirchenrecht vom Stand vor dem 2. Vatikanischen Konzil bis hin zum gegenwärtig geltenden Recht nachzeichnen und interpretieren. Diese Darstellung geschieht in vier Schritten: 1. Die Bestimmungen des Codex Iuris Canonici (CIC) von 1917. 2. Neue theologische-ekklesiologische Entwicklungen am Vorabend des 2. Vatikanischen Konzils. 3. Die Erarbeitung der für die spätere Gesetzgebung zur Abendmahlsgemeinschaft relevanten Konzilstexte (Kirche, Ökumenismus, katholische Ostkirchen). 4. Die Richtlinien und Gesetzgebung zur Abendmahlsgemeinschaft nach dem Konzil: Ökumenisches Direktorium 1967 und 1993, CIC/1983 und Codex Canonum Ecclesiarum Orientalum 1990 (CCEO/1990).

Das Ergebnis dieses Vergleichs zwischen den heutigen kirchenrechtlichen Bestimmungen zur Abendmahlsgemeinschaft mit den Bestimmungen vor dem Konzil "shows a tremendous change". Dieses Urteil beruht auf der Entwicklung vom Verbot der Abendmahlsgemeinschaft mit Nichtkatholiken vor dem Konzil hin zu der auf dem Konzil eröffneten und im nachfolgenden Kirchenrecht festgelegten dreifachen Möglichkeit von (gelegentlicher) Teilnahme an der Encharistiefeier: 1. Katholiken können in Ausnahmesituationen und wenn sie keinen Zugang zu katholischen Amtsträgern haben die Eucharistie in anderen Kirchen empfangen, deren Eucharistie (und Ämter) nach katholischem Verständnis gültig sind. 2. Glieder orthodoxer Kirchen und anderer Kirchen mit (entsprechend) gültigen Sakramenten (und Ämtern) können in katholischen Kirchen die Eucharistie empfangen. 3. In Todesgefahr oder schwerer Not können andere Christen, die keinen Pfarrer ihrer eigenen Gemeinschaft erreichen können und den katholischen Glauben vertreten, an einer katholischen Eucharistie teilnehmen.

Diese Veränderungen gegenüber der vorkonziliaren Situation werden zu Recht als Ergebnis der neueren ekklesiologischen Einsichten und der offeneren Beurteilung nicht-katholischer Kirchen und kirchlicher Gemeinschaften auf dem Konzil gesehen. Sie bringen die Spannung zum Ausdruck zwischen den beiden Grundsätzen, wonach einerseits communicatio in sacris nicht allgemein und ohne Unterscheidung als gültiges Mittel zur Wiederherstellung kirchlicher Gemeinschaft anzusehen ist und sakramentale Gemeinschaft Ausdruck voller kirchlicher Gemeinschaft und damit Zeugnis für die Einheit der Kirche ist, und dass sakramentale Gemeinschaft andererseits auch Teilhabe an den Gnadenmitteln ist. Aus dieser Spannung folgt das Verbot der Abendmahlsgemeinschaft in den meisten Fällen auf der Grundlage der Bezeugung der Einheit und, auf der andere Seite, die Empfehlung von Abendmahlsgemeinschaft in manchen Fällen aus der Sorge um die Gnade heraus (UR 8).

Diese sorgfältigen Beschreibungen, Vergleiche und Interpretationen der Texte werden verbunden mit methodisch-systematischen Überlegungen und Zielsetzungen, die in die Darstellung integriert sind und in der Einleitung zum Buch und einer längeren methodologischen Präambel "Von der Lehre zur Gesetzgebung" dargelegt werden. In ihrer kirchenrechtlichen Untersuchung will die Vfn. den Weg von theologischen Einsichten und Grundorientierungen hin zu kirchenrechtlichen Normen und gesetzlichen Regelungen untersuchen, wobei Lehre und nachfolgendes Recht als zwei unterschiedliche Momente in einem einzigen kognitiven-entscheidungsorientierten Prozess verstanden werden. In diesem Prozess wird die vorgegebene, normative konziliare Lehre und bes. Ekklesiologie "übersetzt" in kanonische Sprache, in kirchenrechtliche Strukturen und Handlungsanweisungen.

Aus dieser wichtigen Positionsbestimmung des Kirchenrechts als der Theologie/Lehre nachgeordnet und deren praktischen Umsetzung dienend resultiert für die Vfn. die Frage: Ist das gegenwärtige Kirchenrecht kongruent mit den theologischen Einsichten und Erkenntnissen des Konzils als der hermeneutischen Norm des Rechts, und bekräftigt und fördert das Recht die theologischen Grundorientierungen des Konzils? Die so in Unterscheidung wie Zuordnung von Theologie und Recht gestellte Frage nach dem Verhältnis beider Größen ist auch für evangelische Kirche und Theologie von grundsätzlicher Bedeutung.

Als Ergebnis ihrer Untersuchung beantwortet die Vfn. diese Frage eindeutig im Sinne der Übereinstimmung zwischen den theologischen Orientierungen des Konzils und deren Umsetzung in kirchenrechtliche canones. Die in manchen Konzilsaussagen angelegte Offenheit für weitere Entfaltung wird in einigen kanonischen Bestimmungen aufgenommen, so dass die nachkonziliare Gesetzgebeung über das, was das Konzil im Blick auf die Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften im Westen als möglich voraussah, noch hinausgeht. Diese Folgerung beruht auf der immer wieder herausgestellten Aussage in UR 22, dass im Westen Abendmahlsgemeinschaft nicht möglich ist und lediglich der Dialog über die Eucharistie empfohlen wird, während im CIC/1983 zwischen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften im Westen bei der Zulassung zur Eucharistie differenziert wird und hieraus entsprechende Folgerungen für die - mehr allgemeine (Kirchen) oder sehr begrenzte (kirchliche Gemeinschaften) - Zulassung gezogen werden.

Die Herausstellung dieses Unterschieds negiert m. E. allerdings die Tatsache, dass nach UR 8 eine gelegentliche Teilnahme (anderer Christen) an der Eucharistie als Gnadenmittel sogar empfohlen werden kann (s. o.) und so hier bereits der Weg hin zu den Ausnahmen in CIC/1983, c. 844 und CCEO/1990, c. 671 angelegt ist.

Am Ende ihrer Arbeit stellt Myriam Wijlens Fragen im Blick auf mögliche weitere Klärungen (gemeint sind wohl positive Schritte) zur eucharistischen Gemeinschaft, in denen nicht nur die Nöte und Bedürfnisse individueller getaufter Nicht-Katholiken bestimmend sind, sondern die Eucharistie als ekklesiologisches Geschehen und Nicht-Katholiken primär als Glieder einer Kirche oder kirchlichen Gemeinschaft gesehen werden, die in einer realen, wenn auch unvollkommenen Gemeinschaft (communio) mit der römisch-katholischen Kirche stehen.

Der recht ungenaue Titel des Buches "Sharing the Eucharist" ist als übergreifender Terminus für verschiedene Formen der Abendmahlsgemeinschaft/eucharistischen Gemeinschaft möglich, für die vom Konzil eröffneten Möglichkeiten wäre jedoch der Begriff der begrenzten Zulassung (bzw. begrenzten Erlaubnis) präziser. Auch die Verwendung des Allgemeinbegriffs "values" (Werte) für die theologischen Grundorientierungen des Konzils ist zu vage. Schließlich würden evangelische Beobachter die Veränderungen in der offiziellen römisch-katholischen Haltung zur Abendmahlsgemeinschaft vor und nach dem Konzil nicht unbedingt als "tremendous", aber sicherlich als "remarkable" bezeichnen. Doch insgesamt gilt, dass die mit ausführlichen, zitatenreichen Fußnoten versehene und sehr sorgfältig referierende, vergleichende und analysierende (und darum wohl auch oft repetitive) Arbeit ein äußerst erhellender und weiterführender Beitrag zur Klärung der Entwicklung der römisch-katholischen Lehre und des ihr folgenden Rechts in der Frage der Abendmahlsgemeinschaft im Laufe des 20. Jh.s ist. Die in der Arbeit unterstrichene Offenheit der Konzilsaussagen auf weitere Entfaltung hin und die nachdrücklich herausgestellte Bindung des kanonischen Rechts an diese Aussagen weist einen Weg in die Zukunft.