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Ausgabe:

November/2001

Spalte:

1208 f

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Herzig, Arno

Titel/Untertitel:

Der Zwang zum wahren Glauben. Rekatholisierung vom 16. bis zum 18. Jahrhundert.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2000. 266 S. m. 6 Abb. 8. Kart. DM 49,80. ISBN 3-525-01384-1.

Rezensent:

Klaus Fitschen

Nachdem in der letzten Zeit das klassische Deutungsmuster von "Reformation - Gegenreformation" oder "Katholische Reformation" durch den kulturell und politisch weit gefassten Konfessionalisierungsbegriff überholt worden ist, spricht der in Hamburg lehrende Historiker H. nun wieder bewusst von Rekatholisierung. Er beschreibt diesen Vorgang als eine primär politische Maßnahme auf Grund der Suche der frühneuzeitlichen Staaten nach konfessioneller Geschlossenheit im Sinne einer konfessionellen "Gleichschaltung" (10.12). Diese wird besonders für katholische Territorien und Städte, aber beispielhaft auch für Hamburg (30 f.) konstatiert; Preußen gilt als positives Gegenbeispiel (eine komplexe Gestalt wie der Breslauer Bischof Schaffgotsch ist allerdings kaum für die Religionspolitik Friedrichs d. Gr. zu vereinnahmen: 152).

Die Darstellung konzentriert sich stark auf die Habsburger Erblande, das Fürsterzbistum Salzburg und auf Bayern, zeichnet also die geläufige Geschichte der Austreibungen, Transmigrationen, Zwangsbekehrungen und nicht zuletzt die Ge-schichte des Geheimprotestantismus nach. Neben den von H. betonten politischen Leitlinien (die innere Geschlossenheit der Konfession garantiert Staatsloyalität und dokumentiert die Einheitlichkeit des politischen und sozialen Gemeinwesens: 18.24) wird sichtbar, dass Haussuchungen, Dragonaden und ähnliche Instrumente keineswegs Spezifika französischer Konfessionspolitik waren.

H. beschreibt in einem I. Abschnitt "Die Politik" die genannten Ausgangsbedingungen, die sich mit der Aufklärung und einer dem Staatsnutzen förderlichen Toleranz am Ende des 18.Jh.s entscheidend veränderten: Dafür ist das Toleranzpatent (H.: Toleranzedikt) Josephs II. das wichtigste Dokument (25. 213). Die Monokonfessionalität musste in den Habsburger Landen anfangs gegen den Widerstand evangelisch gesonnener Adliger durchgesetzt werden und war insofern schon auf der Ebene der Stände ein Politikum. Die innere Festigung des Katholizismus erfolgte bekanntermaßen durch die Etablierung der nachtridentinischen Barockkultur, die von den Jesuiten und anderen Orden entschieden betrieben wurde. Diese Tendenzen nicht im Sinne der üblichen Definition des "Zeitalters der Konfessionalisierung" auf die Zeit bis 1648 einzugrenzen ist nur sinnvoll (10).

Der II. Abschnitt "Die Theologie und Staatstheorie" lenkt den Blick auf die schon unter I. angesprochenen innerkatholischen Reformströmungen und die Abhängigkeit ihrer Erfolge von den flankierenden Maßnahmen der Politik. Die Reformorden profitierten eben von der Vertreibung und Marginalisierung der konkurrierenden Protestanten. Die bleibenden, mehr oder weniger geheim existierenden Reste des Protestantismus wurden von außen gelegentlich argwöhnisch beobachtet, dann aber auch als Beleg für die innere Stärke des evangelischen Glaubens gesehen. Auch auf evangelischer Seite fragte man also nach dem Wesen dieser nicht als "Kirche" erkennbaren Strömungen. Mit Pufendorf und Thomasius werden dann wichtige Theoretiker einer auf den rechtlichen Voraussetzungen des Westfälischen Doppelfriedens basierenden Gleichberechtigung der Konfessionen benannt.

Im III. Abschnitt stellt H. "Die Betroffenen" vor, die der rücksichtslosen Anwendung des ius reformandi ausgesetzt waren und die die Normaljahrsregelung des Westfälischen Friedens nicht in Anspruch nehmen konnten. Das geradezu bewundernswerte Überdauern des Geheimprotestantismus gerade in den Habsburger Landen verdankte sich einer Abgrenzung gegenüber dem massiv auftretenden Katholizismus und der Ausprägung einer individuellen und familiären Frömmigkeit, die auf der Bibel, Gebetbüchern, erbaulichen Schriften und dem Glauben an das "Evangelium" gründete. Der Anhang des Buches enthält drei instruktive Quellen zu diesem Themenkreis.

Die Darstellung präsentiert Bekanntes, dies aber unter der genannten Perspektive in bündiger und gut lesbarer Form. Der vielleicht etwas zu viel versprechende Titel lässt nach der Situation im gesamten "Unheiligen Römischen Reich" (Jürgen Luh) fragen, also nach der in gemischtkonfessionellen Gebieten wie dem Fürstbistum Hildesheim, ebenso nach den aus den Adelskonversionen folgenden rechtlichen Regelungen (etwa in Hannover), die eine Rekatholisierung verhindern sollten, auch nach den Folgen der dauernden Krisen auf Grund der Rechtskonkurrenz von ius reformandi und Normaljahrsregelung, dann auch nach den bis in den Kulturkampf wirkenden Mentalitätsproblemen, die zu einer Wahrnehmung des Katholizismus (namentlich der Jesuiten) als aggressiver und konspirativer Macht führten.