Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

November/2001

Spalte:

1186 f

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Polkinghorne, John

Titel/Untertitel:

An Gott glauben im Zeitalter der Naturwissenschaften. Die Theologie eines Physikers. Aus dem Engl. von G. Etzelmüller.

Verlag:

Gütersloh: Kaiser/Gütersloher Verlagshaus 2000. 126 S. gr.8. Lw. DM 34,-. ISBN 3-579-02654-2.

Rezensent:

Linus Hauser

Der Cambridger Physiker und spätere anglikanische Gemeindepfarrer John Polkinghorne vertritt einen "kritischen Realismus", der unter anderem von der Prämisse einer einheitlichen Richtung des Fragens in Naturwissenschaften und Theologie ausgeht. Aus dieser Standpunkte versöhnenden Perspektive gliedert sich sein gut lesbares, erkenntnistheoretisch aber oftmals etwas kurzgreifendes Buch in fünf Kapitel.

Zunächst wird im ersten Kapitel eine "neue natürliche Theologie" als Dimension einer naturwissenschaftlich geprägten Suche nach dem Göttlichen zum Thema gemacht. Die Begegnung mit einer in ihrer Gesetzlichkeit wohlgeordneten und rational konstruierbaren Welt kann keine "logische Demonstration" (13) für die Existenz des Schöpfers sein. Wohl aber kann der hier auftauchende Gedanke an einen Schöpfer als "kohärente und intellektuell befriedigende Einsicht" (13) verstanden werden.

Auch die Intentionen von Naturwissenschaften und Religionen in der Suche nach der Wahrheit sind nach P. vergleichbar (2. Kapitel). "Denn nicht das Streben nach funktionalem Erfolg, sondern das Verlangen nach ontologischem Wissen motiviert die Arbeit der Naturwissenschaftler" (36). Im Anschluss an Thomas S. Kuhn versucht P. weiterhin herauszuarbeiten, dass auch die innere Logik eines Paradigmenwechsels sowohl den naturwissenschaftlichen als auch den religiösen Erkenntnismethoden entspreche. Das dritte Kapitel beschäftigt sich dann mit der Frage, ob Gott in der Welt der Physik handle. Die "realistische Reinterpretation der epistemologischen Unvorhersagbarkeit von chaotischen Systemen zur Hypothese einer ontologischen Offenheit, in der neue kausale Prinzipien wirken, welche die Muster zukünftigen Verhaltens bestimmen und von holistischem Charakter sind" (66) ist für ihn etwa theologisch hochbedeutsam. Es öffne sich hier die Tür zum Transzendenten im Sinne eines neuen realistischen Denkstils einen "Spalt" (66).

Wenn man an die fundierten Arbeiten des Frankfurter Physikers und Naturphilosophen Hans-Dieter Mutschler (vgl. neuerdings: Schmetterlingseffekte. Die Chaostheorie und das christliche Schöpfungsverständnis, in: Herder-Korrespondez 55, 2001, 200-205) denkt, ist es zweifelhaft, ob die Synergetik als "neue[r] Wein" (69), der die "mathematischen Weinschläuche" (69) alter Theorienparadigmen sprengt, bezeichnet werden kann. Im Sinne einer symbolischen Rede über Gottes Handeln in der Welt ist die Chaosforschung nutzbar. Sie öffnet aber keinen neuen, deutlicheren Spalt in den Bereich des transzendenten Absoluten hinein. Anregend sind die im Sinne seiner neuen natürlichen Religion formulierten fünf Thesen über Gottes Handeln, insofern es in der physikalischen Welt erkennbar sein könnte (74 f.).

Im 4. Kapitel über die Zukunft des Dialoges zwischen den Naturwissenschaften und der Theologie weist P. deutlich darauf hin, dass sich die Theologie in diesem Bereich stärker und sachgerechter engagieren müsse. Am Beispiel von Moltmann und Pannenberg, dessen Interpretation der Feldtheorie P. kritisch beleuchtet, wird das deutlich gemacht.

Im fünften Kapitel versucht P. dann seinen Standpunkt eines "kritischen Realismus" (101) zu verdeutlichen.

Abschließend kann gesagt werden, dass dieses Buch von seiner erkenntnistheoretischen Qualität her eher ein populäres Sachbuch darstellt. Auf Grund des Mangels an fundierten philosophischen Kenntnissen (man vgl. etwa die schiefen Interpretationen zu Anselm von Canterbury (18), Thomas von Aquin (18) und Descartes (23 u. ö.) handelt es sich hier nicht um einen wegweisenden Beitrag. Es ist aber eine anregende Lektüre, die besonders durch seine weiterführenden Thesen auf S. 74f. und S. 98 f. einige Denkanstöße gibt.