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Ausgabe:

Oktober/1998

Spalte:

1027 f

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Wainwright, Geoffrey

Titel/Untertitel:

Worship with One Accord. Where Liturgy and Ecumenism Embrace.

Verlag:

New York-Oxford: Oxford University Press 1997. XI, 276 S. gr.8. Lw £ 32,50. ISBN 0-19-511610-0.

Rezensent:

Martin Stuflesser

Der Untertitel des neuesten Buches von Geoffrey Wainwright verweist bereits deutlich darauf, worin sein Hauptanliegen besteht: in der Verbindung von Liturgie und Ökumene.

Der Autor - Methodist und systematischer Theologe an der Duke University in Durham (NC) - hat sich bereits in diversen vorausgegangenen Publikationen darum bemüht, Liturgie und systematische Theologie zu verbinden. So vor allem auch in seiner 1980 erschienenen einbändigen systematischen Theologie "Doxology", in der er das altkirchliche Axiom lex orandi - lex credendi, wonach das Gesetz des Betens (die Liturgie) das Gesetz des Glaubens bestimmen soll und umgekehrt, in beispielhafter Weise fruchtbar macht für sein theologisches Arbeiten.

Mit dem vorliegenden Band legt W. nun eine Studie vor, die wiederum zwei Aspekte zu verbinden sucht, die gemeinhin in ihrer wechelseitigen Bezogen und Verwiesenheit nicht so deutlich wahrgenommen werden: Liturgie und Ökumene.

Dabei handelt es sich bei "Worship with One Accord" um einen Sammelband, der zusammengestelt wurde aus früheren Publikationen W.s aus den vergangenen 10 Jahren. Hier macht W. selbst darauf aufmerksam, daß der Variationsreichtum bzw. die unterschiedlichen Aspekte der Verhältnisbestimmung von Liturgie und Ökumene, wie sie in den 15 Kapitel des Buches vorgenommen werden, durchaus auch mit den unterschiedlichen Anlässen zusammenhängen, für die die vorliegenden Beiträge ursprünglich verfaßt wurden.

Der gemeinsame "rote Faden" aller 15 Kapiteln, der das gesamte Buch durchzieht, liegt demnach in der Person W.s selbst begründet: in der Person eines Theologen, der - ausgehend von der Liturgie - wie kaum ein anderer die Traditionen der großen christlichen Kirchen zu verbinden sucht, immer im Hinblick auf die angestrebte Einheit aller Glaubenden; der in seinem ökumenischen Engagement gerade in der Kommission "Faith and Order" des ökumenischen Weltrats der Kirchen maßgeblich das Lima-Dokument "Taufe - Eucharistie - Amt" mitverantwortet und gerade hier praktisch gezeigt hat, wie sich die in ökumenischen Konsultationsprozessen gefundenen Konsensergebnisse auch in konkrete liturgische Formen umsetzen lassen.

Daß sich die 15 Beiträge dabei nicht wie ein beliebig zusammengestelltes Florilegium W.scher Aufsätze lesen, sondern wirklich zu einem Buch verschmelzen, ist sicher auch der redaktionellen Überarbeitung der einzelnen Beiträge durch W. zu verdanken sowie der geschickten Anordnung:

Das Buch beginnt in seinem ersten Kapitel mit einem geschichtlichen Überblick über das Neben- und Miteinander von ökumenischer- und liturgischer Bewegung. Das zweite Kapitel reflektiert die ekklesiologischen Grundlagen einer Sicht der Kirche als Gemeinschaft derer, die zum Gottesdienst gerufen sind. Das dritte und vierte Kapitel schließen mit Überlegungen zum Verhältnis von Schrift und Tradition im Kontext der gottesdienstlichen Versammlung an. Gerade das vierte Kapitel macht hier unter der Überschrift "Tradition as a Liturgical Act" auch noch einmal deutlich, wie hilfreich es ist, bei der Bestimmung dessen, was unter Tradition zu verstehen ist, auch immer die konkrete liturgische Tradition miteinzubeziehen. Denn eine zu einseitige Verhältnisbestimmung von Schrift und Tradition kann unter Umständen zum Kriterium werden, das die Einheit der christlichen Kirchen eher verhindert, statt sie zu fördern.

Das fünfte bis siebte Kapitel widmen sich der Theologie der Sakramente: sei es (wie in Kap. 5) in der Untersuchung des Lima-Dokumentes, sei es (wie in Kap. 6) in der Frage nach einem sakramentalen Kirchenverständnis, wie es z. B. in den Dokumenten des II. Vatikanischen Konzils oder in bestimmten Überlegungen Karl Rahners zum Ausdruck kommt, oder wie W. selbst (in Kap. 7) der Frage nach der Rolle der Sakramente im theologischen wie liturgischen Erbe seiner eigenen methodistischen Tradition nachgeht.

Das achte und das neunte Kap. beschäftigen sich mit der Frage nach der Erneuerung der Liturgie speziell im englischsprachigen Raum, bevor sich das zehnte und das elfte Kapitel mit dem theologischen Stichwort "Versöhnung" befassen - einmal unter dem Aspekt der Versöhnung der getrennten christlichen Kirchen, die somit zum Zeugnis für die Botschaft des Evangeliums wird (Kap. 10), zum andern konkret bezogen auf die Situation in Irland (Kap. 11).

Das nachfolgende Kapitel 12 legt ein besonderes Gewicht auf die Verbindung von Liturgie und Ethik. Für den Rez., der aus der römisch-katholischen Tradition stammt, ist dieses Kapitel deswegen so zentral, weil es auf einen Aspekt der Verhältnisbestimmung von Liturgie und Theologie, Liturgie und Tradition, Liturgie und Glaube aufmerksam macht, der wohl bis heute in der römisch-katholischen Theologie zuwenig Beachtung gefunden hat:

Indem W. nämlich das altkirchliche Axiom lex orandi - lex credendi inhaltlich um die lex agendi erweitert (vgl. leiturgia, martyria und diakonia in Lumen Gentium 19 u. 24), hebt er, gemäß der eigenen protestantischen Tradition, stark die ethischen Implikationen des gottesdienstlichen Tuns hervor. Dabei stellt sich dem Leser unweigerlich die Frage, ob nicht eine solchermaßen verstandene eucharistische Ethik, die ja eine große Konvergenz sowohl im Bereich der Liturgie als auch der Ethik voraussetzt, nicht deutlicher in den Mittelpunkt der Bemühungen um die Einheit aller christlichen Kirchen zu setzen wäre bzw. ob nicht manches Problem bei der Suche nach Konvergenz in theologischen Streitfragen durch eine bereits erreichte Konvergenz in der Feier des Glaubens (vgl. Lima-Liturgie) und durch das gemeinsame Zeugnis des gelebten Glaubens als weniger trennend anzusehen wäre.

Das dreizehnte Kapitel weitet den Blick von den vorausgegangenen Überlegungen eher allgemeiner Art (Gottesdienst und Ethik) zur konkreten Frage nach dem Verhältnis von Gottesdienst und Politik, bevor das vierzehnte Kapitel wieder den Bogen schlägt zur Verbindung von Liturgie und Theologie: Es fragt nach der konsequent trinitarischen Struktur des christlichen Gottesdienstes im Kontext der - in heutiger Zeit vielen fundamentalen Anfragen ausgesetzten - christlichen Gotteslehre, wobei W. immer wieder betont, daß es das gemeinsame trinitarische Bekenntnis ist, dem sich die gesamte ökumenische Bewegung verdankt und das deshalb nicht zur Disposition gestellt werden kann und darf.

Das abschließende fünfzehnte Kapitel (eine ursprünglich im Jahr 1992 vor der American Theological Society gehaltene Rede) hat starken Zeugnischarakter: W. betont, wie sehr er sich dem Gottesdienst und der Einheit der Kirche - also den beiden in diesem Buch behandelten großen Themen, die in eins verschmelzen - verpflichtet fühlt, jener Kirche, die als grundlegende Bestimmung hat, den Lobpreis Gottes niemals verstummen zu lassen und so Zeugnis abzulegen von Gott vor der Welt.

In diesem Kontext legt W.s Buch insgesamt das beeindruckende Zeugnis eines Theologen ab, der sich wie kaum ein anderer um die Verbindung von Liturgie und Ökumene bemüht hat. Dabei bieten die facettenreichen Beiträge nicht nur einen Überblick über W.s theologisches Schaffen in der vergangenen Dekade, sie werfen auch Probleme auf, benennen offene Divergenzen und motivieren, den gestellten theologischen Fragen im ökumenischen Bemühen weiter nachzugehen - ein anregendes Buch also, das sicher als ein gewichtiger Beitrag in den Bemühungen um die Einheit der Christen angesehen werden darf.