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Ausgabe:

Oktober/2001

Spalte:

1099 f

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Willers, Ulrich [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Beten: Sprache des Glaubens, Seele des Gottesdienstes.

Verlag:

Tübingen-Basel: Francke 2000. IX, 507 S. m. Abb. gr.8 = Pietas Liturgica, 15. ISBN 3-7720-3031-9.

Rezensent:

Christian Grethlein

Der umfangreiche, gut (u. a. mit zehn Bildern) ausgestattete Band geht auf eine Studientagung zurück, deren Vorträge noch durch weitere Aufsätze ergänzt wurden. So liegt ein Werk vor, das aus fundamentaltheologischer und liturgiewissenschaftlicher Perspektive das Thema Gebet reflektiert, wobei das II. Vaticanum mit seiner Volk-Gottes-Theologie und der Forderung der participatio actuosa den Bezugsrahmen abgibt.

Der Reichtum der vornehmlich, aber nicht ausschließlich aus römisch-katholischer Perspektive vorgetragenen Überlegungen geht aus den im Folgenden notierten Stichworten hervor. Der Band gliedert sich in vier Abteilungen: Die erste, "Dimensionen einer Gebetstheologie" (25-113), umfasst wesentlich systematisch-theologische Beiträge, die von einer Reflexion des Vaterunsers und seiner Implikationen und Voraussetzungen (J. Werbick) über Fragen der Zeitgemäßheit (U. Willers), eines angemessenen Bittverständisses (H. Schaller) und einer trinitätstheologischen Verortung (J. Wohlmuth) zum anregenden Aufsatz "Gebet und Meditation" des indischen Theologen S. Painadath führen.

Hier wird mit den aus der hinduistischen Tradition gewonnenen Hinweisen auf die Bedeutung der Sinnen- und Leibhaftigkeit des Betens ein Thema intoniert, das in verschiedenen weiteren Beiträgen, etwa zum Tanz (ausführlich: G. Koch, Tanz als Gebet), aufgenommen wird.

Die zweite Abteilung "Systematisch-praktische Spannungsfelder: Probleme und Zugänge" (117-240) bringt neben diesem Aspekt Beiträge zur Messbuchrevision (I. Pahl, A. Greule), zum Beten aus feministischer Perspektive (K. Süß sowie G. Miller/ S.-A. Spendel/B. Hintersberger/A. Esser) und Hinweise zu konfessionsspezifischen Differenzen (F. Steffensky).

Den Blick weitet dann noch einmal die dritte Abteilung "Alte Traditionen - Neue Dimensionen - Offene Erfahrungsräume" (243-365). Hier spannt sich ein Bogen von Erinnerungen an die jüdische Gebetstradition (J. Kirchberg), Gregorianik (G. Joppich) über Hinweise zum immer währenden Gebet in unterschiedlichen Ausprägungen (V. E. Schmitt, E. Jungclaussen, R. Seubert) bis hin zu sozialen und politischen Dimensionen des Betens (G. Schmied, E. Tiefensee). Dazu finden sich noch ein religionswissenschaftlicher Beitrag zum meditierenden Beten in Indien (Chr. Willers) und Ausführungen zum Beten bei Huub Oosterhuis (A. Stock).

In der vierten Abteilung "Betend auf dem Weg? Situationen und Stationen" wird das Gespräch mit kritischen Impulsen aus Kunst und Kultur gesucht. Neben Fenstern in Sakralbauten (R. Volp), Nietzsches Gebetskritik (U. Willers), der Rezeption Hiobs in der Literatur (B. Steinwendtner), Thomas Manns Gebetsverständnis (H. Kurzke) tritt die liturgiewissenschaftliche Besprechung einer Vigilfeier zum Hiob-Motiv (A. Franz) und thesenhaft entfaltete Anregungen zu einem - recht anspruchsvollen - "Kleinen Gebet" für sog. Laien (H. Becker).

Ingesamt liegt hier ein Band vor, der neben der niveauvoll präsentierten Materialfülle vor allem dadurch wichtige Impulse für die Weiterarbeit gibt, dass er liturgiewissenschaftliche Forschung an fundamentaltheologische Probleme, etwa durch Nietzsche aufgeworfen, erinnert, und umgekehrt diese an die konkreten Gestaltungsfragen zurückbindet.