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Ausgabe:

Oktober/2001

Spalte:

1071 f

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Brito, Emilio

Titel/Untertitel:

Philosophie et Théologie dans l'uvre de Schelling.

Verlag:

Paris: Cerf 2000. 226 S. 8 = Philosophie & Théologie. Kart. fFr 185.-. ISBN 2-204-06455-6.

Rezensent:

Karl H. Neufeld

Ein Blick auf die Bibliographie dieses Bandes (216-224) kann schon belegen, dass Schelling im französischen Raum erst im letzten halben Jahrhundert intensiveres Interesse gefunden hat; die Übersetzungen zeigen es ebenso wie die Titel der Sekundärliteratur. Dieses Interesse ist nicht zuletzt von theologischen Fragen bedingt. So antwortet diese Einführung im Überblick auf den verbreiteten Wunsch, sich in Schellings Denken rasch hineinzufinden. Die Einführung (7-22) geht dem Interesse an Schelling vor allem im 20. Jh. nach. P. Tillich und auf katholischer Seite W. Kasper oder X. Tilliette sind die bekanntesten Zeugen. In vier Kapiteln werden chronologisch zunächst "Les débuts: de la theólogie à l'idéalisme transcendantal" (23-48), dann die "Philosophie de l'identité et théologie" (49-87) sowie die "Philosophie des weltalter théosophie et théologie" (88-134) behandelt, während die ",Spätphilosophie', philosophie de la religion et théologie" (135-201) und eine "Conclusion" (203-215) die Darstellung abschließen. - Schelling kommt von der Theologie her. Deren Fragen und Aussagen sind ihm vertraut, doch sucht er sie mit dem philosophischen Denken der Zeit zu vermitteln. Der Gott der Philosophen und der Gott der christlichen Geschichte - wie sind sie zu konzipieren, um zu einer denkerisch überzeugenden Fassung zu kommen? Die verschiedenen literarischen Versuche Schellings belegen sich entwickelnde Entwürfe; die frühen Veröffentlichungen bieten unterschiedliche Positionen, die auch in Auseinandersetzung mit anderen, dann vor allem mit Hegel gewonnen werden. Doch sollen all diese Beiträge dem Bewusstsein und dem wissenschaftlichen Geist der Zeit entsprechend innerhalb der Diskussion ihren anerkannten Platz haben.

Schelling geht dazu an Grenzen, wenn nicht über sie hinaus. Die Probleme des Bösen und des Mythus stehen am Anfang. Philosophie und Ich, Dogmatismus und Kritizismus halten den Prozess in Gang, der zum transzendentalen Idealismus führt. Die zweite Phase steht dann ganz unter dem Vorzeichen der Identität; das rechte Verhältnis von Philosophie und Religion, Philosophie und Theologie wird hier ausdrücklich zum Problem (54-78). Mythologie und der Name Schleiermacher markieren besondere Bezugspunkte. Die dritte Phase ist vor allem vom Problem der Welt geprägt. Notwendigkeit und Freiheit, Liebe und Zorn, Übergang zur geistlich-geistigen Welt, Naturalismus und Theismus, letztlich Absolutes und Geschichte lauten die Schwerpunkte. Einflüsse Böhmes und des frühen Schleiermacher sind spürbar. Über die Offenheit für die Romantik scheint ein Verständnis für Katholisches naheliegend, selbst wenn Schellings Platonismus sich mehr auf die Kirchenväter bezieht. Gleichwohl sucht er die ihn anregenden christlichen Offenbarungswahrheiten ähnlich wie Hegel, aber in ständiger Kritik an ihm und in Absetzung von dessen Position philosophisch in einer "Philosophie der Offenbarung" (vgl. 175-201) einzuholen, deren Stücke hier als "Christologie", "Satanologie" und "Ecclesiologie" vorgestellt sind. Abschließend ist von einer Theologie Schellings (203) die Rede, die sich in sein Denken einfüge, aber als gewagte Spekulation qualifiziert ist. Die zeitgenössischen Theologen des 19. Jh.s haben den Versuch als gescheitert angesehen. Er hat "aspects étranges, voire aberrants" (211), die auch seine Methode in Frage stellen. Über Kierkegaard indes (204 f.) scheint er in Anknüpfung und Ablehnung weitergewirkt zu haben. Seine Dialektik ist nach W. Kasper näher bei der Analogie der Theologie. Am Schluss der Übersicht bleibt indes die Frage, wie man dieses Denken zu charakterisieren hat, Philosophie oder Theologie oder gar Theosophie? (213) Eine Entscheidung zwischen diesen Möglichkeiten erweist sich als unzutreffend; so hat man seinen Beitrag in die sapientiale Tradition geistiger Bemühungen einzuordnen gesucht, was immer damit letztlich gemeint sein mag. Dass hier das Stichwort "Gnosis" naheliegt, kann nicht erstaunen. Die Grenzen des Denkens sind erfahren, neue Möglichkeiten werden in verschiedenen Erweiterungen gesucht. Vermittlung oder Trennung, das bleibt die Frage. "Schelling a génialement renouvelé le savoir socratique du non-savoir" (214 f.), meint der Vf., und halte so die Dimension der Transzendenz offen, ohne sich in einseitiger Suche des mystischen Dunkels zu verlieren. Damit habe er prinzipiell die idealistische Gnosis überwunden und lege so der Theologie Kategorien nahe, die Wirklichkeit des Glaubens im Horizont der Geschichte neu zu bedenken. Es sei sein Verdienst, die Verheißung der Zukunft und die Kraft des Beginnens herausgestrichen zu haben.