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Ausgabe:

Oktober/2001

Spalte:

1053–1055

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Heil, Uta

Titel/Untertitel:

Athanasius von Alexandrien: De Sententia Dionysii. Einleitung, Übersetzung und Kommentar.

Verlag:

Berlin-New York: de Gruyter 1999. X, 344 S. gr.8 = Patristische Texte und Studien, 52. Lw. DM 208,-. ISBN 3-11-016520-1.

Rezensent:

Markus Vinzent

Wer ist für eine Publikation verantwortlich? Gewiss, wer sie abfasst, aber doch auch, wer sie betreut, herausgibt, und schließlich auch, wer sie veröffentlicht. Verlage aber, auch renommierte wie de Gruyter, haben sich, wie dieses Buch nur zu deutlich dokumentiert, seit einigen Jahren aus der Verantwortung weitgehend herausgezogen. Nicht mehr die Verlage betreuen Inhalt und Layout, sondern dies ist inzwischen Sache der am Computer schreibenden Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen geworden (obwohl die Produkte nicht preiswerter, sondern teurer geworden sind).

Mit der Einsparung der Verlagslektoren und der gestiegenen Verantwortung der Autoren und Autorinnen kommt nun aber auch den Herausgebern (hier immerhin zwei Herausgeber, die "im Auftrag der Patristischen Kommission der Akademien der Wissenschaften in der Bundesrepublik Deutschland" Verantwortung tragen), den Betreuern (Doktorvätern/-müttern) und Gutachtern eine höhere Bedeutung zu. Wenn auch diese - aus welchen Gründen auch immer - offenkundig ausfallen, kommt heraus, was hier vorliegt: ein Werk, das (mit Ausnahme z. T. der Übersetzung aus Athanasius, die von Kolleg[inn]en durchgesehen wurde) niemand intensiv gelesen haben kann, und die Vfn. scheint es selbst einzig am Monitor geschrieben und nicht mehr im Ausdruck korrigiert zu haben.

Allein im Textteil (ohne korrekturbedürftige Postliminarien) zähle ich auf 272 Seiten 286 orthographische Fehler. Nicht berücksichtigt sind hierbei Wiederholungsfehler (Auf 19 Seiten G. Müller, Lexikon statt: G. Müller, Lexicon; wiederholt auch Lampe, Lexikon) und eine Fülle von grammatikalischen Ungereimtheiten. Doch auch über die typischen "Monitorfehler" hinaus, die bei einer einzigen Lektüre des Textes auf Papier sofort hätten ins Auge stechen müssen, zeigt das Werk sowohl im Deutschen wie im Griechischen eine Nachlässigkeit, die hier nicht im Detail aufzulisten ist. Meist werden orthographische Fehler der Migne-Ausgabe übernommen, an manchen Stellen führt die Oberflächlichkeit bis zur Unverständlichkeit:

Auf S. 162 steht in der Übersetzung (Dion. 10,5): "Und wie die Reben dem Weinstock homousios und aus ihm sind, so empfangen auch wir, die wir im Blick auf den Leib haben mit dem Leib des Herrn verwandt sind, aus seiner Fülle ..."; auf S. 217 ist nicht Photius(!), sondern Photin(!) zu lesen; 22778 findet sich: out oun (sic) kata diaresin (sic) oute kata tina apotomen ek tou patros ypostenai. mede gar (sic) dynasthai ten autou (sic statt aulou) kai noetan (sic statt noeran) kai asomaton physin somatikon ti pathos yphitasthai (sic); 24330 steht: "onomazon ton theon ta ktisamta (sic) kai ta geneta blepei kai katalambanei o de thein (sic) patera kalon ... Zu den Vorbehalte (sic) des Athanasius gegenüber dem Gebrauch von ,Agnesie' (sic)". Nachdem auf S. 263 zuvor ote statt ote und Christon statt Christon zu lesen war, folgt: pneumatos de otos (sic statt analogos) ... anatogos (sic statt analogos) palin ...; drei Seiten weiter liest man, nachdem man dort bereits kai statt kai, zweimal gar statt gar, men-de statt men-de, "Nur das Gewordenen" statt "Nur das Gewordene", "Sabellinaner" statt "Sabellianer" lesen musste: ",Es wurde mit gegeben' und ,ich empfing' und ,es wurde mit übergeben'" (266 f.) anstelle von: ",Es wurde mir gegeben' und ,ich empfing' und ,es wurde mir übergeben'".

Wie gestaltet sich der Inhalt dieser bei H. C. Brennecke gefertigten und von ihm in PTS mitherausgegebenen Dissertation? Die Vfn. will die 1982 von L. Abramowski aufgeworfene Frage klären, ob die bei Athanasius aufgeführten Fragmente aus dem Streit der Dionyse echt sind, oder ob sie "von einem anonymen Verfasser, der unter dem Namen des Dionys unmittelbar vor der Synode von Serdica 342 eine Annäherung der beiden charakteristischen Gestalten der griechischen Trinitätslehre, Euseb von Cäsarea und Markell von Ankyra, anstrebte" (1, Zitat L. Abramowski), stammen. Ihr wesentlich neuer Beitrag in dieser Sache ist "ein Stilvergleich zwischen (bislang) unzweifelhaft echten Briefen des Dionys (von Alexandrien, M. V.) und den Dionyszitaten bei Athanasius" (1; der Vergleich 36-71). Aus ihm ergibt sich, dass die Texte von verschiedenen Autoren herrühren. Es wird stillschweigend vorausgesetzt, dass Athanasius die "Dionys"texte zitiert, nicht referiert (denn dann hätte man sie im Detail mit Athanasius vergleichen müssen). Die Vfn. zieht den Schluss, dass die Zitate von einem anonymen Eusebianer aus der Zeit "um Serdica" (1) kommen, mit dem dieser den Vorwurf des Arianismus abwehren wollte. Der Text sei mit dem Namen des Dionys in Verbindung gebracht worden, weil auch dieser sich gegen eine monarchianisch ausgerichtete Theologie Roms habe verteidigen müssen (64). Damit Athanasius diesen Text wiederum für seine Zwecke gebrauchen konnte, habe er seinerseits seinem alexandrinischen Vorgänger Dionys "einen oder zwei Einschübe, die Dionys u. a. zum Zeugen für den Begriff omousios macht (sic)", unterschoben (65; etwas vager- was die Unsicherheit und Unbestimmtheit auch in der Argumentation andeutet - S. 71: "Den Textkomplex hat jemand [Athanasius?] überarbeitet"; S. 270: "Athanasius zitiert aus diesem Werk in decr. und macht wahrscheinlich selbst in freier Interpretation Dionys auch zum Zeugen für das omousios. Dies rief offensichtlich ... Protest hervor in der Gruppe der Eusebianer, so dass sich Athanasius gezwungen sah, ausführlich darzulegen, weshalb Dionys Zeuge für seine Position ist. Er schreibt Dion. und zitiert weitaus ausführlicher als in decr."). Zur Absicherung ihrer These zeigt die Vfn. in ihrem Kommentar zur Schrift die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu Dionystexten auf. Außerdem verweist sie auf Parallelen zu Texten aus der Diskussion um Eusebius von Cäsarea und Markell von Ankyra. Es verwundert, dass die Vfn. in diesem Zusammenhang lediglich an einer Stelle (durch Sekundärliteratur darauf gestoßen) auf die einschlägigen Schriften Ps.-Ath., Oratio IV contra Arianos und Ps.-Ath., Contra Sabellianos verweist (257) (145.271: Parallele zw. Dion. 27,1 und c. Ar. IV 3; 202: Parallele zw. Dion. 17,1 und c. Ar. IV 3, wobei letztere Stelle eine prägnantere Form der "feste[n] Regel" des Athanasius darstellt: "Im Umgang ... mit den ,Arianern' müsse man zuerst die Göttlichkeit des Sohnes nahelegen, anschließend erst den Inkarnierten", wohingegen man im Umgang mit den Sabellianern die menschlichen Aspekte des Sohnes betonen müsse"). In c. Ar. IV 1 ff. wird das omousios argumentativ eingeführt und begründet, was bereits in Ath., c. Ar. I 8 f. seinen Niederschlag gefunden hatte.

Die Vfn. stützt vor allem anhand des Stilvergleichs die These von L. Abramowski. Die literarische Abgrenzung von Athanasius' Eingriff und Einführung des omousios im "Dionys"zitat, die die Vfn. abweichend von L. Abramowski vornimmt, überzeugt auf Grund der bisherigen Argumentation nicht. Sie führt vier "Hinweise" an, die für einen "Einschub" sprechen (67), zwei stilistische (die sich dadurch entkräften, daß ,Dionys' in Dion. 18,2 auf einen anderen Brief verweist, der durchaus in einem verschiedenen Duktus hatte geschrieben sein können) und zwei inhaltliche. Letztere beziehen sich auf die Wahl der Beispiele zum Verhältnis von Vater und Christus (Dion. 18,2f.). Die angeführte, wenig präzise Interpretation führt zu keinem zwingenden Schluss. Wenn die Vfn. richtig läge, die "Interpretationen" der Beispiele in 18,2 und 18,3 widersprächen sich, so würde das lediglich für verschiedene Quellen sprechen, ein Befund, der ja vorliegt (zwei verschiedene Briefe!). In der Tat aber liegt kein Widerspruch vor, sondern lediglich eine verschiedene Tendenz oder bestenfalls eine unterschiedliche Ausrichtung der Beispiele.

In 18,2 wird berichtet, dass das Elternsein der Natur nach logisch zugleich mit der Existenz von Kindern verbunden sei (ousan omogene), Eltern von den Kindern also einzig unterschieden werden dürften, insofern sie selbst nicht die Kinder seien (da ansonsten weder Eltern noch Kinder existierten). In 18,3 werden die Beispiele von Pflanze und Samenkorn/Wurzel, von Fluss und Quelle genannt und darauf hingewiesen, dass das Hervorgesprossene bzw. Hervorgeflossene gegenüber seinem Ursprung etwas verschiedenes (in Gestalt und Name) sei, beides folglich existiere, ohne dass das eine das andere sei (und umgekehrt), jedoch in gleicher Natur auftrete (kathesteken omophyes), die Quelle als Vater, der Fluss als Wasser aus der Quelle. M. E. werden in beiden Briefen, wenn auch aus verschiedenen Perspektiven, das Verhältnis von Vater und Christus mit einem logisch-natürlichen Zeugungszugleich unterschiedlicher Entitäten umschrieben, das eine Definition der Homoousie voraussetzt, wie sie erstmals im 3. Jh. von Porphyrius als nähere Bestimmung der siebenten peripatetischen Kategorie des pros ti entwickelt worden ist (Porph., in cat. 118,8-16 zu Aristoteles, cat. 7b 15; vgl. auch ders., ad Gaurum 6,2; 14,3, worin eine neuplatonische Unumkehrbarkeit der Zeugungsrelation vorgegeben ist, die die Christen auf das Verhältnis Vater und Christus anwenden konnten; vgl. für Plotin etwa enn. V 1,6,37-39). Aus 18,2 und 18,3 vermag ich folglich keine Differenz herauszulesen, die eine Quellenscheidung erlauben würde, wie sie die Vfn. vornimmt. Sehr wohl aber spricht die angegebene Porphyriusvorlage, die erstmals von Apolinarius von Laodicea aufgegriffen (erstmals in Ps.-Ath., c. Ar. IV) und für das Christentum fruchtbar gemacht worden ist, dafür, dass der von Athanasius benutzte und zitierte Text des Dionys von Alexandrien ein nachapolinaristisches Fabrikat des 4. Jh.s und kein Original des 3.Jh.s darstellt.

Wie diese kurze Anmerkung und die voranstehenden kritischen Beobachtungen erweisen, bedarf die im vorliegenden Werk behandelte Schrift De sententia Dionysii des Athanasius weiterhin einer sorgfältigen Untersuchung, bei der man sich dankbar auf die nun vorliegenden hilfreichen Stiluntersuchungen der Vfn. stützen kann.