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Ausgabe:

Oktober/2001

Spalte:

1030–1034

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Otto, Eckart

Titel/Untertitel:

Das Deuteronomium. Politische Theologie und Rechtsreform in Juda und Assyrien.

Verlag:

Berlin-New York: de Gruyter 1999. X, 432 S. gr.8 = Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft, 284. Lw. DM 198,-. ISBN 3-11-016621-6.

Rezensent:

Christof Hardmeier

Die Monographie von Eckart Otto zieht die Summe aus einer großen Zahl von Einzelstudien nebst zahlreichen Rezensionen zur Forschungsliteratur, die der Autor vor allem in den 90er-Jahren zum Buch Deuteronomium vorgelegt hat (vgl. Literaturverzeichnis, 403-410). Sie entfaltet in vier Teilen Otto's Gesamtschau auf das joschijanische Deuteronomium im historisch-politischen Kontext der Emanzipation Judas von Assur nach dem Tode Assurbanipals (631 v. Chr., 69) und begründet die literaturgeschichtlichen Grundentscheidungen für den vom Autor angekündigten ATK-Kommentar.

Die Einleitung (1-14) beginnt mit einer Art Vorspiel (1-6). Darin weist der Vf. auf besonders enge sprachliche Parallelen zwischen der Mittelassyrischen Rechtssammlung (MAG) und den eherechtlichen Bestimmungen in Dtn 22,22-29 einerseits und zwischen dem Textkorpus des Nachfolgeeids Asarhaddons (VTE 10; 12; 18; [29]; 57) und Dtn 13,2-10* sowie Dtn 28,20-44* (VTE 56) andererseits hin, um sein Ziel zu umreißen, "diese Beziehungen zwischen dem Deuteronomium, den MAG und den VTE in Art und Umfang genauer zu bestimmen und nach den Konsequenzen für die literaturhistorische Analyse des Deuteronomiums zu fragen" (6). In Auseinandersetzung mit der Forschungsgeschichte seit W. M. L. de Wette und ihren Aporien (6-14) grenzt sich der Vf. vom bisherigen Forschungsparadigma ab, das "eine Grundlegung der Literaturgeschichte des Deuteronomiums" (6) auf der Basis der "Korrelierung eines ,Urdeuteronomiums' mit dem Fund- und Reformbericht in 2Kön 22-23" (13) gesucht hat, jedoch auf Grund seiner Zirkelschlüssigkeit obsolet geworden ist.

Demgegenüber postuliert der Vf. im zweiten Hauptteil (15-90) in methodischer Hinsicht einen "Neuansatz, der seinen Referenzrahmen außerhalb des Alten Testaments ..., in diesem Sinne also in ,external evidence'" sucht (33), wobei "sicher datierbaren außerbiblischen Texte[n] eine Schlüsselstellung zu[kommt], da sie allein Zirkelschlüsse vermeiden lassen" (38). Der Vf. sieht insbesondere in den eingangs vorgestellten assyrischen Parallelen (MAG und VTE) die maßgebenden Schlüsseltexte, von denen her er die Vorstufen eines dtn redigierten Deuteronomiums aus der Zeit Joschijas rekonstruiert. Deshalb widmet er sich als erstes dem ",Sitz im Leben' der neuassyrischen Nachfolgeeide und ihrer Vorgeschichte ..." (15,15-32).

In Auseinandersetzung mit der assyriologischen Forschung lehnt der Vf. mit einleuchtenden Gründen die herkömmliche Interpretation der VTE als Vasallenverträge ab (16-18) und bestimmt sie im Anschluss an H. Tadmor als Loyalitätseide (19 ff.), die "an eine bereits junghethitisch im 13. Jh. belegte Gattung der Treueide bei irregulärer Thronfolge an(knüpfen)" (21). Für den Neuansatz des Vf.s "ist es von Bedeutung, dass die neuassyrischen Treueide nur im Kontext der irregulären Thronfolge Asarhaddons und Assurbanipals in den Jahren zwischen 683/82 v. Chr. und 669/68 belegt sind" (32) und dass die Meder mit der Zertrümmerung der VTE-Tafeln bei der Eroberung von Kalah um 612 (vgl. 15 f.) "der Gattung des Treueides und damit dieser Form der Herrschaftssicherung ein Ende (machten)", ohne dass "aus neubabylonischer" oder "persischer Zeit" noch "Treueide überliefert (sind)" (32).

Denn der Vf. versucht im Folgenden (34-64) den Nachweis zu führen, dass Dtn 13,2-10* ein "der spätvorexilischen dtn Redaktion vorgegeben[er]" Basistext sei, dem "die Übersetzung von VTE 10 zugrunde [liegt], in die" ihrerseits "Elemente aus VTE 12; 18; (29); 57 eingebaut" worden sein sollen (64). Zusammen mit den Fluchpassagen von Dtn 28,15*.20-44*, die wie 13,2-10* "Übersetzungen aus den VTE [sind]", ergeben diese Texte "zusammengefügt eine literarische Einheit der Gattung des Loyalitätseides" (68, zum rekonstruierten Wortlaut vgl. 67 f.) und sollen als "beeidete Loyalitätsverpflichtung gegenüber JHWH" gemäß dem "Fundbericht in 2 Kön 22 f. ... öffentlich verlesen und zur Grundlage der Reform des Königs Josia" gemacht worden sein (75).

Während auf die Problematik dieser Text-Rekonstruktion noch zurückzukommen sein wird, liefert der Vf. eine interessante theopolitische Interpretation der transformativen Anküpfung an die assyrischen Loyalitätseide und ihre Übertragung auf die Unbedingtheit der JHWH-Beziehung: "Durch die Übersetzung des neuassyrischen Textes und die Übertragung der Loyalitätsforderung auf JHWH wird subversiv dem assyrischen Großkönig die Loyalität entzogen", was "historisch am ehesten zur Zeit Josias möglich gewesen (ist)", d. h. in der Zeit der "Nachfolgestreitigkeiten nach dem Tode Assurbanipals (631 v. Chr.)" (69, vgl. die Zusammenfassung 217).

Damit versucht der Vf., die von J. Assmann bereits 1992 veröffentlichte These der theopolitischen "Umbuchung" auf eine textliche Grundlage zu stellen, wonach in der dtn Bundestheologie "die Beziehung des Vasallen zu seinem Oberherrn ... nicht verglichen [wird] mit der des Volkes zu Gott, sondern sie wird dem Konto politischer Beziehungen abgezogen und dem Konto religiöser Beziehungen gutgeschrieben."1 Das Hauptproblem von Ottos Interpretation liegt darin, dass sich die Assmannsche These auf der Basis seiner Text-Rekonstruktion weder begründen noch untermauern lässt.

Im dritten Hauptteil (91-202) wendet sich der Vf. ausführlich den "Rechtsreformen in der Mittelassyrischen Rechtssammlung" zu (91) und konzentriert sich auf die Tafel A mit ihren zahlreichen Doppelbelegen von Rechtsbestimmungen, um an diesem Material die Techniken und den redaktionsgeschichtlichen Prozess innerhalb der "Schrift eines Reformprogramms" nachzuzeichnen, die "im Dienst der öffentlichen Gerichtsbarkeit formuliert" worden sei (202).

Konkret führt der Vf. den Nachweis, dass eine "vorgegebene, ursprünglich selbständig tradierte Eherechtssammlung ... durch die Einbindung in den Kontext des Reformprogramms in den Horizont öffentlicher Rechtspflege gestellt und aus rein privatrechtlichem Zusammenhang gelöst" worden sei, indem sie "durch eine ergänzende und korrigierende Fachwerkstruktur" (202, vgl. die Graphik, 201) in diesen Kontext integriert wurde. Da den meisten Leserinnen und Lesern wie auch dem Rez. die nötige assyriologische Kompetenz fehlt, die Argumentation des Vf.s kritisch zu überprüfen, kann man ihm hier nur "glauben". Skeptisch stimmt allerdings die unhinterfragte Verwendung moderner juristischer Kategorien wie "staatliche" bzw. "öffentliche Gerichtsbarkeit" (202) oder die Dichotomie von "privat" und "öffentlich" in der Strafverfolgung (97 f.) als Ausgangspunkt der "überlieferungs- und redaktionsgeschichtliche[n] Analyse" (vgl. 98 ff.), ohne dass der Vf. diese Terminologie rechtshistorisch oder -soziologisch reflektiert. Die gleiche Skepsis gilt gegenüber der Behandlung der Einzelabschnitte unter rein materialrechtlichen Gesichtspunkten ("Pfandrecht", "Eherecht", "Strafrecht" etc., vgl. z. B. 201), die die "Logik der Redaktion" auf einen Prozess der "Kompilation" von Bestimmungen unterschiedlicher Rechtssphären reduziert (96) in Form einer "Fachwerkstruktur" (202), deren Funktion als Gesamtgestalt jedoch außer Betracht bleibt.

Der Vf. begründet diesen langen Ausflug in die Reformgeschichte des assyrischen Rechts damit, dass sich "genau dieser Befund" auch "im Deuteronomium wiederholen [wird]" (202), was er im vierten und letzten Hauptteil nachzuweisen versucht, um damit auf einem weiteren Feld "external evidence" aufzuweisen.

Die These lautet: "Auch dort wird eine Familienrechtssammlung, in deren Mittelpunkt das Eherecht steht, als ursprünglich selbständig tradiertes Korpus übernommen und in den Horizont eines Reformprogramms gestellt, um durch eine Fachwerkstruktur, die auch Stipulationen des Pfandrechts enthält, in das Reformprogramm eingehängt zu werden" (202). Wie der Vf. im zweiten Hauptteil anhand von Dtn 13* und 28* einen judäischen Loyalitätseid gegenüber JHWH zu rekonstruieren versucht, der weitgehend aus einer direkten Übersetzung von VTE-Texten kompiliert worden sein soll und als Text-Vorstufe der dtn-joschijanischen Redaktion des Deuteronomiums vorgegeben war, so will er auch in Abschnitt IV 2 nachweisen, dass die in "Dtn 21,15-24,4a*" vorliegende "protodtn Familienrechtssammlung Züge eines Reformprogramms" trägt und als Überlieferung "unter neuassyrischem Einfluß" steht (216), wobei in analoger Weise "im Familienrecht das Privatstrafrecht zugunsten des öffentlichen Strafrechts ein[ge]schränkt und die Rechte der Frau [ge]stärkt" worden seien (216 f.). Den "Ort der Rezeption" (213) dieser Redaktionsverfahren, "wie die in MAG.A 12-16 belegten" (ebd.), sieht der Vf. in der Jerusalemer "Rechtsgelehrsamkeit ..., die die im Lande beheimateten Rechtssätze zu Ausbildungszwecken juristisch bearbeitet und zu Rechtssammlungen redigiert" habe. Dabei hätte sich "unter der assyrischen Oberhoheit" im 7. Jh. v. Chr. auch "der keilschriftrechtliche Einfluss auf das judäische Recht noch [intensiviert]" (ebd.), was aus der besonderen Nähe des Eherechts in MAG.A 12-16 zum entsprechenden Teil in Dtn 22,22-29* hervorgeht.

Auf S. 217 f. fasst der Vf. die bisherigen Erkenntnisschritte zusammen, um dann in dem erneut sehr umfangreichen Abschnitt IV 3 (218-364) am Gesetzeskorpus von Dtn 12-26 einen analogen, neuassyrisch inspirierten Redaktionsprozess nachzuweisen, in welchem das Bundesbuch reformuliert worden sei. Als Ausdruck des dtn Reformprogramms, das mit der Umbuchung des Loyalitätseides auf die JHWH-Beziehung auch die Kultzentralisation vollzieht, dient diese Reformulierung dem Ziel, die gegenüber "der assyrischen Staatstradition ... überlegene Aktualität" der eigenen Rechtstradition hervorzuheben, indem sie in Gestalt des rezipierten Bundesbuches "als ausgelegter Text ... im Horizont des Deuteronomiums als auslegender Text gelesen werden soll" (351).



Im Einzelnen zeichnet der Vf. diese Rezeption des Bundesbuches "in der deuteronomischen Gerichtsordung in Dtn 16,18-18,5*" (238 ff.), "in der materialen Rechtsordnung ... in Dtn 19,2-25,12*" (250 ff.) und im "Rahmen des sozialen Privilegrechts in Dtn 14,22-14,23*; 26,2-13*" (303 ff.) nach, gefolgt von Nachweisen einer "Rezeption von Ex 34,18-26* (23,14-19) in der Festordnung Dtn 16,1-17*" (324 ff.) und "des Altargesetzes ... Ex 20,24-26 in den Zentralisationsgesetzen in Dtn 12,13-27*" (34 ff.). Alle Abschnitte werden - wie auch sonst im Buch - durch konzise Zusammenfassungen abgeschlossen.

An der "Rezeption der Gesetzesanordnung des Bundesbuches in der Redaktion des deuteronomischen Reformprogramms in Dtn 12-26*" legt der Vf. insgesamt dar, inwiefern der "stringente Aufbau" des Bundesbuches "dem des dtn Gesetzes nahekommt" (351, vgl. die Graphiken 352 ff.) und im Bundesbuch "die Wurzeln der Theologie des dtn Reformprogramms ... zu finden" sind (356). Überlegungen zur Eröffnung des Reformprogramms durch das Bekenntnis von Dtn 6,4 f. (360ff.) schließen diesen Durchgang durch die mit dem Schema' Jisra'el eröffnete Programmschrift von 12-26* + 28* und durch die Rezeptionsweisen ihrer verschiedenen Vorstufen ab, um als letztes dieses Programm in IV 4 (364-378) in den zeit- und sozialgeschichtlichen Horizont der assyrischen Herausforderung und der Krise Judas seit dem Ende des 8. Jh.s v. Chr. einzuordnen (364 ff.).

Dabei zieht der Vf. die konzeptionellen Grundlinien der "Reinheit von Volk und Land sowie der sozialen Verantwortung der Schwachen" als Konsequenz aus der exklusiven JHWH-Beziehung aus (366 ff.) und bestimmt ihre "Wahrung ... im Recht und die Wahrung der Einheit des Volkes im geschwisterlichen Solidarethos" als "Einlösung der Loyalitätsforderung gegenüber JHWH" (377), mit der sich das joschijanische Juda radikal abgesetzt hat von der Vasallenloyalität gegenüber dem assyrischen Großkönig.

Was ist von diesem umfangreichen Werk insgesamt zu halten? Der Gesamteindruck ist zwiespältig. Einerseits ist die historische und theopolitische Rahmen-Erkenntnis zweifellos richtig, dass es 1. ein joschijanisches Reformstatut gegeben haben muss, dass sich 2. dieses Reformwerk mit neuassyrischen Rechtstraditionen und Dokumenten der Loyalitätsverpflichtung von Vasallen intensiv auseinandergesetzt und 3. durch "Umbuchung" der unbedingten "Liebes"-Bindung allein auf die Beziehung zu JHWH der Loyalität gegenüber Assur subversiv den Boden entzogen hat. Auch dokumentiert und diskutiert die Monographie umfassend die Sekundärliteratur und kann damit - unterstützt durch ausführliche Register - als hilfreicher und im Ganzen zuverlässiger Wegweiser sowohl im unübersehbaren Hypothesen-Dschungel um das vorexilische Deuteronomium als auch im sozio-historischen Umfeld der assyrischen Epoche dienen, auch wenn man die Auffassungen des Vf.s nicht immer teilt. Nicht zuletzt liest sich das Werk auf weite Strecken (vor allem ab 217 ff.) als Vorarbeit zum angekündigten Deuteronomium- Kommentar und liefert eine Vielzahl von Detailbeobachtungen zur Neuinterpretation des Bundesbuches im dtn Rechtskorpus.

Dabei vermisst man allerdings eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Tora-Buch von F. Crüsemann,2 der - wenn auch mit einer ganz anderen Herangehensweise - im dtn Rechtskorpus trotz "vielfacher Spuren von Aktualisierung und Novellierung" des Bundesbuches stärker "eine völlige Neukodifizierung" sieht (235), die als "umfassende Verfassung für Volk und König" unter Joschija in einem "bewußte[n] Akt der ,Gründung der Freiheit'" vor allem zu Gunsten des 'am ha'araes in Kraft gesetzt wurde (322), allerdings ohne dass bei Crüsemann die von Otto zutreffend vermutete Emanzipation von Assur in den Blick kommt.

Andererseits fehlt der "external evidence" jede Grundlage, die der Vf. insbesondere in der Textnähe von Dtn 13,2-10* und 28,15*.20-44* zu den VTE und den Eherechtsbestimmungen von Dtn 22,22-29* zum Eherecht der MAG.A begründet sieht. Denn bei der Rekonstruktion des Loyalitätseids (ab 38 ff.) aus Dtn 13* und 28* (zum Text vgl. 67 f.) handelt es sich um eine reine Schreibtisch-Fiktion, die zu beweisen vorgibt, was sie von vornherein voraussetzt, und damit die Zirkelschlüssigkeit, die der Vf. an der bisherigen Forschung zu Recht kritisiert (13 f. 38), durch eine neue ersetzt.

Unhinterfragt wird nämlich von Anfang an vorausgesetzt, dass diese Textnähe auf direkten Übersetzungen und wörtlichen Übernahmen aus den VTE beruht, sozusagen auf einer Textmontage, der die VTE als direkte Vorlage gedient haben sollen, wie die Argumentationsweise des Vf.s schon auf S. 2-6 verrät. Irgendein anderes Erklärungsmodell für die unbestreitbare und in der Forschung seit langem bekannte Text-Text-Beziehung (M. Weinfeld, D. J. McCarthy) wird nirgends in Erwägung gezogen, geschweige denn, dass es ebenso dichte Sach- und phraseologische Querbeziehungen zu den VTE auch außerhalb von Dtn 13* und 28* gibt (vgl. z. B. das Respekt-Gebot Dtn 6,13 und VTE 34, 393-396 oder die eidliche Verpflichtung Dtn 29,13 f. und VTE 25, 383 ff.). Dass sich der Vf. ab S. 34 zudem ohne ersichtliche Gründe allein auf die literarkritische Analyse von Dtn 13* konzentriert, wird nur vom angezielten Ergebnis her plausibel.

Auch greift er "nach allen Regeln der Literarkritik" (40) aus der Fülle von diachronen Schichtungs-Hypothesen (34-38) und atomistischen Einzelbegründungen für die Zuordnung von Wörtern und Versfragmenten zu den jeweiligen Schichten (38 ff.) stets nur jene heraus, die seine neue Text-Rekonstruktion stützen. Bei nüchterner Betrachtung dürfte es jedoch dabei bleiben, dass der "Fremdkörper" von Dtn 13,2 ff. "im dtn Gesetzeszusammenhang" (64) zusammen mit 17,2-7 der exilisch-dtr Überformung des joschijanischen Reformstatuts zuzschreiben ist. Denn das Gedankengut und die einschlägige Diktion der neuassyrischen Loyalitätseide, denen Dtn 13* ohne Zweifel nahesteht, konnten auch unter den exilischen Nachfahren der judäischen Funktionseliten längst nach der Zerschlagung der VTE um 612 noch bekannt geblieben sein, zumal unter den Exzerpten aus den Königs-Annalen, die diese Tradenten nach Ausweis der Königsbücher in die Exilszeit hinübergerettet haben müssen, durchaus auch die judäische Version eines Loyalitätseides vermutet werden kann, von dem Dtn 13* inspiriert ist.

Das Grundproblem dieser fragwürdigen Vorstufen-Rekonstruktion liegt jedoch darin, dass sich die klassische Literar- und Redaktionskritik mangels intersubjektiv überprüfbarer Kohärenz-Kriterien schon in ihrem Ansatz durch eine undurchschaubare Beliebigkeit und entsprechende Hypothesen-Vielfalt auszeichnet. Ihr sucht der Vf. vergeblich durch die "external evidence" eines Loyalitätseides zu entgehen, der aus VTE übersetzt und wie Textbausteine kompiliert worden sein soll. Denn diese Evidenz wird nicht erwiesen, sondern von Anfang an als externer Maßstab der Rekonstruktion eines Hybrid-Textes vorausgesetzt, der 2700 Jahre später aus den VTE einerseits und Dtn 13*; 28* andererseits herausdestilliert wird, was jeder archäologischen Vorsicht und literaturgeschichtlichen Behutsamkeit in der Vorstufen-Rekonstruktion widerspricht. Somit liefert die besprochene Monographie mit ihrem Anspruch eines methodischen Neuansatzes (33) insofern auch unfreiwillig einen Beitrag zur Forschung, als sie auf hohem Niveau die Aporien einer klassisch gewordenen Literar- und Redaktionskritik offenbart, die jedoch nicht durch "external evidence" zu retten ist, sondern umso dringlicher abgelöst werden muss durch einen Paradigmawechsel innerhalb der historisch-kritischen Forschung selbst.

Fussnoten:

1) J. Assmann, Politische Theologie zwischen Ägypten und Irsael (Carl Friedrich von Siemens-Stiftung, Privatdruck, München 1992), 81, vgl. jetzt ders., Herrschaft und Heil. Politische Theologie in Ägypten, Israel und Europa (Darmstadt, 2000), 51.

2) F. Crüsemann, Die Tora. Theologie und Sozialgeschichte des alttestamentlichen Gesetzes (München, 1992).