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Ausgabe:

September/2001

Spalte:

987 f

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Miscik, Peter

Titel/Untertitel:

Triniät und Kirche. Die Entwicklung trinitarischer Kirchenbegründung in den Dokumenten der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung des ÖRK.

Verlag:

Frankfurt/M.: Lembeck 1999. 253 S. 8. Kart. DM 48,-. ISBN 3-87476-344-7.

Rezensent:

Gisbert Greshake

Das Werk - eine bei Prof. W. Löser in Frankfurt, St. Georgen angefertigte Dissertation eines slowakischen römisch-katholischen Theologen - untersucht in chronologischer Reihenfolge die Dokumente der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung des Ökumenischen Rates der Kirchen von Lausanne (1927) bis Santiago de Compostela (1993) unter der Fragestellung: Wie muss die Kirche verstanden werden, wenn sie eine trinitarische Kirche ist, wie ist der dreifaltige Gott zu verstehen, wenn er den Grund der Kirche darstellt (vgl. 14)? Erkenntnisleitendes Interesse ist die Vermutung, dass sich in einer ökumenischen trinitarischen Ekklesiologie "eine Lösung für die unbewältigte Trennung zwischen den Kirchenkonzepten verbirgt. Es geht also darum, durch eine Vertiefung des trinitarischen Gottes- und Kirchenverständnisses eine kohärente und komplementäre Ekklesiologie zu entwerfen, die offen und weit genug ist, alle konfessionellen Kirchenverständnisse aufzunehmen und zu integrieren ..." (ebd.).

In ihrer Methode folgt die sehr klar gegliederte, flüssig geschriebene und problembewusst angelegte Studie an jeder der dokumentierten "Stationen" ein und demselben Schema: Der theologische Befund wird geschichtlich eingeordnet - auf das zu Trage tretende trinitarische Gottesverständnis hin entfaltet- mit seinem trinitarischen Kirchenverständnis akzentuiert- hinsichtlich seiner Stärken und Schwächen, aber auch seiner ökumenischen Konsensfähigkeit reflektiert. Eine ausgezeichnete Schlussbetrachtung weist auf offene, in Zukunft unbedingt zu behandelnde Aufgaben hin, so z. B. die auf die bisher fast völlig unbearbeitete Frage nach Reichweite und genauem Charakter der Analogie zwischen Trinität und Kirche sowie auf die noch weithin fehlende Einordnung des von der protestantischen Tradition favorisierten kreuzestheologischen Kirchenverständnisses in eine trinitarische Ekklesiologie.

Insgesamt stellt die Studie sowohl eine hervorragende Materialsammlung wie auch eine gelungene problemgeschichtliche und systematische Darstellung der ekklesiologischen Arbeit der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung dar.

Gegenüber diesen Positiva tritt eine Fragwürdigkeit durchaus zurück, soll aber doch benannt werden: Auf dem "Waschzettel" heißt es - und die Sätze geben sehr präzise die Struktur der Arbeit wieder -, "daß in den Dokumenten ... trotz des Zusammenspiels vieler Faktoren ... doch ein roter Faden, eine Struktur, eine Logik erkennbar ist. Es ist die Tendenz zu einer immer ausdrücklich werdenden trinitarischen Grundlegung des Kirchenverständnisses ...". Genau das aber dürfte bezweifelt werden. M. E. unterscheidet der Vf. nicht klar auf der einen Seite zwischen "orbiter dicta", d. h. jenen "Ornamenten" theologischer Sprache - trinitarische Doxologien oder auch nur trinitarische "Füllsel" -, die sich in den Dokumenten finden, selbst da, wo der Glaube an den dreieinen Gott keine konstitutive Rolle spielt, und auf der anderen Seite Formulierungen, die eine wirkliche trinitarische Struktur zum Ausdruck bringen. So können gelegentlich ein paar trinitarische Bemerkungen zu einem trinitarischen "Ansatz" hochstilisiert werden (vgl. 90), oder es kann da, wo in den Texten ausdrücklich nur die konstitutive Rolle der Taufe oder der koinonia behandelt wird, dekretiert werden, dass beides nichts anders als trinitarisch denkbar sei (z. B. 92 f.). An anderen Stellen scheint der Vf. selbst die Exzessivität seiner Interpretation zu bemerken, wenn er Formulierungen verwendet wie "implizit (oder auch: indirekt) trinitarisch" (z. B. 57, 73f.115.127.234). In der Tat: M. E. kann man frühestens ab Nairobi (1975), dann freilich in zunehmendem Maß, von einer trinitarischen Ekklesiologie sprechen.

Das heißt aber: Über weite Strecken, also über all das, was Nairobi vorausgeht, handelt die Studie nicht eigentlich von dem, was Titel und anfängliche Themenvorstellung aussagen. Es geht nicht (nur) um den durchgehenden trinitarischen Faden im Kirchenverständnis, sondern (darüber hinaus) um die sich wandelnden ekklesiologischen Grundkonzepte der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung. Das wird auch sehr deutlich in ein paar Zusammenfassungen, die der Vf. selbst gibt (z.B. 205.233) sowie an einigen umfangreichen Abschnitten der Arbeit, die schon von ihrer Themenstellung kaum etwas mit Trinität zu tun haben ("Die kosmische Christologie": 116 ff.; "Die Kirche und das jüdische Volk": 124 ff.). Diese "Ausweitungen" sind als solche natürlich nicht zu beanstanden; sie zeigen nur, dass die Insinuation von einer durchgehend sich allmählich entfaltenden trinitätstheologischen Struktur des Kirchenverständnisses fragwürdig ist. Diese kritische Bemerkung ist jedoch - dies sei wiederholt - absolut zweitrangig sowohl gegenüber dem hohen informativen Wert der Arbeit als auch gegenüber ihren äußerst wichtigen Anregungen zur Weiterführung des ökumenischen Gesprächs über Strukturen und Konsequenzen einer trinitarisch verfassten Kirche. Insofern sei die Studie nachhaltig empfohlen.