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Ausgabe:

September/2001

Spalte:

941 f

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Pring-Mill, Robert

Titel/Untertitel:

Der Mikrokosmos Ramon Llulls. Eine Einführung in das mittelalterliche Weltbild. Aus dem Katalanischen übers. von U. Roth.

Verlag:

Stuttgart-Bad Cannstatt: Frommann-Holzboog 2001. XII, 141 S. m. 14 Abb. 8 = Clavis Pansophiae, 9. Geb. DM 98,-. ISBN 3-7728-2002-6.

Rezensent:

Karl-Hermann Kandler

Weil Raimundus Lullus (RL) für viele Theologen, auch für solche, die sich mit mittelalterlichem Denken befassen, noch immer ein Buch mit sieben Siegeln ist, begann der Rez. das Buch mit großem Interesse zu lesen. Diese Erwartung hat sich nicht voll erfüllt. Die Einführung hat aber ihre unverwechselbare Bedeutung. Sie liegt darin, dass ein Katalane, ein Landsmann von RL, uns dessen Werk beschreibt. Der Vf. ist weder Philosoph noch Theologe, sondern Professor für Literatur; er hat sich intensiv in das Werk von RL eingearbeitet und kann es den Lesern gut darlegen und in das mittelalterliche Weltbild einfügen. Das erste Kapitel ist mit "Gesichtspunkte" (131), das zweite mit "Das mittelalterliche Weltbild" (33-90) und das dritte mit "Das lullsche Weltbild" (91-131) überschrieben. Das Leben von RL wird nicht dargestellt. Damit bleibt manches unverständlich.

Das Weltbild von RL ist geprägt vom Zusammentreffen der drei großen monotheistischen Religionen. Unter der Leitung seines Lehrers Ramon de Penyafort entwickelten die Dominikaner in Katalonien eine bestimmte Bekehrungstechnik, die RL beeinflusst hat. Stets hat er versucht, in Disputationen seine Auffassung mit dem Wort darzulegen; ihr Ziel ist es, "Falschheit zu verfolgen und Wahrheit zuzulassen". So soll die Häresie bekämpft werden. Er will den Glauben mit "notwendigen Gründen" beweisen. Seine Lehre ist eine solche von den absoluten und von den korrelativen Prinzipien. Sie geht aus von den dignitates, den göttlichen Grundwürden. Seine Methode umfasst den Dreischritt induktiv - vergleichend - beweisend. Er behauptet, "alle Wissenschaften bestehen auf Grund der Theologie" (18).

Ähnlich wie später Nikolaus von Kues hat er die Mathematik zu Hilfe genommen, um sie darzustellen und die "hierarchische Konzeption der Stufenleiter des Seins" als eine "zutiefst geordnete Sicht der Schöpfung" zu erklären (64), wobei pythagoreische Auffassungen Pate standen (68). Die Zahl 3 besaß für ihn eine transzendente Bedeutung, was überhaupt für mittelalterliches Denken gilt. RL sah im Menschen den Mikrokosmos für den Makrokosmos der ganzen Schöpfung (82 ff.) und betonte die Analogie zwischen der gesellschaftlichen Ordnung und dem Makrokosmos der Natur, dem Makrokosmos der Natur und dem Mikrokosmos des Menschen sowie dem Mikrokosmos des Menschen und der gesellschaftlichen Ordnung. Dabei wird deutlich, wie sehr RL von augustinischem Denken geprägt ist. RL versteht das Bild der Trinität so, dass Gott in drei Weisen ein mögliches Objekt für den Menschen darstellt: sich an Gott zu erinnern, an ihn zu denken und ihn zu lieben (99). Das Ziel des Menschen besteht darin, dass Gott ihn zu sich hin geschaffen hat. In Christus ist dies Ziel erreicht (101). Die Dreierfolge Materie/Form/Übereinstimmung "in all dem, was Werk ist", ist der Ursprung seiner Korrelationslehre. Dieser Ternar wird mit der trinitarischen Ähnlichkeit im Geschöpf gleichgesetzt (110). RL versteht den Menschen als animal hominificans, insofern er aus einem hominificativum als seiner Form, einem hominificabile als seiner Materie und einem hominificare als Übereinstimmung besteht (130 f.).

RL geht von dem den drei Religionen gemeinsamen neuplatonischen Erbe aus, um Nichtchristen von dem generell Annehmbaren des christlichen Glaubens zu überzeugen. Seine neue Methode, die er selbst ars nova nennt und durch die er bekannt geworden ist, wird kaum nach seinen bekannteren Werken, der Ars generalis ultima und der Ars brevis, dargestellt. Von seinem missionarischen Impetus hätte man gern mehr vernommen. Seine Wirkungsgeschichte, die er durchaus gehabt hat (Nikolaus von Kues, in zahlreichen Beiträgen von E. Colomer beschrieben), wird nicht dargestellt. Da das Werk bereits vor über 40 Jahren verfasst wurde (1960), steht es nicht auf der Höhe der Forschung, zu der der Vf. doch beigetragen hat. Als Einführung erfüllt es jedoch durchaus seinen Zweck.