Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

September/2001

Spalte:

938 f

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

(1) Iotsald von Saint-Claude (2) Staub, Johannes

Titel/Untertitel:

(1) Vita des Abtes Odilo von Cluny. Hrsg. von J. Staub.
(2) Studien zu Iotsalds Vita des Abtes Odilo von Cluny.

Verlag:

(1) Hannover: Hahnsche Buchhandlung 1999. VIII, 366 S. m. 2 Abb. gr.8 = Monumenta Germaniae Historica (Scriptores: 7, Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatim editi), 68. Geb. DM 78,-. ISBN 3-7752-5389-0.
(2) Hannover: Hahnsche Buchhandlung 1999. XIV, 98 S. m. 8 Abb. gr.8 = Monumenta Germaniae Historica, Studien und Texte, 24. Geb. DM 30,-. ISBN 3-7752-5724-1.

Rezensent:

Gert Haendler

Die beiden Bücher lagen zusammen der Neuphilologischen Fakultät der Universität Heidelberg 1997 als Dissertation vor. Staub beruft sich auf einen Überblick von Dominique Iogna-Prat 1992, der die Überlieferung von Abt Odilo als wissenschaftlich "sehr schlecht aufgearbeitet" bezeichnet hatte (1). Mehrere Gedichte lagen nur getrennt vom Prosatext vor. "Wollte man bislang den Werkkomplex von Prosa und Dichtungen lesen, so mußte man mehrere Texteditionen nebeneinander benutzen, wobei selbst dann noch Lücken bestehen blieben" (3). Iotsald, der Autor der ältesten Vita Odilonis, ist vermutlich "spätestens um 975 geboren und somit um 13 Jahre jünger als sein Lehrer Odilo, dem zwischen 991 und 993 die Erziehung des puer oblegen haben könnte" (29). Um 1040/42 wurde Iotsald Abt von St. Claude, im Alter von 70 Jahren begleitete er 1046/47 Abt Odilo von Cluny auf einer Romreise. Kurz nach Odilos Tod 1049 hatte Iotsald dessen Vita verfasst. Er hat dem Abt Odilo nahe gestanden, er bezeichnet sich mehrfach als Augenzeugen oder als Zuhörer eines Zeugen, zweimal hat er Worte Odilos zitiert (15 f.).

Im Jahre 1063 hat Petrus Damiani die Reliquien Odilos erhoben. Mit dieser Handlung sowie der Weihe eines Altars begründete er "den offiziellen Anfang für den Heiligenkult Odilos" (6). Petrus Damiani kürzte die Vita Iotsalds auf knapp ein Drittel, diese gekürzte Vita wurde weit verbreitet (MPL 144, 925-944). Die jetzt vorgelegte Textedition lässt die Kurzfassung Damianis weg, weil die Klärung der Details zu weit führen würde. Erstmals werden auch die kleineren Texte über Odilo in diesem Band zusammen ediert.

Über die einzelnen Stücke informiert Kap. 3 "Die kleineren Texte des Odilo-Dossiers" (47-55). Ausführlich berichtet St. von den Handschriften (68-110) und der Klassifizierung der Handschriften (111-124). Zur Textgestaltung bemerkt St., die Edition greife "emendierend ein, wo dies im Sinne des Autors scheint, das heißt, wo anzunehmen ist, daß er selbst beim aufmerksamen Durchlesen der Reinschrift einen Fehler empfunden hätte" (124 f.). Die Texte stehen in der 2. Hälfte des Bandes: Iotsalds Vita Odilonis (139-281), darin auch sein "Planctus de transitu domini Odilonis abbatis" (255-265) und sein "Ritmus de eodem patre" (266-270). Es folgt die gleich nach Odilos Tod 1049 verfasste "Epistola monachorum Silviniacensium De obitu Odilonis abbatis et notitiae De electione Hugonis abbatis" (283-290) sowie der spätere Brief des Mönches Burchard "De patris Odilonis praeconii laudibus" (291-294). Am Schluss folgt der kurze Bericht "de elevatione corporis Odilonis" durch Petrus Damiani (297).

Die Studien zu Iotsalds Vita des Abtes Odilo von Cluny bringen als Teil I "Historische und literaturhistorische Forschungen zu Cluny". St. widerspricht der These von einer gerade im Vergleich zu seiner politischen Macht und Größe geringen literarischen Bedeutung Clunys (6). Seine Arbeit ist ein "Baustein zu einer solchen Literaturgeschichte: Sie erschließt aus dem reichen cluniazensischen Schrifttum wichtige Teile der Odilo-Hagiographie mit modernen philologischen und historischen Mitteln" (7).

Das Kapitel II "Iotsalds Odilo-Vita" stellt fest, dass die Gliederung der Vita Odilonis durch die Neuedition klarer wird: die Vita besteht aus "den drei Büchern, Prosa, die das Leben (Buch I), Wunder zu Lebzeiten (Buch II) und Wunder nach dem Tode (Buch III) schildern. Dem Ganzen ist ein Widmungsbrief vorangestellt. In zwei Handschriften folgt der Prosavita noch, als Planctus bezeichnet, eine Anzahl teilweise dialogisch strukturierter metrischer Dichtungen sowie ein rhytmisches Gedicht (Ritmus). Diese Verspartien sind zusammen mit den vorangehenden drei Büchern als ein geschlossener Werkkomplex aufzufassen" (11 f.).

Seine Sicht belegt St. in Einzelheiten (12-32). Einige Linien werden weit zurückverfolgt: Das Wort "Epitaphium" erscheint bei Hieronymus, Augustin, Isidor von Sevilla und Paschasius Radbertus, um dann in Cluny verwendet zu werden (33-42). Der Begriff sermo als Trauerrede wird bis auf Ambrosius zurückgeführt, dessen Schrift de officiis ebenfalls auf Iotsald eingewirkt hat (42-46). Ein Buch der Bibel wird auffällig oft verwendet: Das Hohelied. "Im Anschluß an die Auslegung des Origenes, der das Hohelied als dialogische Epithalamium ansieht, das die Hochzeit der Seele mit Christus als sponsus und sponsa feiert, stellt Iotsald dialogisch oder eher (fingiert) szenisch (dramatisch) beschreibend die mystische Vereinigung von Odilos jungfräulicher Seele mit Christus in österlicher Freude dar" (46 f.). St. bemerkt, dass biblische Zitate "mehrfach der Vetus Latina näher stehen als der Vulgata" (51). Die jetzt in Beuron begonnene Vetus-Latina-Edition des Canticum durch Eva Schulz-Flügel nennt St. nicht. Einflüsse aus Vergils Aeneis werden verzeichnet, auch Sulpicius Severus und Papst Gregors I. Dialoge haben nachgewirkt. Als zeitgenössische Autoren werden Fulbert von Chartres und Laurentius von Amalfi genannt.

Abschnitt III "Text und Überlieferung" kommt zu dem Ergebnis, dass Iotsalds Vita "ihren Überlieferungsschwerpunkt in der Glanzzeit Clunys und der cluniazenischen Idee, unter den Äbten Hugo und Petrus Venerabilis" hatte (63). Neben Cluny war das Kloster Crépy von Bedeutung. Aber mittelalterliche Autoren haben ihre Kenntnis wohl "immer aus der durch Petrus Damiani erstellten jüngeren Fassung" erhalten (64). Eine Karte zeigt die Verbreitung der Texte (69). Kapitel IV geht Zusätzen zur Vita nach (74-82). Ein Anhang bringt zwei kurze Texte. Den nützlichen und informativen Studienband beschließen Register und acht Schrifttafeln.