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Ausgabe:

September/2001

Spalte:

907 f

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Müller-Kessler, Christa, and Michael Sokoloff [Eds.]

Titel/Untertitel:

A Corpus of Christian Palestinian Aramaic. IIA: The Christian Palestinian Aramaic New Testament Version from the Early Period. Gospels. VI, 271 S., 8 Taf. Lw. hfl 160.-; IIB: The Christian Palestinian Aramaic New Testament Version from the Early Period. Acts of the Apostles and Epistles. V, 305 S., 16 Taf. Lw. hfl 160,-; V: The Catechism of Cyril of Jerusalem in the Christian Palestinian Aramaic Version. V, 261 S. Lw. hfl. 185.-.

Verlag:

Groningen: Styx 1998/99. gr.8. ISBN 90-5693-018-4, 90-5693-019-2, 90-5693-030-3.

Rezensent:

Klaus Beyer

Das Christlich-Palästinisch-Aramäische (CPA) war vom 5. bis 9. Jh. n. Chr. die Schriftsprache der palästinischen Melkiten mit Zentrum Nordjudäa und südliches Ostjordanland. Danach verfiel die aramäische Kirche Palästinas, und ihre Pergamentkodizes (und eine Holztafel) gingen als Schreibmaterial an andere Religionsgemeinschaften, die sie auseinandernahmen, die Schrift so gut es ging abwuschen (die roten Überschriften meist vollständig) und die Blätter auf Griechisch, Syrisch, Hebräisch, Arabisch, Koptisch oder Georgisch neu beschrieben. Daher ist das CPA des 1. Jt.s fast nur aus Palimpsesten bekannt. Im 11. bis 12. Jh. folgte mit dem Zentrum Ägypten eine zweite Blütezeit, aus der mehrere Kodizes (darunter drei datierte Lektionare) erhalten sind, doch sprach man nicht mehr Aramäisch, und das CPA war verwahrlost.

Für das echte CPA und die alte melkitische Literatur sind wir also abgesehen von einigen Inschriften (zuletzt zusammengestellt in meinen Aramäischen Texten vom Toten Meer, Göttingen 1984, 402-406, und Ergänzungsband 1994, 269-273) fast nur auf die untere Schrift von Palimpsesten des 6.-9. Jh.s angewiesen. Die meisten älteren Editionen sind allerdings nicht zuverlässig. Daher hat C. Müller-Kessler schon für ihre grundlegende Grammatik des CPA, Hildesheim 1991, die Handschriften weitestmöglich neu gelesen - eine äußerst mühevolle Arbeit, wie jeder erkennt, der einen Blick auf die den Bänden IIA und IIB beigegebenen Tafeln wirft und die CPA-Schrift der Palimpseste unter der klaren oberen Schrift aufzufinden oder sogar zu entziffern sucht, ganz zu schweigen von der Schwierigkeit, an die über die halbe Welt verstreuten Originale heranzukommen, soweit sie überhaupt auffindbar bzw. (schon) zugänglich sind.

Alle literarischen CPA-Texte sind Übersetzungen bekannter griechischer Schriften. Das Neue Testament ist eine Neuübersetzung ohne Verbindung zur aramäischen Urgemeinde. Es bezeugt einige interessante Varianten. Die Katechesen des Cyrill von Jerusalem beruhen auf einer unbekannten Fassung dieser Unterweisungen. Am wichtigsten ist die CPA-Literatur als Zeuge des südpalästinischen Westaramäisch. Wie bei dem zuerst (1996) erschienenen Band III (40 Märtyrer, Eulogios, Anastasia, vgl. meine ausführliche Besprechung im Journal of Semitic Studies 43, 1998, 180-183) ist der deutschen Verfasserin die Kontrolle bzw. Erstlesung und Identifizierung der Originale und dem israelischen Verfasser das Glossar zu verdanken. Der Rest ist Gemeinschaftsarbeit.

Die langjährige Erfahrung der Vfn. mit Schrift und Sprache des CPA bietet die Gewähr für eine optimale Entzifferung. Die eigens erstellte gut lesbare Schrift (vgl. die genannte Grammatik 28) berücksichtigt die Abweichungen von der syrischen Estrangela, von der die CPA-Schrift einst herkam und die von allen früheren Editoren notgedrungen benutzt wurde. Teilweise erhaltene Wörter werden in [ ] vervollständigt, aber Lücken nicht aufgefüllt. Übersetzungen werden nicht gegeben, jedoch am Ende einige knappe orthographische und sprachliche Bemerkungen und Konjekturen zu einzelnen Stellen, die genannte Grammatik ergänzend. Alle Bände werden abgeschlossen durch ein Glossar, das außer bei sehr häufigen Wörtern vollständig ist und Lehn- und Fremdwörter (meistens griechisch) kennzeichnet.

Die Bände IIA und IIB versammeln zum ersten Mal alle erreichbaren Fragmente der Bibelhandschriften und Lektionare des Neuen Testaments. Sie bezeugen etwa ein Fünftel, einiges mehrfach (mit auffällig vielen Umstellungen, Zusätzen, Formvarianten u. ä. untereinander), dafür 1Tim, Jak, 1Petr, 2.3Joh, Jud, Apk gar nicht. Die Hgg. ahmen die Verteilung des Textes (samt Zusätzen) über die Originalseiten genau nach (links die zweite Kolumne), die Seiten IIA 11-196 und IIB 13-218 folgen allerdings aufeinander wie bei uns üblich mit Abweichungen und Konjekturen früherer Herausgeber in Fußnoten. Beigegeben sind schließlich noch zwei nach den Fragmenten geordnete Listen der Bibelstellen. Jedoch fehlt ein neutestamentliches Stellenregister, dem man schnell entnehmen kann, ob und wo ein bestimmter Vers zu finden ist und ob er ein- oder mehrmals belegt ist.

Der Band V enthält die Fragmente der Vorkatechese und der Katechesen des Bischofs Cyrill von Jerusalem (etwa 315-386), die alle von einem georgischen Palimpsest stammen. Die Textdarbietung entspricht der des Neuen Testaments. Auf den Gegenseiten steht das griechische Original, ed. W. C. Reischl und J. Rupp, München 1848, Nachdruck Hildesheim 1967. Nützlich sind immer noch die S. 5 genannten Arbeiten von H. Duensing 1906 (Nachdruck Jerusalem 1971) und 1955.

Die Bände I (Altes Testament) und IV (Predigten u. ä.) stehen noch aus. Diese Ausgabe der alten CPA-Texte wird endgültig sein. Nur mit Nachträgen ist noch zu rechnen.