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Ausgabe:

Juli/August/2001

Spalte:

850 f

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Zetzsche, Jost Oliver

Titel/Untertitel:

The Bible in China. The History of the Union Version or The Culmination of Protestant Missionary Bible Translation in China.

Verlag:

Sankt Augustin: Monumenta Serica Institute 1999. 456 S. gr.8 = Monumenta Serica Monograph Series, 45. Geb. DM 90,-. ISBN 3-8050-0433-8.

Rezensent:

Monika Gänßbauer

Die vorliegende Arbeit entstand als Dissertation an der Universität Hamburg und ist in zwei Teile gegliedert. Der erste Abschnitt befasst sich mit der Geschichte von Bibelübersetzungen durch protestantische Missionen von ihrem Beginn bis 1890, der zweite Teil geht auf die bis heute in China meist gebräuchliche Bibelübersetzung, die Union Version (dt.: Einheitsübersetzung, chin.: heheben) ein.

Einer der ersten Bibelübersetzer war Robert Morrison von der London Missionary Society, der 1807 China erreichte, im Gepäck den Auftrag seiner Missionsgesellschaft, die Bibel ins Chinesische zu übertragen. Bei seinen Bemühungen griff er stark auf katholische Quellen zurück, so dass - ein lang vernachlässigter Umstand - "die protestantische Terminologie bis heute stark von katholischen Termini geprägt ist" (37).

Morrisons Auftrag konkurrierte bald mit denen anderer Kollegen. Jene ersten protestantischen Bibelübersetzungen bezeichnet Z. als überhastete Produktionen von Männern, die kaum die nötigen linguistischen Kompetenzen für dieses Unternehmen besaßen. Hier wie auch für alle nachfolgenden Übersetzungsprojekte konstatiert Z., dass der Beitrag der chinesischen Mitarbeiter durchgängig ungewürdigt blieb. Oft wurden nicht einmal ihre Namen genannt, obgleich die Bemühungen der Missionare ohne das Engagement ihrer chinesischen Kollegen fraglos gescheitert wären (siehe z. B. 137).

Morrisons Übersetzungsarbeit wurde ab 1843 von dem preußischen Missionar Karl Gützlaff fortgeführt. Seine Bibelübersetzung war, so Z., "möglicherweise die einflußreichste Version in der chinesischen Geschichte" (72), doch nicht etwa wegen ihrer Bedeutung für die chinesische Kirche, sondern weil die Taiping-Rebellen sich auf sie bezogen, deren Anführer Hong Xiuquan sich für den jüngeren Bruder Jesu hielt, als er sein ,Großes Reich des Himmlischen Friedens' ausrief und damit die größte Rebellion in Chinas jüngerer Geschichte auslöste.

In den folgenden Jahren waren protestantische Übersetzungsprojekte von der Auseinandersetzung um die Frage einer korrekten Übersetzung von Termini wie Gott (chin.: shen vs. shangdi) dominiert. Walter Medhurst zählte gegen Mitte des 19. Jh.s insgesamt 14 verschiedene Begriffe für Gott, die in Umlauf waren. Die letzte Autorität in Fragen der Übertragung von Termini lag bei den Missionsgesellschaften - denn sie waren es, die alle Projekte finanzierten. Von ihnen hingen die Missionare in ihren Unternehmungen letztlich ab.

In einem kleinen Kapitel beleuchtet Z. auch erste Bibelübersetzungen durch Chinesen. 1908 legte der berühmte Übersetzer Yan Fu (1853-1921), der auch Werke von T. H. Huxley und E. Spencer ins Chinesische übertragen hatte, eine Übersetzung der vier ersten Kapitel des Markus-Evangeliums vor. Zunächst ermutigte die British and Foreign Bibel Society Yan Fu zu einer Fortführung des Projektes, das auch von chinesischen Christen enthusiastisch begrüßt wurde. Doch wenig später entschied sich die BFBS dagegen. - Eher kurios erscheint der Fall von Feng Yasheng (1792-ca.1829), der 1823 nach Deutschland eingeladen wurde und später die Markus und Lukas-Evangelien ins Chinesische übertrug. Z. weist nach, dass es sich bei dieser Übertragung in weiten Teilen um eine Kopie der Übersetzung von Morrison handelte, die in manchem gar noch fremder wirkte als diese.

Auf einer Konferenz aller in China vertretenen Missionsgesellschaften im Jahr 1890 schließlich hatte die Frage einer gemeinsamen Bibelübertragung absoluten Vorrang. Es fiel die Entscheidung, eine Union Version zu erarbeiten, allerdings in drei verschiedenen Sprachstilen. Z. beschreibt detailreich das Zustandekommen der drei Komitees und den Prozess bis hin zur Erarbeitung der endgültigen Version. Erst spät sollten die Missionare die Bedeutung erkennen, die das gesprochene Chinesisch, das Mandarin, gegenüber der Schriftsprache des klassischen Chinesisch für ihre Bibelübersetzungsprojekte hatte.

1919 lag die Union Version vor, und 10 Jahre später war klar, dass die Übersetzung in das Mandarin sich als weithin erfolgreichste Version durchgesetzt hatte. Sie genießt in der protestantischen Kirche Chinas bis heute großes Ansehen, obwohl inzwischen auch andere Bibelübersetzungen, beispielsweise die Today's Chinese Version (chin.: xiandai zhongwen yiben), vorliegen. Interessanterweise wendet sich bis heute eine konservative Mehrzahl chinesischer Christen gegen eine Revision der Union Version, wie sie von Kirchenvertretern wie dem Nanjinger Bischof K. H. Ting befürwortet wird. Ihnen gilt die Union Version als "die autorisierte Bibelübersetzung, an der nichts verändert werden darf. Handelt es sich hierbei doch um Gottes Wort" (345). Dennoch arbeiten Dozenten des Theologischen Seminars in Nanjing mit Vertretern der United Bible Society in Fragen einer Revision der United Version zusammen.

Mit The Bible in China liegt eine Arbeit vor, die für alle Leser interessant ist, die sich mit Christentum in China und westlich-chinesischer Missionsgeschichte befassen. Z.s Arbeit birgt große Detailkenntnis und bringt überraschende Fakten ans Tageslicht, ein Umstand, der wohl auch der intensiven Archivarbeit des Autors zu verdanken ist. Neben viel Wissenswertem offenbart die Studie zuweilen auch allzu Menschliches, gerade, wo es um die Interaktion zwischen Missionaren oder ihnen und den entsendenden Gesellschaften geht.