Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Juli/August/2001

Spalte:

846 f

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Küster, Volker

Titel/Untertitel:

Die vielen Gesichter Jesu Christi. Christologie interkulturell.

Verlag:

NeukirchenVluyn: Neukirchener Verlag 1999. XI, 214 S. 8. Kart. DM 38,-. ISBN 3-7887-1743-2.

Rezensent:

Andreas Feldtkeller

Die in Heidelberg entstandene Habilitationsschrift des gegenwärtig in Kampen (Niederlande) lehrenden Vertreters der "Pluridisziplin" Religionsgeschichte - Missionswissenschaft - Ökumenik wurde für den Druck geringfügig überarbeitet. Das so entstandene Buch erhielt im Oktober 2000 den Preis der Akademie für Interkulturelle Studien (Bayreuth), der für "herausragende Leistungen in Theorie und Praxis des interkulturellen Dialogs" vergeben wird. Damit wurde dem Werk bereits kurze Zeit nach seinem Erscheinen nicht nur innerhalb der interkulturell ausgerichteten Fächer der Theologie, sondern auch im interdisziplinären Vergleich höchste Aufmerksamkeit zuteil.

Zwischen den Buchdeckeln verbirgt sich mehr, als der Titel verspricht: ein Kompendium kontextueller Theologien, das die behandelten kulturell, religiös und politisch sehr unterschiedlich geprägten Theologien jeweils am Beispiel ihrer Christologie lebendig werden lässt, das jedoch auch allgemeiner gehaltene Einführungen in Situation, Geschichte und Gestalten von Theologien aus Lateinamerika, Afrika und Asien bietet. In der Regel wird jeder Kontext anhand von zwei Theologen dargestellt, die allesamt männlich sind, wie es für die vorderste Reihe der hier herausgegriffenen Generation (noch) charakteristisch ist. Insofern kann Küster sein Buch auch mit einem Schmunzeln beschreiben als eine "Galerie der großen alten Männer der kontextuellen Theologien" (2).

Die in dieser Galerie Porträtierten sind Leonardo Boff und Jon Sobrino für die lateinamerikanische Befreiungstheologie, Charles Nyamiti und Bénézet Bujo für eine afrikanische Inkulturationstheologie, M. M. Thomas und Stanley Samartha für die Theologie im Kontext des Hinduismus, Katsumi Takizawa und Seiichi Yagi für die japanische Theologie im Dialog mit dem Buddhismus, Kosuke Koyama und Song Choan-Seng für eine am gesamtasiatischen Horizont orientierte Theologie, James H. Cone und Allan A. Boesak für Schwarze Befreiungstheologien in den USA bzw. Südafrika, Ahn ByungMu für die MinjungTheologie Koreas, Arvind P. Nirmal für die Dalit-Theologie in Indien sowie Teruo Kuribayashi für die Burakumi-Theologie in Japan.

Die Darstellungen sind lebendig und streckenweise geradezu spannend geschrieben. Sie setzen kein Vorwissen in den kontextuellen Theologien voraus und eignen sich daher gut als einführende Lektüre für eine Erstbegegnung mit dieser Thematik. Lesende, die nach Vertiefung vorhandenen Wissens suchen, werden bisweilen vom Ende des Kapitels überrascht, bevor sie ganz auf ihre Kosten gekommen sind. Positiv ist daran zu sehen, dass sie sich bis dahin nicht gelangweilt haben werden und dass eine nicht alle Fragen erschöpfende westliche Interpretation hoffentlich dazu einlädt, die Originaltexte zu lesen, die alle auf deutsch oder englisch verfügbar sind.

Dem eigentlichen Materialteil vorangestellt sind Überlegungen zur Theorie kontextueller Theologie, mit denen der Autor eigene frühere Arbeiten fortschreibt. Eine Art literarische Rahmung bilden zwei Abschnitte zum Neuen Testament: ein Prolog "Jesus und die Kultur" (915) sowie ein Epilog "Paulus und die Kultur" (201210). Jesus wird vorgestellt als bewusst im Kontext einer bestimmten Kultur und Religion handelnd, nämlich der jüdischen. Dies dient vielen modernen kontextuellen Theologien als Legitimation, in ihren Christologien ausdrücklich an den historischen Jesus anzuknüpfen. Paulus dagegen erscheint als Paradigma für die Grenzüberschreitung in der christlichen Missionsbewegung - als derjenige, der maßgeblich die Weichen dafür gestellt hat, dass christliche Theologie in neuen kulturellen und religiösen Kontexten nicht dieselbe Gestalt behalten muss, die sie in vorangegangenen Kontexten besaß.

Das Buch ist optisch ansprechend gestaltet mit Reproduktionen christlicher Kunst aus Lateinamerika, Afrika und Asien, mit einer Fülle von Schaubildern und tabellenartigen Überblicken sowie mit einer übersichtlichen Textgliederung. Zur Ausstattung gehören ein Abbildungsverzeichnis und ein Autorenregister. Auf ein Literaturverzeichnis wurde bewusst verzichtet mit Hinweis auf die inzwischen vorhandenen Möglichkeiten der elektronischen Medien. Die Fußnoten bieten jedoch auch Offline-Lesern ausreichend Wegweisung zu weiterführender Literatur.