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Ausgabe:

Oktober/1998

Spalte:

1004

Kategorie:

Autor/Hrsg.:

Höllen, Martin:

Titel/Untertitel:

Loyale Distanz? Katholizismus und Kirchenpolitik in SBZ und DDR. Ein historischer Überblick in Dokumenten. 2: 1956 bis 1965.

Verlag:

Berlin: Selbstverlag Martin Höllen 1997. XXXII, 460 S. gr.8. Kart. DM 39,-.

Rezensent:

Hubert Kirchner

Nun verstrich doch ein längerer Zeitraum als erwartet und vor allem erhofft bis zum Erscheinen des zweiten Bandes. (Vgl. die Besprechung von Bd. 1, ThLZ 120, 1995, 682-684). Die Kompliziertheit der Materie, die Fülle des zu bewältigenden Stoffes und nicht zuletzt die besonderen äußeren Schwierigkeiten, unter denen das Opus erscheinen muß, lassen aber doch - bei allem Bedauern darüber, so lange warten zu müssen - kaum Unmut aufkommen, sondern nötigen zu uneingeschränkter Anerkennung.

Der nun also vorliegende zweite Band dokumentiert eine ganz entscheidende Etappe des Weges der römisch-katholischen Kirche in der DDR. Die Jahre zwischen 1956 und 1965 waren in vieler Hinsicht ausschlaggebend: Einerseits hatte die innenpolitische Entwicklung der DDR, die in der Errichtung der Berliner Mauer, d. h. in der hermetischen Abriegelung gegenüber dem Westen 1961 ihren Höhepunkt fand, ihre erheblichen Auswirkungen auf die Kirchenpolitik und auch auf die Haltung der Kirchen. Die Einheit des so wichtigen Bistums Berlin und die der Deutschen Bischofskonferenz standen auf dem Spiel. Die Kirche stand vor der Aufgabe, neue Wege, Orientierungs- und Handlungsmodelle zu finden bis hin zu tragfähigen kirchenrechtlichen Entscheidungen, die aber nichtsdestoweniger auch nichts vorwegnehmen durften.

Andererseits markiert der gleichzeitige Übergang der Verantwortung für den Weg der Berliner Ordinarienkonferenz von Kardinal Döpfner auf den neu berufenen Bischof von Berlin, Bengsch, einen entscheidenden personalen Wechsel an der für den Staat wie für die Kirche brisantesten Stelle. So ist es verständlich, daß das Schwergewicht der hier gesammelten Dokumente auf den Vorgängen in Berlin ruht und die prägende Gestalt des Bischfos, späteren Erzbischofs und Kardinals von Berlin, deutlich in den Vordergrund tritt, zumal dieser schon bald nach seinem Amtsantritt die kirchenpolitischen Zuständigkeiten - und das heißt: die Zentralisierung in Berlin, noch einmal eindeutig eingeschärft hatte (mit Beschluß der Ordinarienkonferenz!). Und selbstverständlich bildet das Konzil einen wichtigen Schwerpunkt und hierbei wiederum die Rolle, die Erzbischof Bengsch spielte, nicht zuletzt mit seiner Eingabe über das Schweigen zur "schweigenden Kirche" und dann seiner Haltung zur Pastoralkonstitution "Gaudium et spes".

Der großen Stoffmenge ist es zuzuschreiben, daß nicht auch schon, wie eigentlich vorgesehen und angekündigt, die Phase der Konzilsrezeption bis 1970 in diesen Band mit einbezogen werden konnte, wozu ja auch die Meissener Diözesansynode gehört.

Diese und der ganze weitere Weg bis 1990 bleibt nun dem 3. Bande vorbehalten, der womöglich in zwei Teilen erscheinen wird. Neu gegenüber dem ersten Bande ist ein durchnummeriertes Verzeichnis aller Dokumente, auch derer, die nur in den Anmerkungen als Ergänzung zu den Hauptdokumenten wiedergegeben werden. Ein ebensolches Verzeichnis für den ersten Band ist zum nachträglichen Einlegen jetzt beigefügt - eine wichtige Hilfe, solange das unverzichtbare Register noch nicht vorliegt. Auch das Schriftbild hat sich verändert, doch hat sich dadurch freilich die Lesbarkeit nicht wesentlich verbessert, da der Text nun noch gedrängter erscheint als bisher schon. Erwähnenswert ist ferner die Ergänzung zur ohnehin schon riesigen Bibliographie von Band 1: Nicht weniger als 169 neue Titel werden aufgelistet!

In summa: Ungeachtet der formalen Desideria, die schon zu Band 1 geäußert werden mußten und natürlich auch jetzt (noch) nicht grundsätzlich zu befriedigen waren, erfüllt der Band alle Erwartungen. Er ermöglicht viele Einblicke in Vorgänge und Situationen, die bislang so nicht möglich waren, und läßt den Wunsch nach baldiger Vollendung des Ganzen nur noch dringender werden.