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Ausgabe:

Juli/August/2001

Spalte:

845 f

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Koschorke, Klaus [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

"Christen und Gewürze". Konfrontation und Interaktion kolonialer und indigener Christentumsvarianten.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht 1998. 298 S. gr.8 = Studien zur Außereuropäischen Christentumsgeschichte, 1. Kart. DM 98,-. ISBN 3-525-55960-7.

Rezensent:

Andreas Nehring

Außereuropäische Kirchengeschichte als Teil der Missionsgeschichte zu betrachten hat gewisse Vorteile. In den Curricula der Kirchengeschichte braucht man nur am Rande auf die Missions und Expansionsbestrebungen der europäischen Kirchen zwischen dem 16. und 19. Jh. einzugehen. Dass diese Marginalisierung der Geschichte der Kirchen außerhalb von Europa keineswegs den "veränderten ökumenischen Rahmenbedingungen" (13) entspricht, ist zumindest in Deutschland kaum in das theologische Bewusstsein eingedrungen. Die Mehrheit der Weltchristenheit lebt inzwischen in der südlichen Hemisphäre, und nicht nur das, in Afrika, Asien und Lateinamerika haben sich aus der Initiative einheimischer Christen eigenständige Formen des Christentums entwickelt, die deutliche Zeichen der Auseinandersetzung mit und Abgrenzung zu europäischen Missionsmodellen erkennen lassen.

Der vorliegende Band, der auf ein interdisziplinäres Symposion in Freising im Februar 1997 zurückgeht, ist ein gelungener Versuch, der wachsenden Bedeutung der außereuropäischen Christentumsgeschichte gerecht zu werden. Hervorzuheben ist vor allem das Bemühen, international und interdisziplinär zu arbeiten. Der Untertitel deutet an, dass sich der Herausgeber durchaus bewusst ist, dass ökumenische Beziehungen zu Kirchen Asiens, Afrikas und Lateinamerikas nicht zu haben sind ohne eine Reflexion der ökonomischen, politischen und sozialen Verflechtungen der Geschichte. Diese sind aber nur interdisziplinär zu bearbeiten. Das wachsende Interesse von Indologen, Afrikanisten, Sozialwissenschaftlern u. a. an Missionsarchiven in Europa und in den Kirchen der "Dritten Welt" macht deutlich, dass man sich bewusst wird, wie stark Christentumsgeschichte und Kolonialgeschichte ineinander verwoben sind und welche Schätze zur Aufarbeitung der Geschichte der interkulturellen Begegnung in diesen Archiven vergraben sind.

Die 19 Beiträge dieses Bandes zeigen, dass sich die Begegnung zwischen europäischen Missionsgesellschaften und einheimischen Christen weder auf das eurozentrische Modell einer Einheimischmachung des Christentums noch auf das Problem eines interkulturellen Austausches reduzieren lassen, sondern dass gerade in der postkolonialen Phase außereuropäischer Gesellschaften deutlich gemacht werden kann, wie stark die interkulturelle Begegnung von Interaktion und auch Konfrontation geprägt war, welchen Anteil also einheimische Christen an der Bildung eines indigenen Christentums hatten. Bekannt sind die afrikanischen unabhängigen Kirchen und die Basisgemeinden in Lateinamerika, bekannt ist auch das Anwachsen der pentacostalen Kirchen als von außen induzierter, aber durchaus einheimischer Ausdruck des Christentums; der Band macht jedoch deutlich, dass dieses keine Einzelfälle lokaler Christentumsvarianten sind, sondern dass außereuropäische Christentumsgeschichte insgesamt nicht als missionsgeschichtlicher Anhang der europäischen Kirchengeschichte behandelt werden kann und einen eigenen Forschungsbereich darstellt, der der weiteren Entfaltung bedarf.

Der Herausgeber äußert die Hoffnung, dass das Freisinger Symposion zu weiteren Diskussionen über Einheit und Vielfalt der außereuropäischen Christentumsgeschichte anregt. Dieser Hoffnung kann man sich nur anschließen, allerdings bleibt zu wünschen, dass dieser Diskurs stärker als bisher von Historikern der einheimischen Kirchen bestimmt wird.